Hallo zusammen,
wollte mal einen Erfahrungsbericht über ein ähnliches System beisteuern, das in einem Haus mit mehreren Mietparteien letztes Jahr installiert worden ist.
Vermieter gab ungefragt sämtliche Telefonnummern und Namen der Mieter an Hersteller der "smarten" Türklingel weiter. Die mussten schließlich in das Gerät eingespeichert werden. Besucher müssen durch ein Menü scrollen bis der richtige Name erscheint, dann den Klingelknopf drücken (bis zu 5 Tastendrücke + bei Bedarf vorher persönliche Einweisung, statt ein Knopf neben Namensschild).
Die Anlage ruft dann über Mobilfunk den Mieter an, zuerst Festnetz, dann seine Handynummern. Auf dem Telefon drückt man dann 3 (!) Tasten, um der Tür über Mobilfunk das Signal zum Öffnen zu geben (hausinterne Verkabelung gibt es nicht mehr).
In der Praxis sind die Signallaufzeiten oftmals dermaßen lang, dass ich aus dem 3. Stock mittlerweile lieber zur Haustür im EG sprinte, um meine Postsendungen nicht zu verpassen. Andere Mieter haben die gleiche Erfahrung gemacht. Die Geduld von Lieferdienste ist schließlich begrenzt, wenn scheinbar keiner öffnet. "Smart" wie ich bin, rufe ich dem Postboten einfach schonmal vom Fenster zu, dass ich anwesend bin.
Wenn man den Besuch (oder Postboten) schon am Fenster gesehen hat, kann man auch nicht einfach im Voraus das Signal auf Reisen schicken. Es muss ja immer erst geklingelt werden, dachten sich die lieben Entwickler. Funfact: Wenn man den Besuch nicht erwartet hat und zufällig gerade am Telefon spricht, dann klingelt es eben gar nicht.
Die Smart-Klingel lässt einen tagsüber, während man außer Haus ist, auch immer wissen, dass gerade ein Päckchen NICHT ausgeliefert werden konnte. Für diese wichtige Info bin ich stets sehr dankbar. Zwar hätte man die Tür vielleicht noch rechtzeitig aus der Ferne öffnen können (nachdem das Festnetz schon 2 Minuten vergebens geklingelt hat), aber wer sollte dann eigentlich die Lieferung unterschreiben?
Unsere jüngeren Nachbarn haben überhaupt keinen Festnetzanschluss mehr, nur jeder ein Handy. Ist dann ein Glücksspiel, ob die smarte Türklingel die richtige Nummer zuerst anruft. Richtig wäre natürlich die Nummer von dem Handy, der gerade zuhause ist. Aber woher sollte die Klingel das wissen? Also bekommt vielleicht der andere im Auto noch die "Chance" aufs Auge gedrückt zeitnah zu reagieren, während der Partner am Fenster steht und die Haustür nicht öffnen kann. Außer natürlich er/sie rennt flink die Treppen runter. Man sollte es daher vielleicht auch noch als Fitness-Klingel bewerben, richtig innovativ, richtig nice.
Richtig nice fand es die ältere Dame des Hauses sicherlich auch, als ihr Telefonanschluss Probleme machte. Techniker kommt, Techniker klingelt, keiner macht auf (weil's ja nicht klingelt), Techniker fährt wieder und schreibt 60 Euro auf... Aber die alte Dame war "smart" genug, um eine Notiz aus Papier am Eingang zu befestigen und die Haustür schon im Voraus manuell zu öffnen und zu verkeilen.
Immerhin kann sich jeder noch eine weitere Äpp auf sein Smartphone streichen und dann sogar auf die verbaute Knopfkamera zugreifen. Ist natürlich alles abgesichert, hat der Hersteller gesagt. Also kein Problem an dieser Stelle. Die Fernwartungsschnittstelle ist ebenfalls bestens geschützt, hat der Hersteller gesagt. Der Hersteller sagt übrigens auch, dass seine smarte Klingel schon aus dem Grund absolut sicher ist, weil man über das Internet nicht darauf zugreifen könne. Ich frage mich daher noch immer, wie die neuen Mieternamen und Nummern von dem Webformular beim Vermieter auf die Klingel gelangen könnten, von "Funktionsupdates" des Herstellers ganz zu schweigen. Muss dann wohl Richtfunk vom Windows-PC direkt zur Klingelanlage sein, oder SMS 4.0. Jedenfalls alles in bester Ordnung, wurde gesagt. Im Jahresbericht hat das BSI zwar ehr ganz andere Töne angeschlagen, was IoT-Geräte betrifft, aber was wissen die schon von IT. Ich traue da lieber dem Hersteller, Unternehmensberatern und meinem persönlichen Horoskop.
Wirklich das einzige was mich an der neuen smarten Klingel ein klein wenig gestört hat ist, dass Vodafone jetzt immer weiß, welcher Mieter wann und wie oft Besuch bekommt und ob dann auch die Haustür geöffnet wird und von wo aus. Aber ein Problem mit den Metadaten gibt es sicher nicht, hat der Hersteller gesagt. Immerhin könne man die Tür ja von überall öffnen, also bitte wo ist das Problem? Hat der Hersteller ernsthaft gesagt bzw. geschrieben!!!
Wer bis hierhin gelesen hat, der darf sich jetzt auf ein besonderes Bonbon freuen. In der smarten Türklingel ist eine französische SIM-Karte von Vodafone verbaut (Landeskennung 0033). Damit wird jeder Klingelvorgang, sowie alle Audio- und Videoübertragungen als Auslandskommunikation eingestuft und darf komplett vom BND mitgeschnitten werden. Aber da ich nichts zu verbergen habe, wird das bestimmt niemals passieren.
Grundrechte sei eh nur was für versnobte Landbesitzer, wurde mir gesagt.
Außerdem interessiert das doch bestimmt niemanden. Und ohnehin kann das doch keiner alles anhören, ist ja viel zu viel. Und mal ehrlich, wie viele Aktenorder das alles füllen würde, völlig illusorisch.... Moment mal, 2013... da war doch was? NSA-Untersuchungsausschuss.... Dafis... G10-Filter.... Operation Eikonal... Operation Monkeyshoulder... Egal,Schnee von gestern. Problem erkannt, Problem gebannt, wurde mir gesagt.
Als britisches Unternehmen wird Vodafone nach einem Brexit sicherlich weiterhin die DSGVO in Ehren halten und die Nutzerprofile aller Mieter nach bestem Wissen und Gewissen schützen. Glaube ohnehin nicht, dass man sowas vermarkten könnte. Amazon Web Services gilt ja ebenso als völlig unproblematisch, um dort die Stammdaten der Nutzer zu lagern.... *hust CLOUD ACT *hust *hust
Seit die smarte Türklingel mein Leben verbessert hat, fühle ich mich endlich wieder hip und in. Ich bin so glücklich damit, dass ich mich extra in Foren anmelde um meine Begeisterung zu teilen. Es soll ja noch solche "Fortschrittsverweigerer" geben, bei denen nix smat ist und einfach nur tut was es soll, ganz still und leise ohne viel bling bling. Wie old school ist das denn bitteschön? Smart-Irgendwas ist die Zukunft, haben mir alle Hersteller einstimmig versichert und ich hab's geglaubt und meine Geldbörse geöffnet
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