Also ich habe mir nun die Mühe gemacht und mir die Webseite von dem Verein angesehen. Was man nicht alles macht wenn man in einem Video Call auf den Call-Partner warten muss
Skidrow schrieb:
Dieser (grobe) Entwurf sieht vor, dass zunächst die durchschnittliche Arbeitszeit um rund die Hälfte reduziert wird (damit ist auch das weiter oben genannte Problem der Arbeitslosigkeit quasi vom Tisch).
Davon halte ich nichts. Erst muss man definieren unter welchen Voraussetzungen man das machen will. Wenn man es bei gleichem Lohn macht, werden Produkte unermessslich teuer - weil man doppelt so viel Personal braucht um sie herzustellen oder die Dienstleistung anzubieten.
Wenn man den Lohn halbiert, leben die Menschen die jetzt schon sehr wenig haben -> nachher in der absoluten Hölle.
Ich mach hier kurz ein Beispiel (ist Schweiz bezogen, da ich hier die Zahlen besser kenne):
Nehmen wir an eine Verkäuferin im Supermarkt arbeitet heute 42h die Woche und verdient dabei Brutto: 4'300 CHF (das ist der Tariflohn mit Ausbildung).
Das Rechnen wird einfacher wenn wir alles in Netto rechnen -> je nach Alter der Person gibt es da diverse Abzüge der Nettolohn wird irgendwie zwischen 3'800 und 4'000 liegen.
Nehmen wir 3'900 dann sind wir in der Mitte.
Wenn die Person jetzt nur noch die Hälfte verdient hat sie ein monatliches Einkommen von 1'950 CHF
Nun rechnen wir mal Ausgaben:
_Krankenkasse monatlich 300-400 CHF (nur Grundversicherung keine Zusätze)
_Miete: 2--Zimmer Wohnung (auf dem Land nicht in der Stadt): 1'200 CHF
_Mobilitätskosten (nehmen wir ein ÖV-Abo) um zur Arbeit und wieder zurück zu kommen: 250 CHF
_Telefon, Internet, TV: 100CHF
Was hier noch nicht drin sind sind die Steuern. Und alle variablen Kosten wie Lebensmittel, Kleider, etc übrig bleiben aber nur noch 100 CHF mit dem man das alles bezahlen soll.
Natürlich kann man nun Argumentieren wenn alle nur noch halb so viel Arbeiten werden auch die Preise günstiger. Und das stimmt -> sie werden aber nicht halbiert sondern nur günstiger oder bleiben gleich - das stimmt aber nicht.
Als Beispiel Krankenkasse: Die Kasse, die Spitäler, die Ärzte, etc haben ja immer noch die genau gleich hohen Lohnkosten wie vorher. Nur das sie die neu bei zwei Personen und nicht bei einer Person auszahlen -> daher würde es hier nicht günstiger werden.
Als Beispiel Miete: Mietkosten haben ja nicht mit Arbeitskosten zu tun - schon jetzt nicht. Sondern sind abhängig von Lage, Grösse Ausbau -> daher auch da wird sich nichts ändern.
Was ich damit sagen will -> jemand der heute 12'000 im Monat verdient -> für den kann das eine Option sein, dass er nachher ein chilliges Leben führen kann. Dieses Chill-Leben für gutverdienende wird aber teuer auf dem Rücken der schlecht-verdienenden erkauft. Daher keine Gute Idee.
Skidrow schrieb:
Denn wenn Flugreisen seltener stattfinden, Fleisch essen, neue Smartphones und neue Autos seltener gekauft werden müssen, benötigt man auch weniger Geld.
Du sprichst hier von reinem "Konsumausgaben" -> aber wie oben erwähnt gibt es ja auch erst mal die Fixkosten die man bezahlen muss wenn man leben will. Und wenn es dann für die nicht mehr reicht haben wir ein Problem.
Skidrow schrieb:
Die dadurch frei gewordene Zeit steht dann zur Verfügung für Eigenproduktion (z.B. Nahrung, Handwerk, Erziehung) und Nutzungsdauerverlängerung, sprich Reparatur:
Ich denke die dadurch frei gewordenen Zeit nutzt die Verkäuferin aus obigem Beispiel dafür um in einem zweiten Job zu arbeiten. Dann arbeitet sie wieder so viel wie vorher -> kann sich aber ihr normales (nicht luxus Leben) wieder leisten.
Skidrow schrieb:
In Oldenburg entsteht gerade ein Kommunales Ressourcencenter mit einem integrierten Repair Café, quasi als Reallabor. Dort werden Lernorte geschaffen, Arbeitsstationen, Verleihstationen. Ich hab's mir selber noch nicht angeschaut, aber wenn ich das richtig verstanden habe, können Handwerksbetriebe dort Räume mieten und Instandhaltung- und Reparaturdienstleistungen anbieten.
Naja solche Dinge gibt es immer wieder und verschwinden in der Regel auch sehr schnell wieder. Ich hab mir mal versucht hinter die Finanzierung zu blicken.
Das ganze wird von einem Verein betrieben, dieser will Mitgliederbeiträge (keine Ahnung wie hoch die sind, diese Information sind öffentlich nicht sichtbar - oder ich habe sie nicht gefunden).
Offenbar sind sie nicht hoch genug -> da sie ja Antrag auf staatliche Subventionierung gestellt haben. Damit ist das Projekt für mich bereits wieder uninteressant => warum erklär ich dir weiter unten.
Skidrow schrieb:
Eine Güterwirtschaft, die nicht mehr auf Neuproduktion sondern auf Erhalt und auf Gemeinschaftsnutzung beruht, ist also keine Utopie. Zumal hier Unmengen an neuen Tätigkeiten (+ Arbeitsplätzen) entstehen können. Aus Konsumenten werden Prosumenten.
Es entstehen eben keine "brauchbaren" Arbeitsplätze.
Egal ob Gemeinde, Bundesland oder Gesamtdeutschland -> man braucht Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft -> alles andere kostet nur Geld.
Wenn ich als Gemeinde ein "Repair Café" mit Steuergelder subventioniere, und als Argumentation Arbeitsplätze nutze mache ich definitiv etwas falsch.
Wie soll das langfristig funktionieren? Eine Gemeinde braucht in erster Linie Netto-Steuerzahler -> Menschen die mehr Geld über Steuern zahlen als sie kosten. Staatliche Arbeitsplätze sind genau das Gegenteil davon.
Im Grunde zwingt man dadurch meine oben erwähnte fiktive Verkäuferin in prekäre Arbeit und höheren Steuern. Damit irgendwelche "Repai Cafe Träumer" ihren Traum mit Cappuchino trinken und Fahrradreparaturen leben können.
Ich sehe da keine soziale Gerechtigkeit - nicht mal ansatzweise.
Skidrow schrieb:
Aus Konsumenten werden Prosumenten.
Wir werden schon seit Jahrzehnten zunehmen Prosumenten. Auch ohne solche Repair Cafes.
Skidrow schrieb:
Die Zukunft des Einzelhandels in den Städten hängt ohnehin davon ab - wenn wir die Städte nicht veröden lassen wollen
Der erste Teil stimmt. Der zweite Teil nicht. Ich bin überzeugt davon, dass die Städte sich selber neu erfinden können und durchaus Attraktivität bieten können auch ohne Einzelhandel.
Skidrow schrieb:
Der nette Nebeneffekt: Man wird halbwegs unabhängig von globalen Lieferketten.
Nein wird man nicht. Auch für Reparaturen, etc braucht man Rohmaterial. Das Rohmaterial kommt in der Regel aus Afrikanischen, chinesischen oder sonstigen Ländern aber nicht aus Europa.
Skidrow schrieb:
Wie ist eurer Meinung dazu? Hört sich das gut an oder seid ihr abgeschreckt? Ich bitte um einigermaßen sachliche Beiträge.
Ich hoffe das war sachlich genug dargestellt, warum ich nicht denke dass das eine Wirtschaftsform der Zukunft sein kann.