In dem Bericht wird ein Sachverhalt beleuchtet, den ich extrem nachvollziehbar finde: Wenn sämtliche Sprachassistenten auf der Welt eine weibliche Stimme haben und (lt. Bericht) mit einer "weiblichen Personalität" programmiert sind ist es doch nicht aus den Wolken gegriffen, dass diese Bezugnahme auf menschliche Geschlechter (bzw deren von uns gesellschaftlich-normativ zugeschriebenen Eigenschaften und Rollen) ETWAS mit uns macht. Diesem 'Etwas' nachzugehen wird in dem Bericht versucht. Die einzige Handlungsaufforderung des Berichts ist es, ein Bewusstsein für die Thematik zu entwickeln und, wenn möglich, neutrale KIs einzusetzen um eben diese Rückkopplung zu verhindern, 'neutral' im Sinne der Persönlichkeit und möglicherweise auch Stimme. Was daran bietet Anlass, sich so daran zu stoßen?
Dass die KIs auch auf explizit sexistische Eingaben nicht mit deutlicher Absage reagieren ist nur der (dafür erschütternd deutlich) sichtbare Teil des Problems. Natürlich machen weibliche KIs aus dem durchschnittlichen Nutzer noch lange keinen Sexisten. Aber es gibt einen
strukturellen Sexismus, wenn ein Geschlecht auf diese oder jene zugeschriebene Art und Weise -und der Bericht spricht hier von "Unterwürfigkeit"- repräsentiert wird. Das ist doch bitte unbestreitbar ein Problem!
Denn den Einfluss, den ein täglicher Umgang mit Sprachassitenten von Hunderten Millionen Menschen auf der Welt jetzt und in Zukunft auf die Wahrnehmung und Prägung unseres Welt- und Wertverständnisses haben, lässt sich kaum zu niedrig einschätzen.
Nochmal: Es geht hier auch und vor Allem um unterbewusste Wahrnehmung. Von der ist niemand frei, explizit auch Menschen nicht, die sich selbst etwa als Feministen bezeichnen. Darum geht es ja: Zu versuchen die Einflüsse, die wir eben nicht bewusst wahrnehmen und reflektieren, sondern die im Alltag zwischen allem Anderen, womit unser Gehirn so beschäftigt ist, auf uns einprasseln, zu beleuchten, also bewusst zu machen und -wo immer nötig-
bewusst zu gestalten.
Dieses viele Bewusst-Machen und Bewusst-Sein mag Mancher oder Manchem zu Viel sein, in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist es aber auch nicht Jedermanns (*edit: Und Jederfraus
) Aufgabe, sich mit jedem Problem selbst auseinanderzusetzen. Nur: Jedem Problem, das man selbst nicht als solches erkennt, deshalb die Legitimität zu entziehen, ist nicht nur egozentrisch und ignorant sondern schlichtweg lieblos; Weil der eigene Komfort (im Handeln aber auch schon in der Weltanschauung) über die Sorgen und Wünsche von Mitmenschen gestellt wird. Aber Gesellschaft
lebt von Solidarität und Kommunikation und dem Gestaltungswillen ihrer Teilhaber*innen, und davon, dass wir uns an ganz vielen Stellen bewusst der Frage stellen, wie wir
für alle (!) besser zusammenleben können.
... Und wenn ich mich von einer Auseinandersetzung so gar nicht angesprochen fühle und ein Problem nicht sehe dann
geht es vielleicht auch nicht um mich. Und das ist okay! Aber dann kann und sollte ich meine Zeit vielleicht lieber für eine der hoffentlich vielen Thematiken nutzen, die mich interessieren und wo ICH etwas bewegen oder umsetzen möchte, statt den Gestaltungsversuch einer oder eines Anderen wegen eines m.E. nicht rechtfertigbaren Anspruchs auf Komfort und Unveränderlichkeit Widerstand entgegenzusetzen.
Wo wir stünden, wenn wir uns immer nur derer Probleme annähmen, von denen 100 % unserer Gesellschaft überzeugt sind, dass es eines ist, darf sich jeder mal selbst überlegen.
Achtung, jetzt wird es
ganz 'links-grün versifft'.
Unterdrückung und Diskrimminierung sind meiner Meinung nach einfach
immer ernst zu nehmen, und schlagen
kategorisch jeden Anspruch auf Komfort und Unveränderlichkeit, auf allen Ebenen. Wenn wir seit hundert Jahren eine Sprache benutzen, die systematisch einen Teil unserer Gesellschaft unterdrückt, und selbst wenn nur ein wesentlich kleinerer Teil diese Unterdrückung wahrnimmt und anprangert, dann ist es absolut vertretbar von dem Rest der Gesellschaft zu erwarten, ihre Sprache um einige Nuancen und Wörter anzupassen. Weil es uns einfach
nichts kostet - nichts außer der (überfälligen!) Aufgabe des Standpunktes, dass die unter maßgeblichem Einfluss vorherschender Machtstrukturen gewachsenen Normen unserer Gesellschaft - gern auch als "Identität" oder "Tradition" bezeichnet -
irgend einen Wert über die Vergangenheit hinaus hätten. Dabei geht es eben nicht darum, mit der Vergangenheit abzurechnen und diese umzudeuten, und auch nicht darum, alle Errungenschaften der Vergangenheit über Bord zu werfen, sondern die Gegenwart unter Ausschöpfung und Abwägung aller Möglichkeiten so zu gestalten, wie wir gemeinsam und zum Wohle
Aller leben wollen.
Einen schönen Tag! <3