Der Unterschied zwischen Onlinemedien und Printversion existiert, da stimme ich dir zu. Aber gerade bezüglich der ZEIT, von der ich beide Seiten kenne, habe ich nicht wirklich den Eindruck, dass sie mit der selben Intensität, mit der sie den Standpunkt "Kritik an Russland" Platz einräumt, auch die Schwächen ebendieser Argumentationen aufzeigt. Sicher mag es objektive Eindrücke geben, die man geboten bekommt, aber mir fehlt da eine sachliche Erörterung der russischen Perspektive. Und was bei ihr mE noch nicht ganz so schlimm ist, aber bei so manchem Boulevardblatt - und die versorgen einen merklich größeren Teil der Bevölkerung mit Informationen - nicht selten stark ins Auge sticht, ist Folgendes:
Vieles, was Akteure in den USA und in der EU sagen, wird inhaltlich gefühlt oft ohne Federlesens als prima facie richtig angenommen, bei der Gegenseite aber nicht - da schwingt nicht selten ein zweifelnder Unterton mit. Das mag bei der ZEIT nicht so schlimm sein wie bei anderen Zeitungen, aber einseitig finde ich es da wie dort schon. Denn auch wenn es kein plumpes und offensichtliches Werten ist, schon alleine der Umstand, dass der Leser sehr oft die Perspektive der westlichen Hemisphäre und ihrer Proponenten dargeboten bekommt, in die er schlüpfen kann, die der "anderen" aber nicht, führt zu einer latenten Schlagseite in der Betrachtung. Das Selbe bei der Wahl der Bilder zu Artikeln. Stets (~) ein grimmiger Putin und staatsmännisch inszenierte Amerikaner und Europäer. Wieso muss das sein?
Ich will gar nicht unterstellen, dass das alles durchdachte Absicht ist, dementsprechend wird es wohl keine direkte Parteilichkeit sein. Aber wie soll ich als Leser mir eine alle Seiten beachtende Meinung bilden, wenn ich - bspw. bzgl. der Krim - nur zwei Drittel der Sichtweisen kenne? Bzw. was taugt meine Meinung, wenn ich sie großteils auf einer einseitigen Perspektive gründe, sei es auch nur aus unterbewussten Gründen?
Ich will daraus nicht ableiten, dass eh alle Zeitungen ein Schmarrn sind, keineswegs. Aber was Aequidistanz angeht, bin ich in punkto Außenpolitik nicht immer glücklich.
EDIT:
Sowas (
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/ukraine-krim-un-bericht-folter) finde ich zum Beispiel gut. Liest sich nüchtern und sachlich. Insofern muss ich meine Kritk ein wenig relativieren.
EDIT 2: Dafür ist der erste Artikel in der aktuellen Zeit vom 10. April eine Art Paradebeispiel für das oben von mir genannte.
"
es geht um den Konflikt zwischen einem aggressiven Autokraten und den westlichen Demokratien"
"imperiale russische Politik"
Ich will nicht abstreiten, dass es inhaltlich bis zu einem gewissen Grad stimmt. Aber von der Wahl der Worte, ihrer Stellung im Aufbau des Artikels her wirkt es auf mich latent wertend und einseitig. Immer wieder die Verwendung negativ konnotierter Wörter, während 'westliches' Vorgehen als 'ideologisch motivierter Irrtum', 'Tragödie' oder als 'legitim' (bzgl. Libyen; das Chaos dort wird ausgeblendet) bezeichnet wird.
Die Frage nach dem Warum und was diese Handlungen 'des Westens' angerichtet haben, wird nicht gestellt. Auch geht man mit keinem Wort auf die Reziprozität des Völkerrechts ein, die dem russischen Vorgehen auf strategischer Ebene einiges an Kritikwürdigkeit nimmt, da es andere waren, die mit dem Bruch des Völkerrechts angefangen haben und das langanhaltend fortführten. Woher also die Legitimation für die Kritik?
"...
wenn der russische Präsident behauptet, er fühle sich vom Westen bedrängt ..."
Die Formulierung impliziert doch, dass es in Wirklichkeit ja gar nicht so sei. Nur was ist das strategische Vorgehen Europas und der USA denn sonst?
Es ist diese subversive Art des Unterjubelnwollens einer bestimmten Weltsicht ("wir" sind die Guten, die anderen die Bösen), die mich an solchen Artikeln stört, das Ausblenden von wesentlichen Fakten.
Dass sich der dortige Autor über das Auseinanderklaffen von öffentlicher Meinung und der Meinung von Leitmedien und vielen Politikern wundert, indiziert für mich, dass ihm die Lücken seiner Argumentation nicht bewusst sind. (ich weiß, klingt von meiner warte aus selbstgerecht, ich vermag es nicht besser zu formulieren).
EDIT 3:
http://www.faz.net/aktuell/politik/...r-deutsche-die-russen-wohl-kaum-12892906.html
Auch hier ein Artikel, den ich persönlich (also lediglich subjektiv) tendenziös und vereinfachend finde. Alle paar Sätze wird man ohne wirkliche Begründung darüber "informiert", dass Russland erbärmlich schwach sei. Dem folgt dann ein halbherziger Verweis auf die fehlende Diversifizierung der Wirtschaft. Die Vorgeschichte des Konfliktes wird ausgeblendet und dann diese einseitige Betrachtung auch noch als Grundlage dafür hergenommen, uns als Opfer darzustellen, das sich gegen eine drohende Gefahr wappnen muss.
Was soll das bitte? Das ist doch kein nüchterner und lösungsorientierter Diskurs, sondern üble Polemik, die alles Mögliche sein mag, aber jedenfalls nicht konstruktiv. Denn Kritik kann man durchaus auch sachlich formulieren. Das ist nicht verboten.
EDIT 4:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-04/Kommentar-Debatte-Putin
Die Meinung des Autors teile ich.
(Irgendwie mutiert der Post hier zu einem eigenartig anmutenden Monolog.
)