Tomislav2007 schrieb:
Hallo
Ist die Zielsetzung des Systems falsch oder setzen die Verbraucher die falschen Prioritäten ? Filme sieht man freiwillig, niemand wird gezwungen Filme zu sehen.
Du beschwerst dich über das System und das ist falsch, die Verbraucher die den (falschen) Unternehmen das Geld blind hinterher werfen sind das Problem.
Die Aussage, dass Filmkonsum 100% freiwillig ist, möchte ich in Frage stellen, vielleicht verstehst du meine Argumentation: Wir leben in einer Gesellschaft, die Leistung beansprucht. Um Leistung bringen zu können, haben Menschen das Bedürfnis nach Erholung, sozialen Kontakten/sozialem Austausch, kultureller Teilhabe und Freizeitgestaltung. Filmkonsum trägt somit zur Leistungserbringung/Leistungssteigerung bei.
Du hast in dem Punkt recht, dass auch der Verbraucher an dieser Entwicklung beteiligt ist. Aber hat er denn eine Wahl? Wenn der ganze Kollegenkreis über die neue Serie spricht, ist man quasi zum Konsum gezwungen. Sozialer Zusammenhalt ERFORDERT Gemeinsamkeiten. Ob man da als Einzelner gegenüber einer Gruppendynamik viel bewirken kann, bezweifle ich stark. Sehr ausgeprägt ist dieser Gruppenzwang bei Jugendlichen. Das kann zu Mobbing, Ausgrenzung und sozialer Isolation führen. Es gab schon Suizidfälle...
Hinzu kommt ein asymmetrisches Kräfteverhältnis: Unternehmen beeinflussen Kunden mit Werbung und gekauften Studien, Unternehmen verfügen über die Macht der Preisgestaltung, Oligopolbildung und Profitmaximierung, Medienverlage sind ebenfalls profitorientierte Unternehmen. Warum glaubst du, haben Medienverlage gegen den Mindestlohn gewettert? Aus hohem Eigeninteresse, denn Zeitungsausträger haben damals weniger als Mindestlohn verdient. Der Konsument steht im Vergleich nahezu mittellos da. Er kann nur Verzicht üben, was aus o.g. Gründen mitunter sehr schwierig ist und nicht im Sinne einer Leistungsgesellschaft sein kann, oder auf ein gleich teures Konkurrenzprodukt ausweichen, da hat er aber nichts gewonnen.
Tomislav2007 schrieb:
Deine Probleme mit Aktien/Spekulationen/Derivaten teile ich nicht, du kannst auch daran teilnehmen, du mußt nur mitmachen.
Aktien/Spekulationen/Derivate bringen nicht nur hohen Gewinn, es sind auch hohe Verluste möglich und dieses Risiko scheuen viele.
Du hast damit prinzipiell recht, mir geht es dabei aber um die gesellschaftlichen Gefahren. Es gab in den USA einen Fall vor einigen Jahren, da musste die FED und die gesamte Bankenlandschaft einspringen, da Derivatgeschäfte dermaßen hohe Summen angehäuft hatten, dass das gesamte Finanzsystem bedroht war. Diese Summen übertrafen die Leistungsfähigkeit der Realwirtschaft bei weitem.
Eine zwar anders gelagerte, aber ähnlich gefährliche Situation hatten wir später bei der Lehman-Krise. Die haben sich kurzerhand für systemrelevant erklären können.
Wer hat damals dieses Risiko tragen müssen? Staaten, also wir Bürger. Ich wäre ganz bei dir, wenn Spekulanten das Risiko tatsächlich selbst tragen müssten. Tun sie aber nicht. Profite werden privatisiert, Kosten sozialisiert. Mit Galeria Kaufhof das selbe, der Staat hat schon Millionen in diesen Pleiteladen gepumpt, der ein völlig überholtes, nicht mehr wettbewerbsfähiges Konzept hat.
Tomislav2007 schrieb:
Selbstverständlich ist Geld das Ziel, was soll es sonst sein ? Dafür gehe ich arbeiten, damit es mir besser geht, auch später als Rentner.
Du gehst dafür arbeiten, dass dein Arbeitgeber den Mehrwert DEINER Arbeit für sich beansprucht, und dir möglichst wenig ausbezahlt. Vice versa, wenn du selbst Unternehmer bist. Natürlich könnten wir alle Unternehmer werden, aber wer bezahlt dann den ganzen Profit?
Tomislav2007 schrieb:
Ich gebe dir in einigen Punkten recht, ich finde aber du suchst den Schuldigen zu einseitig an der falschen Stelle.
Du stellst den Bürger als Unmündigen dar der überrumpelt wird, ich finde der Bürger sollte mehr Eigenverantwortung übernehmen.
Prinzipiell richtig, aber: Wer 8-10h am Tag arbeitet, Kinder erziehen und Haushalt führen muss, hat kaum Zeit, das nötige Wissen für ein eigenverantwortliches Handeln zu erwerben. Es muss auch Raum für Erholung und Freizeitgestaltung bleiben, der Tag hat aber nur 24 Stunden! Ich sehe das überall in meinem Umfeld, die Menschen sind ziemlich am Anschlag, Allgemeinbildung ist besonders in der Arbeiterklasse kaum vorhanden, was auch am Bildungssystem liegt, das die Ansprüche jährlich weiter herunter schraubt. Heutige Abiturienten würden an einer Realschulprüfung der 70er Jahre größtenteils scheitern!
Wir haben aktuell 8-9% Inflation, horrend gestiegene Energiekosten und Mietpreise, die durch die Decke gehen. In den meisten Familien sind beide Ehepartner gezwungen, Vollzeit zu arbeiten.
Also, wie stellst du dir das mit der Eigenverantwortung vor?