Cr4y schrieb:
Warum eigentlich "immer" Deutschland? Also z.B. Nokia vs. Oppo/Vivo? An was machen Unternehmen fest, in welchem Land sie sone Patentklage durchziehen?
Interessant finde ich, dass solche Urteile nur für Deutschland gelten, unser Wirtschaftsraum ja aber einen "Import" aus EU-Ländern ohne Probleme möglich macht.
1) Deutschland ist ein großer Markt, der größte in Europa. Unterlassungsverfügungen in Deutschland tun weh.
2) Deutschland hat eine "Auto-Injunction" - das bedeutet, dass nur in ganz krassen Ausnahmefällen KEINE Unterlassungsverfügung gewährt wird, wenn das Gericht eine Patentverletzung erkennt. In den meisten anderen Jurisdiktionen gibt es keine "Auto-Injunction", sondern es wird dediziert von Gerichten geprüft ob eine Unterlassungsverfügung verhältnismäßig wäre.
3) Patentverletzungsverfahren in Deutschland sind vergleichweise billig und schnell (maximal 1,5 Jahre bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung.
4) Bei standardessentiellen Patenten (Patente, die man zwingend benutzen muss, um standardkonforme Geräte herzustellen; möglicherweise ist der Intel-Fall auch so ein Fall) kommt die Besonderheit dazu, dass deutsche Gerichte eher liberal sind, was die Durchsetzung von standardessentiellen Patenten angeht und legen den Art. 102 AEUV und die EuGH-Rechtsprechung dazu großzügig aus. Das bedeutet, dass man schon sehr exzessive Lizenzgebühren verlangen muss, damit ein Gericht einen Missbrauch der durch die Standardessentialität eines Patents vermittelten Marktmacht sieht. Britische Gerichte z.B. maßen sich an, eine angemessene Lizenzgebühr festzulegen.
Generell ist das Thema "Patenttroll" im Rechtsmarkt stark diskutiert. Ich kann das nicht nachvollziehen, jemand der ein Haus vermietet, dass er nicht selbst gebaut hat, ist ja auch kein "Wohneigentumstroll". Fakt ist, dass irgendwer mal irgendwann Geld ausgegeben hat, die Technologie zu entwickeln und dass es dessen gutes Recht ist - genau wie der, der ein Haus gebaut hat - es entweder selbst zu nutzen (und andere von der Nutzung ausschließen zu dürfen, wenn sie nicht bezahlen) oder es zu verkaufen; dürfte man ein Patent, dass jemand anders erteilt bekommen hat, nicht durchsetzen, würde es auch niemand kaufen wollen. Dadurch würde das Patent als verkehrsfähiges Wirtschaftsgut völlig entwertet werden. Forschungsanreize gingen verloren, weil jede Forschung ein Volltreffer werden muss, damit sie sich lohnt. Die Patentportfolios, die "Patenttrolle" kaufen, wurden meist von Marktwettbewerbern entwickelt, aber für nicht werthaltig gehalten. So haben sie noch eine Möglichkeit, einen Teil ihrer Investitionen wieder "zurückzugewinnen". Auch für Privatpersonen ist es reizvoll, patentierte Erfindungen (davon gibt es mehr als man denkt) an "Patenttrolle" zu verkaufen. Denn Privatpersonen haben gar nicht die finanzielle Kapazität im Rücken, patentverletzende Unternehmen dranzukriegen. Da braucht man ordentlich Kapital. Ich empfehle da mal die Netflixserie "The Million Dollar Code". Wie alle Serien ist die zwar etwas vereinfacht, aber egal welches Unternehmen man auf eine Patentverletzung hinweist, kein einziges (!) davon zahlt freiwillig ohne Druck - wie Hausbesetzer, um mal in dem Vergleich "Wohneigentumstroll" zu bleiben.