Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung die ganzen negativen Eindrücke nicht bestätigen. Ich arbeite seit Mitte März 2020 durchgehend von zu Hause und bin bei einem deutschen Unternehmen mit ca. 1800 Mitarbeitern beschäftigt.
Die Arbeitszeiten sind praktisch komplett identisch mit den Zeiten, die vorher auch im Büro abgeleistet wurden und es wird auch seitens des Arbeitgebers immer wieder auf die Einhaltung (Überstunden kommen immer mal vor, sind aber nicht exorbitant und/oder permanent) hingewiesen und die Mitarbeiter dazu angehalten, diese einzuhalten, soweit möglich.
Vielfach heißt es auch immer mal, dass HomeOffice der nächste Schritt in der Selbstausbeutung der Arbeitnehmer sind. Nicht alle Arbeitgeber sind Sklavenhalter und Ausbeuter. Wenn es euer ist oder ihr euch zur Selbstausbeutung genötigt fühlt, dann such die einen anderen Arbeitgeber oder ändert euch selbst, wenn ihr HomeOffice dauerhaft machen wollt!
Für mich haben diese bald 1,5 Jahre ohne tägliches Fahren ins Büro (Hinweg ca. 40 min. mit ÖPNV) wesentlich mehr Vorteile, als Nachteile. Ob dies der Fall ist, hängt aber sehr stark von der jeweiligen Situation und Arbeitsbedingungen zu Hause und den Gegebenheiten auf Arbeitgeberseite ab.
Das ist auch der Hauptpunkt, der mich an der HomeOffice-Diskussion oft so sehr stört:
Es wird oft die Corona-Krisensituation, durch die viele Leute ins HomeOffice gezwungen (!) wurden, als Maßstab dafür angesetzt, ob HomeOffice gut ist und funktioniert oder eben nicht. Das kann und darf aber nicht der Maßstab dafür sein, ob HomeOffice grundsätzlich gut ist oder eben nicht.
Wenn die Gegebenheiten seitens des Arbeitgebers (technische Infrastruktur, organisatorische Regelungen, homeofficefähige Führungskräfte (an denen es oft mangelt)) und meine persönlichen Gegebenheiten (vernünftigen Arbeitsplatz, Kinderbetreuung gesichert) erfüllt sind und ich zudem in der Lage bin, mich eigenständig bei meiner Arbeit zu organisieren, was genug Leute eben nicht sind (!), dann sehe ich absolut nichts, was gegen HomeOffice spricht.
Persönlich ist mir die Kostenersparnis des Arbeitgebers, bspw. bei dessen Büromieten und Ähnlichem, völlig egal. Mich interessiert auch das Bissl an mehr Stromkosten, etc. nicht, welche ich selbst zahle. Da gibt es so viele Punkte, die als Vorteile absolut überwiegen. Ich kann zwischendurch mal Termine wahrnehmen, ich kann unter der Woche mal in einer verlängerten Mittagspause auf den Wochenmarkt gehen, anstatt mich mit den Massen am Wochenende durch den Einkauf zu wühlen. Ich habe keine Zeitverschwendung mehr durch den ÖPNV und dessen Ausfälle, keine Ablenkung im Büro (5-Personen-Büro), nicht mehr die 1-2mal jährliche Erkältung, die im Büro die Runde macht, etc. etc.
Kontakt zu Kollegen ist trotzdem kein Problem: Telefon, Teams, Slack, was auch immer, geht alles seit 1,5 Jahren problemlos und die Firma ist deswegen nicht zusammengebrochen. Die Mitarbeiter und (!) Führungskräfte müssen sich aber auch auf diese neuen Kommunikationswege bzw. dieses neue Kommunikationsverhalten einlassen. Bei einigen hier in der Firma hat es etwas gedauert, aber es funktioniert wirklich gut.
Mein Arbeitgeber will die Regelungen, dass der Mitarbeiter komplett selbst entscheiden kann, ob er nach Corona wieder ins Büro fährt oder weiter von zu Hause arbeitet, auch beibehalten, ohne irgendwelchen Mindestanwesenheitszeiten im Büro.
Der absolut wichtigste Punkt ist deshalb für mich beim HomeOffice:
Durch diese Flexibilisierung bin ich nicht mehr dazu gezwungen, dort zu wohnen, wo ich arbeite. Ich kann wohnen, wo ich will, und alles was ich brauche, ist ein Arbeitszimmer, ein ausreichend schneller und stabiler Internetzugang und im besten Fall ein vernünftiger Mobilfunkzugang, als Internetbackup. Ich brauche nicht mehr in einem Ballungszentrum mit anderen Leuten, von denen viele dort auch nur wohnen, weil sie dort arbeiten, um überteuerten Wohnraum zu konkurrieren!
Das ist auch ganz klar mein Ziel für die nächsten 1-2 Jahre. Bisher sieht das sehr gut aus. Ich bin, was das betrifft, meinem Arbeitgeber ziemlich dankbar. Keine Ahnung, ob ich damit ein "seltener Vogel" bin.