Du hast ja geschrieben, dass Musikproduktion nach wie vor die Hauptanforderung ist. Bevor du dich für ein bestimmtes Gehäuse und Kühlung entscheidest, beantworte dir bitte selber die Frage wie wichtig niedrige Lautstärke beim Produzieren ist. Persönlich finde ich dabei nichts nerviger als ein hörbarer PC. Ist aber auch eine Frage der Aufstellung, wie weit er weg steht, ob unterm Tisch oder nicht, usw.
Bei vielen AIOs lassen sich zwar die Lüfter leise runterregeln (bzw gegen leise Lüfter tauschen), allerdings sinkt dann die Kühlleistung gerne mal in Bereiche, wo bei gleicher Lautstärke eine Luftkühlung effektiver ist. Sehr häufig ist auch die Pumpe deutlich raushörbar und die läßt sich nur in wenigen Fällen mit niedriger Drehzahl betreiben. Bzgl. der AIOs gibts hier und auf anderen Seiten Tests wo das ganze immer wieder Thema ist. Bitte einlesen, bevor du da eine Entscheidung triffst.
Natürlich kann man in einem kleinen Gehäuse bei der CPU Temperatur evtl Vorteile erzielen, wenn man den AIO Radiator einblasend mit Frischluft versorgt. Bei Luftkühlung muß gewährleistet sein, dass sowohl die Abwärme der CPU als auch der Grafikkarte aus dem Gehäuse geblasen werden. Willst du dabei eine niedrige Lautstärke erzielen, mußt du darauf achten, dass möglich große, langsam drehende Gehäusekühler verwendet werden und dass der Luftstrom möglichst geradlinig ohne Verwirbelungen erfolgen kann. Persönlich würde ich lieber ein etwas größeres Gehäuse auswählen, als Kompromisse bei der Lautstärke zu machen.
Wenn diese Grundvorraussetzungen erfüllt sind, kannst du dir Gedanken machen, das ganze mit einer Lüftersteuerung (z.B. die des Mainboards) zu optimieren. Also z.B. dass beim Gaming die Gehäuselüfter in Abhängigkeit von der Grafikkartentemperatur hoch gefahren werden, usw. Dafür ist evtl der eine oder andere Temperatursensor nötig. Es ist leider so, dass ein kleines Gehäuse bei leistungsstarker Hardware und niedriger Lautstärke ein bischen Planung bedeutet.
Thema CPU:
Ich kenne das von dir verlinkte Video natürlich. Grundsätzlich macht Ryzen eine sehr gute Figur, wenn du im Projekt viele parallele Spuren hast, die nicht durch komplexes Routing wie Sidechains, Busse, usw verknüpft sind und wenn die ASIO Latenz nicht zu niedrig ist.
Ich liste mal ein paar Dinge auf worauf man bei der Auswahl der CPU für DAWs achten sollte. Das ganze ist natürlich stark von der Arbeitsweise abhängig und deswegen kann man leider keine allgemeingültigen Empfehlungen geben.
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Grundsätzlich nutzen alle DAWs (auch FL Studio) Mehrkern-CPUs sehr gut aus. Parallele Spuren können in unterschiedlichen Threads und damit auf verschiedenen Kernen berechnet werden. Das gilt auch für viele Virtuelle Instrumente, die verschiedene Stimmen ebenfalls auf verschiedene Threads verteilen können. CPU-seitig bringen neben vielen Kernen HT und SMT somit massive Vorteile. Dieser Punkt spricht für Ryzen da hier viele Kerne und gute SMT-Skalierung zum unschlagbaren Preis geboten werden.
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Die längste und aufwändigste Signalflow-Kette bestimmt wieviel Singlethread Performance nötig ist um das Projekt ohne Dropouts abzuspielen. Wobei hier natürlich die druch die Plugins verursachte Rechenlast entscheidend ist und nicht unbedingt deren Anzahl, d.h. mit wenigen leistungsfordernden Plugs kann es hier bereits kritischer werden, als mit vielen 'kleinen' Plugins. Routet man eine Spur auf einen Bus, wird die Signalflowkette durch die Plugins des Busses verlängert und benötigt somit mehr Singlethread Performance. Komplizierter wird es bei FX-Bussen: Angenommen ich habe eine Spur mit ein paar Plugins, route diese auf einen Bus mit weiteren Plugins und beschicke gleichzeitig aus dieser Spur (Abgriff nach den Plugins) einen FX-Bus der wiederum auf den Bus geroutet wird, müssen alle Plugins in einem Thread und somit auf einem Kern berechnet werden. Parallelisierung ist nicht möglich, weil eben vom Signalflow Abhängigkeiten bestehen. Aber es wird ggf noch komplizierter: Route ich den Bus auf den Sidechain eines Kompressors in einer weiteren Spur, müssen dieser Kompressor und alle folgenden Plugins ebenfalls in diesem einen Thread berechnet werden, solange die Plugins die sich vor dem Kompressor befinden nicht mehr Leistung fressen als die Signalflow-Kette des Sidechains. Die Plugins die sich vor dem Kompressor befinden, können dann in einem anderen Thread berechnet werden. Bei entsprechend komplexem Signalflow vor dem Kompressor kann es natürlich auch andersrum sein, dass die Berechnung des Sidechains in einem eigenen Thread erfolgen kann.
Wenn das zu kompliziert klingt, ganz kurz formuliert:
Je mehr Frickelei und Professor-Shit man mit aufwändigen Plugins in seinen Projekten betreibt umso wichtiger wird Singlethread Performance. Ggf. liegen dann ungenutzte Kerne brach, das macht dann den Unterschied zwischen angezeigter ASIO Last in der DAW und der CPU-Auslastung im Taskmanager. Ein hochtaktender 7700K mit seinem leichten IPC-Vorteil ist hier derzeit die CPU der Wahl. Bei Wahl eines Ryzens sollte darauf geachtet werden, dass dieser Notfalls mit OC möglichst hoch taktet und auch beim RAM sollte man versuchen möglichst viel rauszuholen.
- Alle Berechnungen erfolgen in DAWs in Zeitabschnitten, deren Dauer unter Windows durch die Größe des ASIO-Puffers bestimmt wird. In einem solchen Zeitabschnitt müssen alle Plugins des Projekts einmal komplett durchgerechnet werden. Je kürzer die Dauer dieses Abschnitts ist, umso niedriger sind die Latenzen bzw umso kürzer ist die Reaktionszeit des Systems mit der auf Echtzeitspiel des Benutzers eingegangen werden kann. Das ganze ist durchaus vergleichbar mit den FPS bei Games, nur dass ein Framedrop eben sofort als unschöner Knackser hörbar wird. Wird die Latenz kleiner gewählt, muss die CPU diese Berechnungen also häufiger zwischen den Algorithmen der unterschiedlichen Plugins hin und herswitchen. Die berechnete Datenmenge bleibt dabei zwar gleich, aber der Overhead nimmt schnell überproportional zu. Es muß immer auch der jeweilige Programmcode nachgeladen werden und es findet wohl auch mehr Threadswitching statt. Dadurch steigen die Anforderungen an Cache, RAM und Core-Core Verbindungen der CPU. Durch den steigenden Overhead wird es auch sehr viel schwieriger lange Signalflowketten ohne Dropouts zu berechnen, während einfache Spuren immer noch in das letzte Quäntchen brachliegender Performance eines Kerns gequetscht werden können. Sobald (nach meinem Empfinden) mittelmäßig fordernder Signalflow zum Einsatz kommt, brechen Multicore-CPUs überproportional ein. Gerade Ryzen zeigt wohl aufgrund seines CCX-Designs bei kleinen Latenzen (unterhalb 256 Samples bei 44.1KHz) deutlich stärkere Einbrüche als Intels Core i CPUs. Das legen jedenfalls sämtliche mir bekannten diesbezüglichen Tests nahe (
Google --> dawbench ryzen). Das soll jetzt nicht heißen, das Ryzen prinzipiell schlechter geeignet ist, schließlich bekommt man fürs gleiche Geld schonmal eine sehr viel höhere Ausgangsperformance. In gewissen Situationen kann sie bei DAWs aber nicht genutzt werden und
bei entsprechenden Anforderungen kann(!) ein 7700K druchaus die leistungsfähigere Lösung mit dem besseren Preisleistungsverhältnis sein.
Will man eine CPU die das beste aus beiden Welten bietet, kommt man derzeit um Intels HEDT Plattformen (X99 und X299) nicht herum, wobei man hier zwingend übertakten sollte damit nicht teilweise die selben Nachteile wie für Ryzen gelten. Logischerweise wird es dabei bei allen Komponenten überproportional teuer, die Boards kosten mehr, man benötigt Quadchannel Memory, leistungsfähigere(s) Kühlung und Netzteil. Intels x299 Plattform ist sowieso noch viel zu neu um sie abschliessend zu beurteilen und es wird noch den einen oder anderen Monat dauern bis die Kinderkrankheiten beseitigt sind.
Im verlinkten Video sieht man übrigens beim ersten Test mit einem realen Projekt schön, wie der Ryzen nur wenig besser performt als der hochgetaktete 3770K (80% vs 100% ASIO-Last). Das entspricht in keiner Weise seinem Rohleistungspotenzial. Würde man dort die Latenz von 512 bzw 1024 Samples weiter absenken dürfte sich die Auslastung mindestens angleichen, wenn nicht gar der 3770K im Vorteil wäre. Ob solche Sitauationen auftreten ist letztlich aber eine Frage wie man in seinen Projekten arbeitet. Das kannst nur du selber beantworten.
Mal das Gaming aussen vor gelassen sehen deine Wahlmöglichkeiten zusammengefasst so aus:
Bist du bereit zu übertakten solltest du die Entscheidung zwischen Ryzen 1700 und 7700K treffen. Ohne OC würde ich noch den Ryzen 1600X und den Ryzen 1700X mit in die Auswahl nehmen.