Interlink schrieb:
Das "zügiges Beschleunigen - Märchen" mal wieder. Gegen alle physikalische Grundlagen, die auch für Verbrennungsmotoren gelten.
Das Fahrprogramm der meisten Pkw enthält nur eine Minderheit von Autobahnkilometern, die mit Geschwindigkeiten oberhalb von 130km/h zurückgelegt werden. In der Stadt, in der Rush-Hour usw. wird üblicherweise nur ein kleiner Teil der Motorleistung abgerufen. Dort sorgt eine Übermotorisierung für unnötig hohen Verbrauch.
Es ist überhaupt kein Voodoo notwendig, um einen kleinen Motor für Volllast standfest zu bauen, falls der Kunde das verlangt. Wenn auf der Autobahn vmax 130km/h ist, braucht man auch nicht ganz so viel Dampf unter der Haube für die Beschleunigungsspur.
Eigentlich ein Luxusproblem.
Wieso ist das ein Märchen?
Zugegeben, ich bin kein Experte auf dem Gebiet des Motor- und Getriebebaus, aber findest du es nicht verwunderlich, dass es weltweit quasi kein Auto gibt, dessen Motor-Getriebe-Kombination auf Vmax 130 und gute Beschleunigung im Stadtverkehr optimiert ist?
Vmax ist ein Nebenprodukt von Leistung, so sieht das aus. Ob man sie nutzt, ist eine andere Sache, aber ein Auto auf 130 km/h zu drosseln heißt nicht, dass es in anderen Bereichen effizienter ist. Bestes Beispiel sind doch die modernen 7- und 8-Gang-Getriebe. Hier müsste es doch problemlos möglich sein, den Verbrauch innerorts drastisch zu senken. Trotzdem ist dies nicht der Fall, nicht einmal die stufenlosen Getriebe schaffen das in dem Maß, wie man es sich wünschen würde.
Also ich kaufe mir ein Auto mit etwas mehr PS in erster Linie, um im Geschwindigkeitsbereich von 0-130 stressfrei vorwärts zu kommen. Ein Auto, dass mir
für meine Bedürfnisse (und wenn ich mir die Nachfrage nach Autos mit "ordentlich Dampf" ansehe, geht es wohl nicht nur mir so - und das lässt sich mit Blick auf das Ausland ja mit nichten nur auf den Spass am Schnellfahren zurückführen) ausreichende Beschleunigungswerte bietet, hat nun mal als Nebenprodukt (je nach Gewicht) eine Höchstgeschwindigkeit von 180-220 km/h.
Wer natürlich nur auf die 0-100-Werte guckt und mich fragt, wozu ich im Stadtverkehr innerhalb von 3 Sekunden auf zHg beschleunigt haben muss, bietet einen denkbar schlechten Diskussionseinstieg. Es geht bei diesen Werten (genau wie bei der Elastizität) nie um alltägliche Fahrsituationen, sondern allenfalls um Ausnahmen. Aber diese Werte lassen Rückschlüsse auf den normalen Fahrbetrieb zu.
Im normalen Fahrbetrieb möchte ich ja aus diversen Gründen (unter anderem auch wegen des hohen Verbrauchs) nicht allzu oft in dem Bereich fahren, wo der Motor 100% seiner Leistung abgibt. Deshalb sind halt auch mal 150 PS nötig, wenn man im "normalen" Drehzahlband zügig voran kommen möchte.
Wäre es dir persönlich lieber, wenn wir alle 50 PS Kleinwagen fahren, die auf dem Papier zwar nur 4l/100 km verbrauchen, in der Realität aber bis zum Drehzahlbegrenzer gejagt werden, weil die Leute sich einfach nicht mit dem normalen Drehzahlbereich zufrieden geben? Ein LKW kommt auch von A nach B, trotzdem käme niemand auf die Idee, dessen Beschleunigungswerte als völlig ausreichend zu bezeichnen und dementsprechend 13 PS Autos für jeden zu fordern.
Ich halte die Logik "Tempolimit = weniger Vmax nötig = weniger PS nötig= weniger Verbrauch" daher für etwas starrköpfig. Deshalb kann ich Hypothesen zur CO²-Einsparung, die sich wegen solcher Effekte gerne im zweistelligen Prozentbereich aufhalten (weil ein deutsches Tempolimit ja den weltweiten Automobilbau revolutioniert und plötzlich alle - glaubt man den Verschwörungstheoretikern - umweltfreundlichen Konzepte, die es längst gibt, aus den Schubladen geholt werden) auch nur belächeln - nice try, mehr nicht.
Es ist ja nicht so, dass man bis 130 km/h keine Leistung braucht, zwar mag das rein rechnerisch hinhauen, aber dabei vergisst man dass man es hier immer noch mit Menschen zu tun hat, die sich eben nicht mit 0-100 in 20 Sekunden und entsprechend trägen Motoren in Alltagssituationen abfinden möchten.
Zu den Sicherheitsausstattungen: Fahrzeuge werden schon heute auf Unfälle deutlich unter 100 km/h ausgelegt (also weiche Knautschzone, die bei hohem Tempo entsprechend schneller aufgebraucht ist, aber bei den häufigsten Unfallgeschwindigkeiten dafür "sanft" sind), was an Bremsen und Fahrwerken, die auch bei 200 noch eine gute Figur machen, nun schlecht sein soll, will sich mir nicht ganz erschließen. Diese Bauteile leisten bei 130, 70 und 30 erst recht gute Dienste!
Letztendlich führen doch erst die Extrembereiche des Automobilbaus (Rennsport, aber auch hoch motorisierte Serienfahrzeuge) zu wichtigen Innovationen, die in abgewandelter Form auch die Sicherheit und den Komfort in den normalen Fahrzeugklassen erhöhen und i.d.R. auch zu Verbrauchssenkungen beitragen. Ein Kleinwagenhersteller ist weniger an effizienten Motoren interessiert (weil er längst alle drohenden CO²-Grenzwerte unterbietet), als ein Sportwagenhersteller. Das ist wohl auch der Grund, wieso die besten Innovationen eher aus dem Premium-Segment kommen.
Interlink schrieb:
Wieso ist es Rechtsverdrehung, wenn ich anmerke, dass sich mit einer eindeutigen Grenze für den Normalverbraucher klarere Rechtsverhältnisse ergeben als mit der derzeitigen "Richtgeschwindigkeit"?
Dann habe ich dich wohl falsch verstanden, als du sagtest "Übrigens auch an die "Schnellfahrer", d.h. sie dürfen nicht mehr damit rechnen, dass sie bei Überschreiten der 130km/h dann im Falle eines Unfalles häufig genug lediglich eine Teilschuld bekommen."
Was soll denn "lediglich eine Teilschuld" heißen? Das klang mir schon sehr nach "eigentlich ist ja der Schnellfahrer
Unfallverursacher". Ist er nämlich nicht, wenn der andere unaufmerksam die Spur wechselt und dadurch einen Unfall verursacht. Dass er im Rahmen der Gefährdungshaftung möglicherweise einen Teil des Schadens tragen muss, führt ja nicht dazu, dass die Gesetzeslage bezüglich des
Vorrangs (*g*) sich verändert hat. Und da wir bei einer Überschreitung der Richtgeschwindigkeit nicht von einem Verkehrsverstosses reden (anders wäre es bei einem Unfall, wo jemand schneller als erlaubt gefahren ist), kann es nie auf eine Schuld im klassischen Sinne hinauslaufen.
Macht in der Praxis vielleicht keinen Unterscheid, sollte aber im Sinne einer fairen Diskussion (im Sinne von "ja wer ist denn eigentlich
schuld wenn ein Schnellfahrer in einem unaufmerksamen Spurwechsel reindonnert?") schon differenziert werden. Denn sonst heißt es schnell "Legale (= kein Tempolimit) Schnellfahrer sind sowieso immer schuld, wenn was passiert", was dann zu der falschen Schlussfolgerung "Rückspiegel brauch ich nicht, wenn ich schon 130 fahre, wenn links jemand ist, hat der eh schuld" verleitet.
Und das ist der Punkt, wo ich in dieser Diskussion am verzweifeln bin.
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