@foo_1337
https://www.tagesspiegel.de/politik/die-soziale-spaltung-der-stadte-nimmt-zu-5523103.html
In etwa 80 Prozent dieser Kommunen hat die räumliche Ballung von Menschen, die von Sozialleistungen wie Hartz IV lebten, zugenommen: am stärksten dort, wo viele Familien mit kleinen Kindern und viele arme Menschen leben.
Es findet eine Ballung statt ... gleich und gleich gesellt sich eben recht gern.
Es gab immer mal wieder Versuche, der sozialen Segregation in deutschen Städten entgegenzuwirken ... meist scheiterten diese Versuche am freien Wohnungsmarkt. Man kann den Leuten, die sich das leisten können, eben auch nicht verbieten, in eine "bessere" Wohngegend umzuziehen ... und manche stören sich eben daran, wenn ihre Kinder auf dem selben Spielplatz spielen, wie die vom Dauerhartzer aus dem 10. Stock des benachbarten Plattenbaus.
Mensch neigt scheinbar zur Ghettobildung - sogar relativ unabhängig vom Einkommen.
In meiner Heimatstadt gab es ebenfalls einen solchen Versuch ... auch in den EFHs und Doppelhäusern zwischen den Plattenbauten mit Sozialwohnungen leben mittlerweile eher ärmere Menschen (natürlich keine Hartzer, die können sich das nicht leisten) ... seit gut 30 Jahren ist dort nicht mehr wirklich investiert worden ... und das sieht man.
Wer sich was besseres leisten kann, der zieht da nicht freiwillig hin.
Auffällig ist in den Zahlen der Untersuchung auch, dass vor allem junge Familien mit Kindern und alte Menschen immer seltener Nachbarn sind. Junge Leute zwischen 15 und 29 Jahren leben zunehmend in bestimmten Wohnvierteln, in anderen wiederum Ältere ab 65 Jahren. „Diese Entwicklung kann sich negativ auf die Lebenschancen armer Kinder auswirken“, sagt Stefanie Jähnen, Promotionsstipendiatin am WZB. In der Forschung sei klar, „dass die Nachbarschaft auch den Bildungserfolg beeinflusst“.
(Hervorhebung von mir).
Die Nachbarschaft beeinflusst den Bildungserfolg ... auch mitten in Deutschland.
Segregation gilt in der Soziologie und in der Stadtplanung als ein Indiz für eine mögliche Polarisierung der Gesellschaft. Durch die zunehmende Trennung gesellschaftlicher Gruppen nehmen betroffene Menschen andere Lebensverhältnisse als die eigenen immer weniger wahr – wodurch das Risiko wächst,
dass sich Teil- und Parallelgesellschaften entwickeln.
Wer "Reiche" nur aus dem Fernsehen kennt ... bzw. im direkten Bekanntenkreis eben nur "Arme" hat, der wird sich nicht unbedingt daran orientieren, wie viel Geld ein zukünftiger Beruf einbringen wird ... der will zunächst mal ein gesichertes Einkommen, weil er nämlich genau das in seinem Umfeld nicht als Selbstverständlichkeit erlebt.
Ganz unten im Artikel findet ihr den Link zum Forschungsbericht.
Um das ganze abzurunden hier noch ein Artikel zu "sozialräumlicher Segregation" und "Bildungsungleichheit" ... sinnvollerweise am Beispiel der Grundschule (die ehemals als "Schule für alle" gegründet wurde ... spätestens seit den Ergebnissen von PISA und IGLU ist fraglich, inwiefern dieses Versprechen eingelöst werden konnte).
https://link.springer.com/article/10.1007/s42278-020-00080-w
Wo du lebst, bzw. wo deine Eltern leben, hat einen profunden EInfluss darauf, welche Schule du besuchst, welche Vorbilder du erlebst, was dir von deinem Umfeld als "wichtig" vermittelt wird. Und natürlich können dir Eltern mit einem höheren Schulabschluss auch besser dabei helfen, selbst so einen zu erlangen (in der Pädagogik spricht man von unterschiedlichen Anregungsleveln im sozialen Umfeld ... auch das korrelliert mit dem Haushaltseinkommen).
Viele Kinder bräuchten Nachhilfe ... aber nicht alle Eltern können sich das auch leisten.
Viele Kinder bräuchten Hilfe bei Hausaufgaben ... schwer machbar, wenn alle im Umfeld mehrere Jobs haben müssen, um über die Runden zu kommen.
Du liegst also falsch mit deiner Einschätzung ... Deutschland beansprucht sogar einen der Plätze in den globalen Top-Ten, wenn es um soziale Segregation im Bildungssystem geht. Unser Bildungssystem reagiert nicht nur auf soziale Ungleichheit ... durch die Art, wie es darauf reagiert, zementiert und verstärkt es diese Ungleichheiten sogar.
Es geht dabei ja nicht darum, dass die Individuen je nach Wohngegend garkeinen Zugang zu Bildung haben ... solche Situationen trifft man tatsächlich in Deutschland nicht an.
Es geht alleredings auch nicht darum, ob jemand Zugang hat, oder nicht (bringe jemandem bei, bis 10 zu zählen, und er hatte Zugang zu "Bildung") ... es geht darum,
innerhalb eines Systems mit allgemeiner Schulpflicht allen Schülern Chancengleichheit zu ermöglichen.
Wer sich als wohlhabendes Land mit Drittweltländern vergleichen muss, um "gut" dazustehen, der stellt sich damit selbst ein Armutszeugnis aus.