Entfremdet die Arbeit den Menschen oder ist das alles nur marxistisches Gequatsche?

Mein erster Gedanke zur Arbeit ist, dass es ganz ohne Arbeit wohl nie gehen wird. Sie ist damit zumindest eiin notwendiges Übel.

Mein zweiter Gedanke bezieht sich auf das erste Zitat von Marx.Ich teile die dort vertretenen Thesen nicht uneingeschränkt. "Das Produkt der Arbeit tritt der Arbeit als fremdes Wesen gegenüber", heißt es da sinngemäß. Jetzt stelle ich mir mal einen Schreiner vor, der einen Tisch oder ein Regal herstellt. Der Schreiner arbeitet gern mit Holz und macht daraus mit großem Geschick nützliche Gegenstände. Worin besteht die Fremdartigkeit, von der Marx schreibt und wo ist diese unabhängige Macht, die von einem Holztisch ausgehen soll?

Beim Thema "Enteignung" wird darauf abgestellt, dass das angefertigte Produkt in den Besitz bzw. das Eigentum eines anderen übergeht. Das würde eine Entfremdung begründen. Aber ist das nicht genau genommen der Normalfall? Auch der selbstständige Schreiner baut den Tisch nicht für sich selbst. Im Regelfall verkauft er ihn weiter, wodurch auch hier das Eigentum übergeht. Demnach könnte man nur dann nicht von Entfremdung sprechen, wenn wir allesamt Selbstversorger wären. Das sind wir aber nicht.

Auch die Erklärung von th30 überzeugt mich nicht. Es erklärt, dass der Arbeiter einen Teil seiner Arbeitskraft und damit einen Teil von sich selbst in den zu produzierenden Gegenstand überführt. Das mag ja stimmen. Aber handelt es sich dabei um eine Art "Verschiebung" (Wegnahme vom Arbeiter, Hinzufügung zum Produkt) oder ist es nicht vielmehr eine Art "Kopiervorgang". Denn nach der Herstellung eines Tisches muss der Arbeiter nicht "weniger sein" als vorher, als er den Tisch noch nicht angefangen hat.

Zu Zeiten von Marx gab es unzweifelhaft unzählige Missstände, die auch ganz zurecht angeprangert wurden. Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse waren die Regel und dürften damals tatsächlich in vielen Fällen zu einer Entfremdung geführt haben. Für heutige Verhältnisse sehe ich diese Gefahr allerdings kaum noch.

Auch wenn ganz sicher Ausnahmen gibt, so ist ein hoher Prozentsatz von Arbeitnehmern sehr wohl zufrieden mit der beruflichen Tätigkeit und mit den Rahmenbedingungen (Bezahlung, Urlaub, Arbeitsplatzgestaltung, Mitspracherecht, Weisungsbefugnisse usw.)

Um auf das obige Beispiel zurückzugreifen. Wenn jemand einen Tisch herstellt oder an der Produktion eines Airbus mitwirkt, dann muss das keineswegs zur Entfremdung führen. Viele Arbeitnehmer sind vielleicht eher stolz darauf, dass sie etwas geschaffen haben, das anderen gefällt. Manche mögen ihre Erzeugnisse als Prestigeobjekte betrachten usw.

Man sollte auch nicht vergessen, dass wir heute längst nicht mehr die Arbeitsverhältnisse von 1960 haben. Die Arbeitszeiten (siehe Tarife) sind deutlich gesunken und wenn man die Kaufkraft der (Netto-)Löhne umrechnet, dann stehen wir heute so viel besser da, dass sich eigentlich kaum noch jemand beschweren kann.
 
@keshkau
Ich nehme an du hast an deinem Beitrag geschrieben während ich am Beitrag #20 geschrieben habe. Da könntest du vielleicht Antworten auf einige Fragen deines guten Beitrags finden.

Edit: Es ist mir wichtig hier nochmal zu erwähnen, dass es mir vielmehr darum geht, dass die Theorie richtig verstanden wird, als dass sie von irgendwem akzeptiert/geteilt wird. Das ist natürlich jedem selbst überlassen und wenn ich hier in diesem Thread was schreibe, dann könnt ihr das so auffassen, dass ich, das klingt ein wenig dämmlich, sorry, stellvertretend für Marx schreibe/erläutere so gut ich kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Salut th3o,

vielleicht solltest du auch erst einmal ~ 30 Jahre arbeiten, um den Begriff Arbeit auch richtig verstehen zu können. Ansonsten bleibt es graue Theorie, wie für Marx auch.
 
Salut,

ich schreibe nicht über th3o als Person. Ich schreibe darüber wie jemand über das Thema 'Entfremdet die Arbeit den Menschen' referieren kann und nie (oder fast nie) gearbeitet hat und sich nur auf abstruse Theorien eines verblendeten Menschen aus dem Jahr 1848 bezieht. Ich habe beruflich tagtäglich mit arbeitenden Menschen aller Klassen zu tun, mit Arbeitern und Angestellten. Und ich meine, daß ich nach 33 Jahren Berufspraxis, davon 21 Jahre im Personalwesen ein klein wenig Ahnung habe, was Menschen in Deutschland mit dem Begriff Arbeit verbinden. Und Ahnung davon, was ihre Wünsche, Ängste und Nöte sind. Zumindest in den Betrieben, in denen ich in der Funktion beschäftigt war. Und das was die Leute damit verbinden, hat herzlich wenig bis gar nichts mit diesem hier angeführten Schmarren oder Gedanken des Herrn Karl Marx zu tun.
Wie könnte es sonst sein, das bei Umfragen in DEutschland der Wunsch nach Arbeit ganz oben an einer der ersten Stellen steht, direkt hinter dem Wunsch nach Gesundheit? Und die die sich das wünschen, fühlen sich sicherlich nicht in allen menschlichen Anlagen verkrüppelt.
 
Ich habe Marx nie komplett gelesen jedoch kann ich gewissen Thesen wie z.B. die Einteilung in Proletariat und Bourgeoisie durchaus nachvollziehen, damals wie heute. Auch die Theorie das die Herrschenden den Beherrschten nur minimale Rechte zusprechen so das diese nicht in der Lage sind die Grundsituation zu ändern sondern nur sich selbst reproduzieren können ist für mich schlüssig.

@th3o: Vieles stimmt was Marx sagt dennoch vermisse ich Lösungsansätze wie eine andere Welt aussehen könnte. Was für Meinungen vertritt Marx da, vllt. kannst du mich diesbezüglich etwas informieren ohne das ich das ganze "Das Kapital" durchlesen muss was wirklich sehr trocken ist. Ich habs mal versucht :D
 
JulesBärle schrieb:
Wie könnte es sonst sein, das bei Umfragen in DEutschland der Wunsch nach Arbeit ganz oben an einer der ersten Stellen steht, direkt hinter dem Wunsch nach Gesundheit? Und die die sich das wünschen, fühlen sich sicherlich nicht in allen menschlichen Anlagen verkrüppelt.

Das ist relativ leicht zu erklären aber hier werden dann wieder diverse Leute aufschreien und mir zurufen was ich mir doch rausnehmen würde sowas zu behaupten :)

Aber ich kann eine Antwort auf deinen Einwand versuchen.
Marx hat doch mal den Satz aufgestellt: "Das Sein bestimmt das Bewußtsein."
Das bedeutet, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse in denen die Menschen leben (und dazu gehört ja auch die Erwerbsarbeit) die Menschen selbst determinieren, sie beeinflussen und demgemäß auch formen.

Nach dieser These läßt sich also über deine Umfrage (von der ich mal keine Ahnung habe woher du sie hast, aber gesetz dem Fall sie stimmt) sagen:

Es ist kein Wunder, dass die Menschen Erwerbsarbeit wünschen weil nämlich ihr Bewußtstein durch die Art und Weise der organisierten Erwerbsarbeit und eben durch die Art und Weise der Gesellschaftsstruktur determiniert wird, sodass sie sich der "entfremdeten" Erwerbsarbeit geradezu in die Arme werfen! Ganz schön pervers oder? :)


allgemeine Anmerkung: zum besseren Verständniss kann im Thread der Begriff "Arbeit" auch durch "Erwerbsarbeit" ersetzt werden. Als "Arbeit" bezeichnete Marx nämlich nur die Erwerbsarbeit wie der Kapitalismus sie organierst hatte.
Er meinte damit nicht irgendeine x-beliebige körperliche oder geistige Tätigkeit außerhalb des Gelderwerbs.



@smacked2
Das ist jetzt ein wenig offtopic aber wenn ich das nicht erkläre verstehst du Marxens Lösungsansatz nur halb.

Marx war eifriger Leser des Philosophen Hegel und er fand bei ihm die Dialektik ganz gut. Dialektik bei Hegel ist der Prozess durch den eine Sache das wird was sie eigentlich sein kann. Vorher ist die Sache nicht das was sie ist, denn sie ist erstmal nur Erscheinung. Erst das denkende Subjekt konstituiert (oder leitet her) die Sache wie sie ist, nämlich vermöge der Erkenntnis der inneren Widersprüche der Sache, durch die diese Sache sich zusammensetzt. Hegel sah nämlich die Wirklichkeit nicht als etwas statisches Gegebenes an, sondern als einen Prozess. Entsprechend sagte Hegel aus, dass auch ganze Gesellschaftsformen in jeder Epoche sich erst aus den Widersprüchen/Antagonismen der anderen Gesellschaftsformen entwickelt haben.
Das ganz grob dazu.

Nun kam Marx und sagte, dass die kapitalistische Gesellschaft aus den Antagonismen, die in der Gesellschaftsform VOR der Industriellen Revolution herrschten, sich herausgebildet hat. Die kapitalistische Gesellschaft besitzt aber, wie also jede Gesellschaftsform einer bestimmten Epoche, immanente Widersprüche, die mit Notwendigkeit auf einen Zusammenbruch hinarbeiten. Marx sagt im übrigen auch, dass ihm seine Analyse des Kapitalismus vom Kapitalismus bzw. von den Mechanismen des Kapitalismus selbst aufgezwungen wird. Nachdem er die selbstzerstörerischen Tendenzen dargelegt hat und das Eigentum an Produktionsmitteln als eine der Hauptursachen ausgemacht hat (denn nur vermöge der Produktionsmittel und des Kapitals funktioniert Kapitalismus) war er der Meinung, dass eben dieses Eigentum abgeschafft werden müsse (nicht normales Privateigentum wie zb eine Couch :)) und dass dann eine neue Form der gesellschaftlichen Organisation eintreten würde, die die Menschen in ein Reich der Freiheit (wie er es nannte) überführen wird, wo die Menschen nicht mehr durch ihre Erwerbsarbeit "entfremdet" sein würden sondern eben frei dadurch, dass sie jetzt ihre je eigenen Möglichkeiten frei entfalten können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also ich denke viele allgemeine Theorien scheitern schon an dem einfachen FAKTUM:
Jedes Individuum ist anders und daher kann man solche Theorien nur für einen groben Typus aufstellen.
Also ich bin der Typus (hab ich gemerkt) der sagt, dass mir Arbeit Spaß machen soll und das "mehr Geld", is eine schöne Nebenerscheinung.
Also ich hab schon in der Industrie von der Lehre bis Band, später als Bauleiter, als Lehrer und jetzt in der Forschung bei einem großen Automobilkonzern gearbeitet.
Fakt is, Arbeiten hat mir noch nie soviel Spaß bzw. Befriedigung gegeben wie jetzt, so dass ich bei meiner nä Gehaltsverhandlung mir verkneifen muss zu sagen das ich sogar für Nüsse kommen würde.

Warum macht es Spaß:
Es beruht sehr viel auf vertrauen.
Ich kann kommen und gehen wann ich will, sollte aber 40 Stunden in der Woche da sein.
Es wird von unten nach oben geduzt.
Man sieht immer das sich was bewegt.
Wenig Bürokratie.
Eine entspannte Atmosphäre und Umgebung, Kommunikation mit den Kollegen über die Arbeit wird genau so gefördert wie die Kommunikation über das Private.
Könnte stundenlang in der Cafeteria oder bei guten Wetter auf der Terrasse sitzen und quatschen, wenn ich nicht ein schlechtes gewissen bekommen würde und damit das Bedürfnis was zu schaffen hätte.
Es steht keiner hinter einem, der Drang zu arbeiten kommt aus dem Bedürfnis ein wichtige Schnittstelle zu sein um etwas zurück zu geben. Natürlich muss am Ende des Monats auch was da stehen haben.

Ich denke mal ich bin da keine Ausnahme.
Nur wie kommt man dahin? Was kann helfen?
1. Einen guten Abschluss (Schule, Studium etc.)
2. Vitamin B
3. Aufzuhören wenn es kein Spaß macht, das hab ich immer gemacht.
4. Flexibilität & Mut etc.

Das Problem der Gesellschaft:
Firmen sind zu unflexibel

Beispiel:
Wenn eine Firma A einen Maschinenbauingenieur suchen, davon gibt es ja z.Z. einen ziemlichen Mangel, ist es schwer für einen Ingenieur aus einer anderen Sparte (der vielleicht in seinem Studium anstatt Getriebetechnik, Statik hatte) fast unmöglich diese davon zu überzeugen dass er dieses Feld auch schnell beherrschen kann.

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Das Problem der Arbeit:
Es gibt nicht für jeden einen tollen Job in dem er aufgehen kann.
1. Weil sich viele nicht trauen, ihren Geldbringenden Job für andere Möglichkeiten aufzugeben.
2. Es kann auch nicht jeder in der erste Reihe Sitzen.
3. Viele einfach auch zu doof sind. Wer nichts kann, kann sich nicht beschweren. Damit meine ich schon mal keinen der sich mit diesem Thread überhaupt beschäftigt.[/COLOR]

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Fazit jede Theorie kann nur in klar abgesteckten Grenzen richtig sein

Meine ist Ganz einfach
No Risk, no Fun

Wer kein Mut hat und immer den einfachsten weg nimmt, wird sein Ziel wohl nie erreichen. Alles andere ist nur extremes Glück.
Das ist auch in der Liebe so, viele sind zu feige ihre schlechte laufende Beziehung ,die auf Oberflächlichkeiten beruhte aufzugeben. Die sehen nur noch die Möglichkeit jedes WE seinen Kollegen in den Ohren zu liegen "Schei...Frauen etc." , um dann am Ende des Abends irgend ner anderen hinterherzulaufen.

Vielleicht bekommt ja auch jeder einfach das was er verdient, zumindest der großteil hier im demokratischen Europa.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator: (Schriftfarbe angepasst)
Nachdem ich meine ersten spontanen Gedanken schon am Freitag geäußert habe, unternehme ich mal einen zweiten Anlauf zum Thema Arbeit und zu meiner Sicht der Dinge. Ich fange mal ganz früh an: Als Kind geht man zunächst einmal zur Schule und ich hoffe, dass dort noch keine Rede von Entfremdung ist. Irgendwann im Alter von ca. 14 bis 20 Jahren muss sich jeder Mensch allerdings doch Gedanken machen, wie er in den kommenden Jahrzehnten seinen Lebensunterhalt bestreiten möchte. Bei einigen Glückspilzen, die dauernd beim Lotto gewinnen oder die eine Handvoll Millionen Euro in den Schoß gelegt bekommen, mag das kein großes Thema sein, für den Rest der Bevölkerung schon. Reich zu heiraten ist eine der Strategien, die manchmal verfolgt wird, doch die Mehrheit wird zu dem Schluss kommen, dass sie wohl oder übel arbeiten muss.

Nun kann man in Deutschland nicht einfach so in den Wald laufen und dort als Einsiedler leben, der von dem lebt, was er gesammelt oder gejagt hat. Das funktioniert auf Dauer nicht wirklich. Im Endeffekt hat man deshalb wohl keine andere Wahl als sich mit den Verhältnissen abzufinden, die man in seinem Umfeld konkret vorfindet. Wenn dieses Umfeld klein ist, sagen wir ein winziges Kaff irgendwo auf dem Land, dann werden die dortigen Entfaltungsmöglichkeiten vermutlich eher gering sein. Definiert man sein Umfeld größer, z. B. landesweit oder sogar weltweit, dann ergeben sich daraus jedoch unzählige Möglichkeiten.

Nun kann man sich fragen, ob die Verhältnisse, in denen man lebt (und die ich absichtlich nicht als System bezeichnet habe), einen Unterschied machen in Bezug auf die Arbeit. Ein Arbeiter, der in einem der als sozialistisch bezeichneten Länder dieser Erde lebt, bleibt meiner Meinung nach ebenso wenig Eigentümer der von ihm hergestellten Produkte wie sein Kollege in einer Marktwirtschaft, der dort für seine Arbeitszeit entlohnt wird. Das erwähne ich an dieser Stelle aber nur am Rande.

Zurück zu den Jugendlichen, die sich Gedanken über ihre berufliche Zukunft macht: Da einem in Deutschland nichts vorgeschrieben wird und die Berufsfreiheit gilt, stehen einem grundsätzlich alle Türen offen. Dass es Einschränkungen hinsichtlich der Qualifikation gibt (vgl. Fahrlehrer, Ärzte, Richter usw.), sollte dabei kein Problem darstellen. Die Jugendlichen haben daher die freie Wahl. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt! Man entscheidet nicht nur darüber, an welchem Fließband man steht, sondern ob man überhaupt an einem Fließband steht. Wer sich beim Automobilbauer xy bewirbt und dort einen Arbeitsvertrag unterschreibt, kann sich anschließend schlecht über seinen Job beklagen. Er hat ihn sich schließlich eigenhändig ausgesucht und seine Arbeitnehmervertreter (in der Regel Gewerkschaften) haben in seinem Namen die wesentlichen Bedingungen verhandelt. Deshalb genügt es nicht, den Zeigefinger auf den Unternehmer zu richten. Man muss sich auch an die eigene Nase fassen, weil man selbst wesentlich dazu beigetragen hat, dass man diese Arbeit überhaupt macht.

Wenn ich jetzt an Marx denke, dann sehe ich bisher noch keinen Ansatzpunkt, um z. B. über die Entfremdung von der Arbeit zu sprechen. Also geht es erst einmal weiter. Der Jugendliche ist naturgemäß kein Selbstversorger, sondern Mitglied einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft, in der Güter und Dienstleistungen mit Hilfe von Geld getauscht werden. Er sollte sich daher überlegen, wie er an Geld kommt.

Was könnte er machen? Er könnte Bilder malen und verkaufen. Er könnte sich als Sänger versuchen oder als Händler von Waren. Er könnte Kinderspielzeug basteln oder alten Leuten beim Einkaufen helfen. Er könnte Schuhe putzen, Fenster reinigen, Software programmieren usw. Theoretisch ginge das alles – und noch viel mehr.

Es stellen sich allerdings Hindernisse in den Weg. Ohne das entsprechende Talent und ohne Ausbildung findet er keine Abnehmer für seine Bilder. Ohne das entsprechende Talent und ohne Ausbildung will niemand seinen Gesang hören. Für die Produktion seines Kinderspielzeugs braucht er zu lange, sodass er nicht auf die Stückzahlen kommt, die er zum Leben bräuchte. Außerdem ist sein Spielzeug aus Sicht der Kunden zu teuer. Für das Putzen von Schuhen gibt es keinen richtigen Markt und als Fensterputzer kommt er nicht gegen die etablierte Konkurrenz an. Als Programmierer hat er bisher nur wenig Erfahrungen gesammelt, sodass er keine Referenzen vorweisen kann. Die Aufträge bleiben aus. – Die Situation ist auch deshalb so trist, weil wir in Deutschland in einem technisch sehr fortschrittlichen Land leben. Viele unserer gängigen Produkte sind alles andere als simpel. Ihre Herstellung erfordert das Know-how zahlreicher Fachleute sowie nicht selten auch teures Equipment.

Der Fortschritt (Wohlstand) und die Arbeitsteilung gehen dabei Hand in Hand: Ohne die Arbeitsteilung hätten wir den derzeitigen Wohlstand nicht und die Aufrechterhaltung des Wohlstands erfordert weiterhin die Arbeitsteilung. Denn keine Einzelperson wäre in der Lage, ein Auto, einen PC oder ein Flugzeug zu bauen. Das klappt nur mit gemeinsamer Anstrengung.

Wenn jemand ein Problem mit dem Prinzip der Arbeitsteilung hat, dann muss er sich darüber klar werden, dass uns ein Verzicht darauf zurück in die Steinzeit führen würde. Und ich bezweifele, dass es den Menschen damals besser gegangen ist (medizinische Versorgung, Nahrungsangebot, ein Dach über dem Kopf usw.)

Zurück zu dem Jugendlichen, der Geld verdienen will. Er wird sich vielleicht überlegen, erst einmal ein bestimmtes Niveau an (beruflichen) Qualifikationen zu erwerben. Dafür bieten sich eine Berufsausbildung oder ein Studium an. Im Anschluss daran kann er erneut überlegen, ob seine Fähigkeiten mittlerweile ausreichen, um z. B. als Selbstständiger oder Freiberuflicher tätig zu werden oder ob es ihm Spaß machen würde, ohne ein solches unternehmerisches Risiko zu leben und eine Anstellung zu suchen.

Wäre es jetzt an der Zeit, um über Knechtschaft, Ausbeutung und Entfremdung zu reden? Ich denke nicht. Vergessen wir nicht, dass wir Berufsfreiheit haben und dass sich die Menschen aussuchen können, ob sie lieber auf dem Bau oder im Büro arbeiten wollen. Sie orientieren sich entsprechend ihrer Neigungen und Interessen (und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen) in ihrem (selbst definierten) Umfeld.

Wenn jemand ein gutes Zahlenverständnis besitzt, gern mit anderen Menschen umgeht und einen Bürojob sucht, dann könnte er z. B. Bankkaufmann werden. Das sollte auf Anhieb keinen Konflikt mit seinen fundamentalen Interessen hervorrufen. Ein geborener Handwerker dagegen, der lieber mit seinen Händen arbeitet, wird möglicherweise lieber Schlosser werden und dort seine Erfüllung finden. Würde der Bankkaufmann mit dem Schlösser tauschen müssen, wären wohl beide unglücklich. Manchmal trifft man auf Anhieb leider nicht die richtige Entscheidung. So kenne ich eine gelernte Werbekauffrau, die mittlerweile Friseurin ist. Sie fand keinen Gefallen an ihrem alten Job und ist nun rundum zufrieden.

Nun komme ich zu Marx. Seine Schriften sind ja nun schon etwas älter und eher theoretischer Natur. Meiner Meinung bleibt er mir die Antwort auf einige Fragen schuldig (aber dafür ist schließlich th30 da):

Beispiel 1: Ich mache einen Termin mit einem Kundenberater meiner Bank, um ein Tagesgeldkonto zu eröffnen und einen Riestervertrag abzuschließen. Das Gespräch dauert eine halbe Stunde und als ich die Bank verlasse, ist alles erledigt. Das Gesprächsklima war entspannt und der Berater machte einen guten Job. Er stellte mich zufrieden und ich stellte ihn zufrieden. Außerdem verdiente er noch eine Provision an mir. – Wenn ich jetzt noch einmal die Bank betrete, was soll ich ihm dann sagen hinsichtlich der Entfremdung, die er während der letzten halben Stunde erfahren hat? Hat er durch die Beratung etwas verloren, was ich ihm genommen habe? Oder ist er vielleicht einfach nur froh darüber, einen tollen Job gemacht zu haben?

Beispiel 2: Ich bringe mein Auto zur Inspektion, weil es ein komisches Geräusch von sich gibt. Der Mechaniker schaut sich die Sache an, findet und behebt das Problem und präsentiert mir neben der Rechnung gleich noch eine Erklärung für das, was geschehen ist. Er genießt es, in Sachen Auto ein Experte zu sein und freut sich darüber, wieder einmal ein Problem aus der Welt geschafft zu haben. Darüber hinaus hört er gern mein Lob. – Was soll ich dem Mechaniker sagen? Hey Junge, spürst Du nicht die Entfremdung, die durch Deine Tätigkeit in Dir ausgelöst wird?

Beispiel 3: Ein ungelernter Arbeiter hangelt sich von einem Gelegenheitsjob zum nächsten. Vorletzte Woche säuberte er Farbfässer, letzte Woche jobbt er als Lageraushilfe. Diese Woche hilft er bei einem Entrümpelungsunternehmen aus und nächste Woche wird er irgendwo am Band stehen. – Bei ihm könnte ich mir am ehesten vorstellen, dass er nicht immer den Sinn seiner Arbeit sieht und darin auch nicht immer Erfüllung findet. Aber derartige berufliche Lebensläufe sind in Deutschland heute längst nicht mehr die Regel. Die Zeit der Tagelöhner ist vorbei.

Heute bleiben die Arbeitnehmer oft jahrelang bei ein und demselben Arbeitgeber. Wenn die Verhältnisse dort immer so schlecht wären, dann wäre auch die Fluktuation größer. Die Rahmenbedingungen sind auch meist recht angenehm. Es ist ja nicht so, dass die Leute von morgens 7 Uhr bis abends 22 Uhr im Laden stehen müssten, am besten noch an 6 Tagen in der Woche. In der Regel wird nur noch ca. 37-40 Stunden lang gearbeitet. Überstunden werden abgefeiert oder ausbezahlt. Nur bei Führungskräften gelten Überstunden meist schon mit dem Gehalt als abgegolten. In vielen Betrieben macht Qualitätsmanagement die Runde: Dabei werden Abläufe optimiert und standardisiert. Die Mitarbeiter entwickeln das oft selbst mit und durchblicken danach besser die Zusammenhänge im Betrieb. Wo bleibt bei alledem die Entfremdung von der Arbeit?

Man kann natürlich argumentieren, dass der Wert eines hergestellten Produkts den Arbeitslohn übersteigt. Aber ist das von Bedeutung? Nehmen wir z. B. eine Filiale von McDonald’s, die bekanntlich mit Franchising betrieben wird. Der Betreiber der Filiale arbeitet nicht nur für sich selbst, sondern gibt einen Teil seines Umsatzes an den Mutterkonzern ab. Ist das eine Form der Entfremdung? Nicht unbedingt. Denn der Pächter bekommt etwas dafür. Anders formuliert kann man sagen, dass er sich von McDonald’s bestimmte Dinge einkauft: das Sortiment, das Logo, das Marketing, den Bekanntheitsgrad, den Einkauf usw. Er macht keinen eigenen Laden unter seinem eigenen Namen auf, wo er für das alles selbst sorgen müsste, sondern er nutzt dafür das Franchising.

So ähnlich könnte man das bei einem Arbeitnehmer auch betrachten. Der Kundenberater bei der Bank könnte theoretisch auch selbstständig sein und Kunden kostenpflichtig beraten. Aber das ist ein anstrengendes Geschäft mit einem gewissen Risiko. Die Bank, die den Kundenberater einstellt, bietet ihm eine komplette Infrastruktur für seine Arbeit, dazu einen großen Kundenstamm und ein festes Gehalt. Dafür erhält er als Kundenberater nicht den Lohn in Höhe seiner Arbeitsleistung, sondern nur den zuvor ausgehandelten Anteil. Es ist sozusagen ein Deal zwischen der Bank, die den Kundenberater benötigt, und dem Kundenberater, der nicht auf eigenen Füßen stehen will.

Schlussendlich sehe ich heute in Deutschland kaum noch Anhaltspunkte, um Marx zu zitieren, wenn es um das Thema Arbeit geht. Das soll nicht heißen, dass alle Arbeitnehmer (und Unternehmer) mit ihrer beruflichen Situation zufrieden sind. Ich will auch nicht bestreiten, dass es eine gewisse Klientel gibt, der es vergleichsweise schlecht geht. Man muss aber auch sehen, dass es heute jedem Sozialhilfeempfänger immer noch deutlich besser geht als der Mehrzahl der Beschäftigten zu der Zeit von Marx. Und das verdanken wir nicht der Abschaffung des Eigentums an Produktionsmitteln, sondern dem Fortschritt und der Arbeitsteilung (bzw. der daraus resultierenden Produktivität), die ja angeblich das Grundübel der (abhängigen) Arbeit und die Ursache der Entfremdung sein soll.

Bei aller Kritik am System: Wir kennen keine Hungersnot mehr in Deutschland und die Menschen werden so alt wie nie zuvor. Kriege sind nur noch Themen für das Kino und das Fernsehen, für Bücher und Erzählungen. Mir ist ein wenig schleierhaft, warum manche Leute unbedingt die nächste Revolution herbeisehnen (sei es nun die Revolution in der Arbeit oder in der Gesellschaft). Wer sagt denn, dass danach alles besser werden würde?

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Im Übrigen habe ich ein Problem mit einem Satz von th30 in Beitrag 3:
"Denn das System diktiert auch zugleich die Art und Weise wie Arbeit organisiert werden muss durch die innere Beschaffenheit des Systems selber."
In meinen Ohren klingt das nämlich so, als sei das System etwas Eigenständiges, ein Wesen mit einem Willen und mit Zielen. Aber das System ist von Menschen geschaffen worden und es wird durch Menschen in Betrieb gehalten. Man könnte auch sagen, das jedes System von seinem ersten bis zum letzten Atemzug von den Menschen abhängig ist, nicht umgekehrt. Ein gutes Beispiel dafür war die Wende in der DDR. Als die Bevölkerung keine Lust mehr auf den DDR-Sozialismus hatte, ging das System zugründe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke mal ich bin da keine Ausnahme.
Nur wie kommt man dahin? Was kann helfen?
1. Einen guten Abschluss (Schule, Studium etc.)
2. Vitamin B
3. Aufzuhören wenn es kein Spaß macht, das hab ich immer gemacht.
4. Flexibilität & Mut etc.

@ Keyser Soze , die Ausnahme bist Du eben doch, weil leider schon bei einem Großteil der heutigen Jugend der erste Punkt nicht stimmt.
Wenn aber die Grundbildung nicht stimmt nützt auch Vitamin B... nichts, ohne Perspektive wird die Arbeit wenn man überhaupt eine hat keinen Spass machen und die Möglichkeit was anderes zu finden unendlich klein.

Zu allem anderen was Du schreibst kann ich nur sagen trifft für mich auch zu nur das ich wohl keinen Grund habe den Job zu wechseln, es sei denn die Gesundheit verordnet Veränderung aber das will ich mal nicht hoffen.

Als die Bevölkerung keine Lust mehr auf den DDR-Sozialismus hatte, ging das System zugründe.

Entschuldige Keshkau, wenn ich bei dem Thema als gelernter Ossi etwas dünnhäutig reagiere, aber das ist völliger Quatsch, denn es hatte mit Lust nun wirklich nichts zu tun.
Fakt ist das der Staat DDR an dem gescheitert ist das auch Marx zu wenig beachtet hat, dem Faktor Mensch, aber das ist eine andere Geschichte.
 
keshkau schrieb:
In meinen Ohren klingt das nämlich so, als sei das System etwas Eigenständiges, ein Wesen mit einem Willen und mit Zielen. Aber das System ist von Menschen geschaffen worden und es wird durch Menschen in Betrieb gehalten. Man könnte auch sagen, das jedes System von seinem ersten bis zum letzten Atemzug von den Menschen abhängig ist, nicht umgekehrt.

du triffst den nagel auf den kopf mit deinem ersten satz! genau das hat marx behauptet, dass nämlich die Gesetze der Ökonomie, die das kapitalistische System konstituieren "blind" seien, etwas anarchisches, eigenständiges die abgelöst von jeglicher kontrolle schalten und walten. Die Menschen haben sich dieses System selbst erschaffen und sind zugleich die Opfer, also diejenigen, die unter den blinden Mechanismen der frei entfesselten Ökonomie leiden weil sie gezwungen sind immer mehr und immer effektiver zu produzieren. Dieser Prozess entgleitet ihnen förmlich. Das sieht man zB auch daran, dass heute sonstwas für ein Aufschrei herrscht wenn die Wirtschaft nicht wächst! Ja...warum soll sie denn eigentlich wachsen? Naja, wir dann geantwortet, das sei eben die Eigendynamik der Wirtschaft!

Die Fragen, die du in deinem längeren Post gestellt hast beantworte ich gerne, aber erst nach dem du auch den rest des Threads gelesen hast (wie du mir per PN geschrieben hast hattest du noch nicht die Möglichkeit dazu aufgrund des Zusammenbruchs deines Internets), denn ich meine, dass in den anderen Beiträgen Erläuterungen stehen, die deine Fragen "unnötig" machen in dem Sinne, dass deine Fragen bereits das Bejahen eines bestimmten Systemablaufs beinhalten, den Marx aber doch verurteilte. Soll heißen: Deine Fragen stellen sich erst dann wenn man das kapitalistische System bereits angenommen hat.

Gib einfach nochmal ein kurzes Statement hier ab sobald du auch den Rest des Threads also gelesen hast und dann gehe ich gerne auf die Fragen ein falls du sie dann nachwievor noch stellen möchtest. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Grunde hat keshkau es schon richtig beschrieben.

Die Entfremdung durch die Arbeit ist ein "Kann" aber kein "Muss". Wobei hier natürlich auch erst einmal definiert werden sollte, wozu der Mensch den Entfremdet (denn der Begriff der Entfremdung hat durchaus verschiedene Bedeutungen).
Wenn es darum geht, dass der Lohnarbeiter den Bezug (die Beziehung) zu der von ihm geschaffenen Sache (dem Produkt seiner Arbeit) verliert, dann kann dies durchaus der Fall sein. Allerdings ist jeder Arbeitgeber darauf bedacht eben dies zu verhindern, einfach weil ein Arbeitnehmer der einen Bezug zu der von ihm geschafften Sache hat in der Regel ein besseres Arbeitsergebnis liefert.

Ferner kann dieser Übergang den Marx beschreibt auch etwas positives bedeuten. Identifiziert sich der Arbeiter mit dem Produkt seiner Mühe, bedeutet dies ja nichts schlechtes, selbst nach dem Verkauf des Produktes.
Im Fall eines VW Mitarbeiters kann dies z.B. bedeuten, dass er "ein Stück von sich" mit in das Produkt, z.B. den VW Golf, gibt (wie keshkau bereits sagte kopiert und nicht verliert).
Sieht dieser Mitarbeiter nun einen Golf auf der Straße fahren, freut es ihn vielleicht das Produkt seiner Mühen nun in Aktion zu sehen, was ihn vielleicht sogar mit Stolz erfüllt und somit eine Bereicherung darstellt. Wenn er dann noch sieht, dass der neue Besitzer sich über die Qualität des Fahrzeuges freut, dann ist die Bereicherung vielleicht um so größer.

Somit bleibt also die Frage ob der von Marx beschriebene Vorgang so die Regel in der heutigen Arbeitswelt ist (das vage ich zu bezweifeln) und ob es unbedingt negativ ist, wenn der Arbeiter ein Stück von sich mit in das Produkt gibt.

Ich für meinen Teil bin Stolz wenn ich sehe wie sich das Produkt an dem ich mitwirken durfte Menschen glücklich machen kann.
 
Euere Ansätze bzw. Versuche das Positive darzustellen sind auch schön und gut und per se ist dagegen nichts mehr zu sagen sobald man die kapitalistische Warenordnung für gut befunden hat oder aber daran teilnimmt.
Marx allerdings hätte gesagt, dass ihr bereits das "falsche Bewußtsein" (nicht meine Formulierung) besitzt. Das klingt polemisch, aber es ist nicht polemisch gemeint. Das "falsche Bewußtsein" ist bei Marx eben das Bewußtsein der Menschen, die bereitwillig in entfremdeter Arbeit einwilligen und dabei nachwievor denken gut davonzukommen...und dem schließen sich auch andere Denk- und Beurteilungsweisen an, die sämtlich durch den Charakter entfremdeter Arbeit determiniert sind. Aber das würde jetzt wirklich zu weit führen und außerdem auch wohl meine Fähigkeiten übersteigen das stringent darzulegen :D.

Fazit nochmal: Der Verkauf der Arbeitskraft per Vertrag legt bereits die Weichen für die entfremdete Arbeit. Entsprechend bringts dann auch nichts auf "positive" Seiten hinzuweisen, denn dann kommt Marx und sagt (paraphrasiert): "Joa kein Wunder dass ihr das positiv findet, liegt ja auch in der Natur des falschen Bewußtseins."

Schaut euch sonst vielleicht bei Bedarf nochmal bei Wikipedia die entsprechenden Begriffsdefinitionen an (sofern ihr nicht die Zeit habt wirklich Marx zu lesen, was ja nicht jeder hat). Vielleicht ist es dort besser erklärt. Ich bin ja auch noch mitten im Studium. :)
 
th3o schrieb:
...Der Verkauf der Arbeitskraft per Vertrag legt bereits die Weichen für die entfremdete Arbeit. ...

Mal ganz plakativ gefragt, was wäre denn (auch nach Marx) eine Arbeit die nicht entfremdet? Gibt es evtl konkrete Beispiele?
Und falls es so eine Arbeit gibt, wäre diese Arbeit dazu geeignet sich selbst die notwendigen Ressourcen zu erwirtschaften um zu leben/überleben?
 
Nun zu beurteilen was Marx heute gesagt hätte, halte ich ehrlich gesagt für Vermessen.
Ich sage zur meiner Person, dass ich das heutige System akzeptiere, weil es das einzige mir bekannte System ist, welches funktioniert und dem Menschen die nötige Freiheit zusichert seines eigenen Glückes Schmied zu sein.

Auch der Marx'sche Ansatz lieferte nicht den großen Sprung und zeigte im Grunde keine Wege auf die uns aus dem angebohrenen Dilemma herausführen. Das Dilemma ist hier nun einmal, dass der Mensch durch seine unabänderlichen und naturgebundenen Bedürfnisse gezwungen ist aktiv sein Überleben zu sichern.

Die Organisation dieses "Überlebenskampfes" in gesellschaftlicher Form und die Schaffung von Arbeitsteilung war im Grunde der einzig logische Schritt um unsere, ebenfalls natürlich begründeten, Potentiale effektiv zu nutzen. Ferner sicherten sie der Gesellschaft und damit jedem Einzelnen, das Überleben selbst in Zeiten in denen das einzelne Individuum nicht in der Lange war selbst für sich zu sorgen.

Aus dieser Sichtweise ergibt sich die schiere Notwendigkeit, dass wir Menschen uns in Gesellschaften organisieren und "den Kampf ums Überleben" in Form von Arbeitsteilung organisieren. Dass wir uns nun zu einer Gattung entwickelt haben die den Schritt hin zu einer "Konsumgesellschaft" (meint wir konsumieren mehr als wir zum bloßen Überleben brauchen) ist ein Schritt der unser aller Leben letztendlich besser gestaltet.

Die einzige Frage die sich für mich nun noch stellt ist die danach, ob das gegenwärtige System des Kapitalismus (besser der sozialen Marktwirtschaft) der richtige Weg ist um diese Gesellschaft zu organisieren. Hier schließt sich dann der Kreis zu oben gesagtem:
Es ist kein perfektes System, aber wir haben kein besseres. Ich bin niemand der sich ein neues Gesellschaftssystem aus den Fingern saugen kann, also muss ich mit dem Leben was wir haben so lange mir nichts besseres bekannt ist.

Jetzt drehe es wegen meiner so, als würde ich bereits ein "falsches Bewusstsein" besitzen... Für mich ist das ein freier Gedankengang und da Marx es nicht schaffte ein besseres System aufzuzeigen welches funktioniert ist seine Rede vom "falschen Bewusstein" auf gut Deutsch gesagt überhebliches Gebrabbel.
 
@adam
zu deinem letzten satz:
dann ist es das eben für dich :)
allerdings würde ich versuchen zu bedenken zu welcher zeit marx diese gedanken verfasst hat. dann nämlich tut sich eine blutjunge ökonomie auf die sehr wohl gesellschaftlich zerstörerische tendenzen in sich hatte und wirklich einem blinden gesetz (nämlich dem gesetz des ungezügelten kapitals) unterlag. ob das heute noch so ist oder nicht ist eine vollkommen andere frage.
marx "falsches bewußtsein" vom heutigen standpunkt als überhebliches gebrabbel abzustempeln statt zu schauen was auch heute noch von marx aktuell sein könnte...das halte ich für viel überheblicher :)
aber seis drum!

@fumanchu
marx hat bewusst für das was er als nicht-entfremdete-arbeit bezeichnet nicht das wort "arbeit" benutzt.
eher zeichnet er einen notwendigen übergang aus dem reich der entfremdung in das reich der freiheit wo alle möglichkeiten des menschen durch die organisation der tätigkeiten frei entfaltet werden. das klingt sehr abstrakt und philosophisch. ist es auch. :D (eine komplette darlegung des kapitals würde diese abstraktheit sicherlich aufheben, aber dazu sehe ich mich leider (noch) nicht in der lage)
hier war marx aufs engste mit der dialektischen konzeption hegels verbunden. so sehr, dass er der meinung war, dass bei abschaffung des eigentums der produktionsmittel und der überführung dieser unter das diktat der arbeiterklasse, die zum "klassenbewußtsein" gekommene menschheit eben in das besagte reich der freiheit übergehen würde.
 
Zuletzt bearbeitet:
keshkau schrieb:
Mein zweiter Gedanke bezieht sich auf das erste Zitat von Marx.Ich teile die dort vertretenen Thesen nicht uneingeschränkt. "Das Produkt der Arbeit tritt der Arbeit als fremdes Wesen gegenüber", heißt es da sinngemäß. Jetzt stelle ich mir mal einen Schreiner vor, der einen Tisch oder ein Regal herstellt. Der Schreiner arbeitet gern mit Holz und macht daraus mit großem Geschick nützliche Gegenstände. Worin besteht die Fremdartigkeit, von der Marx schreibt und wo ist diese unabhängige Macht, die von einem Holztisch ausgehen soll?

Beim Thema "Enteignung" wird darauf abgestellt, dass das angefertigte Produkt in den Besitz bzw. das Eigentum eines anderen übergeht. Das würde eine Entfremdung begründen. Aber ist das nicht genau genommen der Normalfall? Auch der selbstständige Schreiner baut den Tisch nicht für sich selbst. Im Regelfall verkauft er ihn weiter, wodurch auch hier das Eigentum übergeht. Demnach könnte man nur dann nicht von Entfremdung sprechen, wenn wir allesamt Selbstversorger wären. Das sind wir aber nicht.
Genau um diesen Schreiner geht es nicht.

Das Problem geht auf die Arbeitsteilung zurück, die der Kapitalismus geschaffen hat und die durch immer weitere Technisierung weiter ausreift, und die Massenproduktion ermöglicht.
An dieser Stelle wird die Arbeit eines unqualifizierten Fabrikarbeiters thematisiert.

Der Schreiner, den du hier als Beispiel nennst, identifiziert sich noch mit dem Kleinbürgertum der feudalen Zeit.
Aber auch dieser Stand sollte nach Marx & Engels aufgrund des zu immensen Konkurrenzdrucks von Seiten der Groß-Kapitalisten ins Proletariat übergehen.
Kommunistisches Manifest schrieb:
Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehenden Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.

Adam_Smith schrieb:
Die Entfremdung durch die Arbeit ist ein "Kann" aber kein "Muss".
Sage dies einem Proletarier des 19. Jahrhunderts. Was bitte bleibt ihm anderes übrig als seine Arbeit dem Kapitalisten zu verkaufen?
 
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Ich habe jetzt nicht alle vorherigen Kommentare genau gelesen, möchte mich auch dazu äußern: Ein großes Problem ist das heutige Arbeitsklima bei uns oder anderswo in Europa. Es wird immer mehr und vor allem immer längere Arbeitszeit von jedem Einzelnen gefordert. Auch spielt die Angst, den Arbeitsplatz durch Rationalisierungsmaßnahmen zu verlieren, eine entscheidente Rolle. Ergebnis von all diesen Faktoren ist, das die Menschen gegeneinander ausgespielt werden, sprich Mobbing oder Denunziation. Das Betriebsklima heute unterscheidet sich vehement von dem vor 15 Jahren. Die aggressive Entwicklung und Preisdumpingmentalität auf den Märkten dieser Welt leisten einen entscheidenten Beitrag dazu, um z.B. die Fluktuation von Firmen und Konzernen zu begünstigen, und damit den hiesigen Arbeitsmarkt in bestimmten Bereichen schwer belastet. Ich bin der Meinung, das man sich auf Dauer als Werktätiger oder Kunde sich nicht länger den Machtmaschinerien der großen, milliardenschweren Konzerne unterwerfen sollte. Was bringt es mir, wenn ich eine Hose mit einem sogenannten Namen trage, deren Herstellung möglicherweise von Minderjährigen in der dritten Welt für einen Hungerlohn getätigt wurde, nur damit sie hier 20,-€ weniger kostet! So etwas erniedrigendes und menschenverachtentes ünterstütze ich auf keinen Fall. Der Kunde sollte ab und zu mal durch Verzicht den Großen zeigen, wer eigentlich das Zepter in der Hand hat!
 
Der Abteilungsleiter eines Profit-Centers in einem größeren Betrieb sieht sich womöglich selbst als Unternehmer im Unternehmen. Obwohl er seinem direkten Vorgesetzten untersteht und ihm gegenüber Rechenschaft abgibt, fühlt er sich weder bevormundet und ausgebeutet. Seine weit reichenden Entscheidungsbefugnisse tragen zu diesem Selbstverständnis bei.

Nun ist laut Marx auch dieser angestellte Abteilungsleiter in das arbeitsteilige System eingebunden, dem das Merkmal der Entfremdung von der Arbeit innewohnt.

An dieser Stelle frage ich mich, worauf es bei der Betrachtung ankommt. Marx macht es sich meiner Meinung nach leicht, wenn er behauptet, die Entfremdung sei systemimmanent. Denn dann gibt es für den Abteilungsleiter kein Entrinnen, weil das Kriterium der Arbeitsteilung genügt, um das Phänomen der Entfremdung zu begründen.

Aber reicht es aus, einen theoretischen Missstand wie den der Entfremdung von der Arbeit zu definieren, um dessen Abschaffung zu fordern? Kommt es nicht vielmehr darauf an, dass dieser Missstand von den Betroffenen auch als solcher wahrgenommen wird? Falls nämlich nicht, so würden die abhängig Beschäftigten keinen Grund sehen, an ihrer Situation etwas ändern zu wollen.

Dagegen könnte man einwenden, dass die Arbeiter (und Angestellten) in gewisser Weise blind sind und nicht über den Willen oder die Möglichkeit verfügen, ihre Entfremdung zu erkennen. Man müsse daher warten, bis sich die Lage zu ihren Ungunsten verschlechtert und sie die das entsprechende (Klassen-)Bewusstsein entwickelt haben.

Und ausgehend von der bisherigen historischen Entwicklung unterstellt Marx zusätzlich einen Automatismus in der Geschichte, der zwangsweise zur Abschaffung des Kapitalismus führen müsse und der vom Sozialismus und später vom Kommunismus abgelöst werde. Auch das ist wiederum nur eine Theorie/Utopie.

Aber was machen wir nun mit dem Abteilungsleiter, der nach Marx von seiner Arbeit entfremdet wird, obwohl er das gar nicht so empfindet? Genügt es tatsächlich, auf sein mangelndes Klassenbewusstsein zu verweisen und ihm zu unterstellen, er sei noch nicht so weit? Immerhin ist es der Abteilungsleiter selbst, der Tag für Tag seine Arbeit erledigt und der seinen Job besser kennt als jeder andere. Er ist es, der nach Feierabend in sich hinein hört und am besten weiß, ob ihm seine Arbeit gut bekommt oder nicht. Aller Voraussicht nach kann er das für sich selbst besser einschätzen als Marx es jemals könnte.

Dennoch tritt Karl Marx auf den Plan, um dem Abteilungsleiter einreden, er werde von seiner Arbeit entfremdet. Er redet ihm ein Problem ein, dass dieser Mann gar nicht hat. Entscheidend ist nämlich nach meiner Auffassung, ob sich der Abteilungsleiter ausgebeutet oder entfremdet fühlt und weniger, ob Marx das von ihm glaubt.

Der Hinweis auf den zwangsläufigen Zusammenbruch des Kapitalismus, den man lediglich noch abwarten müsse, halte ich an dieser Stelle für ein sehr schwaches Argument. Denn als Ursache für den prognostizierten Zusammenbruch wird nicht zuletzt das Problem der Entfremdung von der Arbeit genannt. Allerdings ist die Entfremdung zunächst einmal nichts weiter als ein theoretisches Konstrukt ohne Durchschlagskraft. Wenn die arbeitende Bevölkerung sich nicht als entfremdet betrachtet, fehlt ihr eines der entscheidenden Argumente, um den Kapitalismus abschaffen zu wollen.

In den Augen vieler Menschen funktioniert der Kapitalismus ganz gut. Skeptiker würden sagen: „noch“ ganz gut. Aber das Wort „noch“ impliziert lediglich die Erwartung einer anderen Ordnung, deren Eintritt völlig ungewiss ist. Schließlich war auch Marx kein Hellseher.

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Noch kurz zu der Fragen von th30, warum denn die Wirtschaft immer weiter wachsen soll. Der Wunsch nach Wachstum begründet weniger die Eigenständigkeit des ökonomischen Systems. Vielmehr wissen wir, dass der technische Fortschritt nicht aufzuhalten ist. Und der kostet Jahr für Jahr Arbeitsplätze. Wenn die Wirtschaft wächst, entstehen tendenziell neue Jobs. Außerdem führt eine Steigerung der Wirtschaftskraft dazu, dass es mehr zu verteilen gibt. In den 60er-Jahren ging es in den Tarifverhandlungen stets darum, wie der Zuwachs verteilt wird. An den Beistzständen wurde kaum gerüttelt. In Zeiten der Stagnation oder in einer Depression sieht die Sache anders aus. Dann geht ein Zuwachs auf einer Seite einher mit Abstrichen bei der anderen Seite.

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@Sentenza
Das ist die Frage, ob das Beispiel des Schreiners nicht gilt. Denn der Schreiner ist in der Praxis auch dann von der Arbeitsteilung betroffen, wenn er den gesamten Tisch in Eigenregie produziert. Wenn man die heute gültigen Realitäten berücksichtigt, dann ist es mit der reinen Produktion im engeren Sinne längst nicht getan: Die Materialien müssen eingekauft werden, der Absatz ist zu organisieren und auch in der Verwaltung fallen Aufgaben an. Hinzu kommen die Buchhaltungspflichten. Mit Ausnahme von Ein-Mann-Betrieben, die kaum noch anzutreffen sind, ist irgendeine Form der Arbeitsteilung stets allgegenwärtig.
 
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