Azira schrieb:
@ascer
Ich hatte durchaus Spaß am Studium, sonst wäre ich wohl froh, dass ich mit dem Wissen aus dem Studium wahrscheinlich nie wieder was anfangen werde.
Neben dem Studium habe ich durchaus einige relevante Sachen gemacht die ich vorzeigen kann. Steht auch im Eingangstext, "wenn ich nicht [...] hätte. " Nur darauf wollte ich garnicht weiter eingehen. Das ist ja nicht wirklich das Thema des Threads.
Meiner Meinung nach ist das durchaus auch das Thema, denn ein Teil deiner Antipathie der gegenwärtigen Situation kommt ja daher, dass deine Erwartungshaltung gegenüber dem Arbeitsmarkt falsch war. Dazu gehört auch, sich (rechtzeitig) zu spezialisieren oder anderweitig eine Nische zu suchen, auf die man sich vorbereitet. Hier im Thread gab es ja auch diverse Fragen, welche Bereiche dich grundlegend interessieren (oder wo du Fähigkeiten hast, auf denen du aufbauen könntest).
Azira schrieb:
Ich habe mich jetzt halt das erste mal so "richtig" mit Stellenanzeigen und Bewerbungen befasst und musste erschreckend feststellen, dass eigentlich kein Bedarf für echte "Informatiker" besteht. Was die meisten suchen, sind einfach nur gute Coder. Also Wissen das man sich wort wörtlich mit einem 24-Stunden Crashcurs aneignen kann.
Das stimmt so nicht. Wie in
jedem Bereich, so ist auch in der Informatik (gerade auch weil es eine Disziplin der Daten-/Wissensverarbeitung ist => komplex), ist die Verteilung annähernd Pyramidenartig: bei einfachen Tätigkeiten gibt es den größten Bedarf und von sehr spezialisierten Dingen den geringsten. Existieren tun die alle aber sehr wohl, in denen man auch das studiert haben muss, was später gefragt ist. Von Security, über Robotik, bis hin zu AI gibt es da sehr viele Felder, auf die das zutrifft.
Im Übrigen passt das auch (ungefähr zumindest) zu den potentiellen Kandidaten: die Masse sind ja keine guten Programmierer oder Robotik-Ingenieure, sondern eher durchschnittlich begabt und damit in einem klassischen SysAdmin- oder Coding-Job gut aufgehoben.
Am Ende des Tages brauchst du ja auch alles, vom einfachen Kabeltauscher bis zum Robotik-Ingenieur, damit "die Bude läuft".
Azira schrieb:
Was mir außerdem aufgefallen ist:
Die meisten Positionen die einen Master voraussetzen suchen eigentlich einen Elektrotechniker und keinen Informatiker. Und die Vergütung scheint tatsächlich auch nicht wirklich höher zu sein. Gerade im Embedded Bereich setzt jede zweite Stelle einen Master voraus, doch sind in der Branche die Gehaltsaussichten nicht so die prikelndsten. Hohes Einstiegsgehalt, aber nach oben scheint(?) da nicht all zu viel Luft zu sein.
Das liegt ja aber auch nur daran, dass du dann in technischen Feldern gesucht hast. Wenn du das z.B. im Security-/Kryptographie-Bereich machst, wirst du viel mehr Mathematiker finden. Im Robotik-Bereich Mechatroniker. Im KI-Bereich i.d.R. theoretische Informatiker. Ließe sich beliebig fortsetzen. Du verkennst da imho wie viele Spezialgebiete es tatsächlich gibt und das die alle diametral unterschiedliche Anforderungen haben.
apachy schrieb:
Informatik ist eine Wissenschaft. Eine (Fach)hochschule wird noch ein wenig näher an der Praxis sein aber ansonsten lernst du im Studium eben wissenschaftliches Arbeiten, Mathematik, Theorie etc.
Exakt.
apachy schrieb:
Das ist eben nicht per se die direkte Vorbereitung auf eine praktische Tätigkeit, wie Softwareentwicklung oder Systemintegration. Um es mal zu übertreiben, dass ist wie Chemie zu studieren um anschließend als Barkeeper zu arbeiten und das meine ich nicht mit irgendeiner Wertung ala eins wäre toll und schwer und das andere ein leichter simpler Job.
100%. Ich würde sogar noch weiter gehen: ein gutes Studium sollte gerade
nicht praktische Skills als primäres Ausbildungsziel haben, sondern das höchstens sekundär durch Aufgabenstellungen fördern. Das primäre Ziel sollte immer das theoretische Wissen und vor allem Problemlösungsstrategien sein.
Azira schrieb:
Wie gesagt, ein Großteil dessen war nicht eigenes Verschulden. Corona + Schwierigkeiten der Uni + schlicht keinen Prof. gefunden der ein Thema frei hatte. Ihr wollt gar nicht wissen wann ich meine Bachelorarbeit abgegeben habe... Ich hab immer noch keine Note bekommen. Im nächsten Monat ist dann exakt ein Jahr vergangen, seit ich mein Thema für die Bachelorarbeit habe und anfangen konnte.🤔
Deine persönliche Erfahrung will ich da jetzt nicht negieren, aber für mich hört sich das nicht nach selbstständigem Arbeiten an.
Wenn ein Projektpartner in der Wirtschaft nicht mitarbeitet (und das wirst du noch früh genug in der Realität erleben, wie häufig man mit Partnern oder Kunden zu kämpfen hat), dann kannst du dich auch nicht zurücklehnen und sagen: die andere Seite macht ja nichts. Nicht mein Verschulden.
Du könntest z.B. deine BA in der Industrie schreiben. Du könntest deine BA an einer anderen Uni schreiben. Wenn deine Uni so schlecht organisiert ist, könntest du die Uni wechseln. Du könntest auf zeitige Notenvergabe klagen (kenne die Fristen jetzt nicht aus dem Kopf, aber es gibt Fristen, die eingehalten werden müssen - wogegen man gesetzlich vorgehen kann, genauso wie z.B. auf unfaire Benotung o.Ä.).
Gleiches gilt für das Thema an sich. Die Masse der Studierenden lehnt sich zurückt und wartet auf vorbereitete Themen oder Themenfindung mit Betreuer oder oder. Viel leichter geht es (und zeugt auch von mehr Selbstständigkeit), wenn du dein Thema selber festlegst und einen fertigen Entwurf für ein Proposal samt Beispielen usw. einem Betreuer vorlegst, der dann höchstens noch Template und Unterschrift bereitstellen muss.
Azira schrieb:
Aber ich verstehe auch wirklich nicht, wieso sich Leute immer noch an der Regelstudienzeit orientieren. In der Praxis kenne ich niemanden der es in unter 4 Jahren geschafft hat. Ich mach mir wegen der Studiendauer da echt keine Gedanken. Ob ich falsch liege, wird sich dann zeigen, aber die Rückmeldungen die ich bis jetzt bekommen habe, waren durchweg positiv.
Siehe mein erster Post. Die unterschiedlichen Kategorien von Studierenden.
Ich sehe die Regelstudienzeit auch als
vollkommen irrelevant an. Relevant ist, was man gelernt hat und vorweisen kann (Projekte, Arbeitserfahrung, Veröffentlichungen, Forschungsarbeiten, ...).
Azira schrieb:
Aber es steht in keinem sinnvollen Verhältnis zu dem Zeitaufwand, den das Modul eingenommen hat.
Und Prolog oder Haskell werde ich zu 100% nie wieder in meinem Leben sehen 😅
Ich glaube, das ist eines der grundlegenden Probleme hier. Du konsumierst hier Wissen passiv (was dir eben im Kurs vorgesetzt wurde) und bist dann unzufrieden, wenn genau dieses Wissen dich später nicht weiterbringt.
Zum Einen solltest du
aktiv lernen und selbst entscheiden sowie steuern, was für dich relevante Bildung ist und zum Anderen nimmt eine Uni dir nicht die Eigenverantwortung ab, eine sinnvolle Spezialisierung oder Zusammenstellung von Wissen zu erarbeiten, die für deinen späteren Bildungserfolg und Werdegang relevant ist.
Deine Beiträge lesen sich sehr nach passivem Wissenskonsum und "
arbeiten studieren nach Vorschrift". Wenn das nicht täuscht, dann teile ich deine Einschätzung der ersten Seite dieses Threads, dass du in einer Ausbildung besser aufgehoben wärst. Lässt sich nun nicht mehr ändern, aber du kannst dann ja deinen zukünftigen Werdegang an
praktischen Themen orientieren
Azira schrieb:
Da wäre ein theoretischer Exkurs in funktionale Programmierung mit eins zwei begleitenden Beispielen in Haskell deutlich sinnvoller gewesen. Stattdessen haben wir in der Vorlesung die Haskell Syntax gelernt und mussten in den Übungen Minigames in Haskell programmieren.
Langweilige oder wenig zielführende Vorlesungen/Aufgaben gibt es immer wieder. Es liegt aber wirklich auch an einem selbst, davon etwas Sinnstiftendes mitzunehmen für später. Grundsätzlich ist Haskell super um in die funktionale Welt einzutauchen und seine eigenen Lösungsstrategien um funktionale Paradigmen zu erweitern.
Cokocool schrieb:
Du hast schon richtig erkannt, dass die meisten Absolventen am Ende als 0815-Coder arbeiten, aber das ist doch bereit seit langer Zeit so.
Jup. Siehe weiter oben in diesem Post von mir.
Cokocool schrieb:
Es gibt aber auch noch andere Jobs. Ich arbeite in einem Forschungsteam in einem US-Konzern. Unsere Projekte benutzen alle AI/ML und Computer vision. Für all diese Sachen braucht man den theoretischen Hintergrund aus einem Informatikstudium mit den entsprechenden Spezialisierungen.
(Ich selber arbeite im angewandten Teils des Teams und bringe die Projekte in der Cloud zum laufen. Mir fehlt also auch das Wissen für ML/AI/Computer vision)
Exakt. Und da sieht man auch direkt das Zusammenspiel von praktischen und theoretischen Tasks und entsprechendem Personal.
R3jector schrieb:
Hast Du denn während des Studiums irgendwelche Interessen entwickelt? Was würdest Du gerne machen, wenn man die freie Wahl lassen würde?
Also z.B etwas Richtung Linux oder Cloud, ein Informatik Studium besteht ja nicht nur aus Programmieren, B-Bäumen und Mathe.
Ich denke auch, dass das hier eine der zielführendsten und wichtigsten Fragestellungen ist. Zusammen damit, wie viel Selbstständigkeit und Interesse an Theorie tatsächlich besteht oder ob eine viel praktischere Ausrichtung nicht doch besser wäre.