Nuklon schrieb:
@heroesgaming die Abwanderung der Industrie hat schon 1990 begonnen. Nur ist es derzeit schick der Politik die Schuld zu geben, weil es den Inhabern der Medien passt. Die Abwanderung wird sich mit jeder Regierung fortsetzen, wie bisher. Einfach weil es sich lohnt, vom Personal her.
Eine gewisse Deindustrialisierung ist für weit entwickelte Volkswirtschaften normal und akzeptabel - und das ist es, was du siehst, wenn du die Zeit seit 1990 betrachtest. Einiges wurde in Zeiten der Globalisierung sicherlich auch übertrieben und hätte schon aus strategischen Gründen nicht in Billiglohnländer verlagert werden sollen, aber andererseits folgen Unternehmen nun einmal dem Geld - und wenige Länder haben vom Boom der Weltwirtschaft in der gleichen Weise profitiert wie Deutschland.
Wie dem auch sei, der Industriesektor hierzulande ist, relativ zur Gesamtwirtschaft, auch heute noch größer als in jedem anderen entwickelten Land. Dessen sich jetzt akut zeigende Schwächeerscheinungen sind Symptom der genannten Strukturkrise, die mit einem natürlichen Wandel allein nicht mehr zu erklären ist, sondern auch von fehlendem politischen Handeln verursacht wurde.
Nuklon schrieb:
Wir sind ein Hochlohnland und einfache Tätigkeiten wie Autos zusammen schrauben, geht halt woanders billiger.
Entweder wir werden billiger von den Kosten oder wir wandeln uns Richtung Hightechgesellschaft. Beides geht nur mit massiven sozialen Verwerfungen.
Think of it.
Die deutschen Löhne waren im internationalen Vergleich auch in den 2010ern hoch, dennoch hat die Industrie investiert. Sicherlich hast du hier grundsätzlich nicht unrecht, vereinfachst aber über Gebühr. Industrielle Wertschöpfung auf hohem Niveau geht auch in Hochlohnländern. Nur passen hier eben die Rahmenbedingungen mittlerweile nicht mehr - und gegengesteuert wurde dem bisher nicht oder viel zu wenig.
StefanSchultz2 schrieb:
Die Wirtschaft ist im Sinkflug! Ich bin in der Halbleiterindustrie tätig und hier wird massiv abgebaut. Noch trifft es nur Leiharbeiter, 40h Verträge und teilweise Kurzarbeit.
Aber selbst in den schweren Jahren der Pandemie, gab es das nicht.
In unserem Unternehmen rechnet man mit keiner Erholung 2025. Die Chiphersteller fahren ihre Investitionen zurück. Infineon kürzt auch.
Gerade der europäische Markt ist eine Katastrophe! In Deutschland wird gar nicht mehr investiert.
Ich mache dafür die Grünen und Roten in Berlin und Brüssel direkt verantwortlich. Der Green Deal oder das abstruse Lieferkettengesetz sind kostspielige Bürokratiemonster.
Es ist albern, einer Regierung die alleinige Verantwortung für Verwerfungen zu geben, die sich seit über einem Jahrzehnt ankündigten. Das meiste, was von der EU-Ebene in Sachen grüner Politik in den letzten fünfzehn Jahren kam, wurde beispielsweise von einer konservativ dominierten Regierung in Berlin mitgetragen. Auch der mehr als offensichtliche Reformstau und eine über die Jahre massiv gewachsene Bürokratie wurde vornehmlich von CDU-Regierungen verantwortet, an denen die Grünen nie beteiligt waren. Gut, die SPD freilich schon, die Richtlinienkompetenz hatte aber stets eine CDU-Kanzlerin.
Die Ampel hat gar nicht mal so schlecht dazu angesetzt, etwas daran zu ändern, sich dann aber im politischen Klein-Klein verfangen und sich in meinen Augen daher primär insofern für die nun vorherrschende Misere verantwortlich gemacht, als dass sie nicht massiv gegensteuern konnte. Minimalkompromisse helfen in so einer Lage nun eben nicht mehr - und als schwacher Kanzler war Scholz in den letzten zwei Jahren nie in der Lage, mehr als das herauszuschlagen, vor allem nicht, nachdem das BVerfG gewisse Kreditermächtigungen zerschlug.
StefanSchultz2 schrieb:
Die Energiewende kann man nur noch als Desaster bezeichnen.
Was aber primär der Fall ist, weil sie über viele Jahre stiefmütterlich angegangen wurde. Seit anderthalb Jahrzehnten ist von Trassenausbau die Rede, passiert ist generell stets wenig. Auch hier hakt es also an Investitionen, die bereits viel frühere Regierungen hätten anstoßen müssen. Aber in einer Gerontokratie lässt sich die eigene Macht mit Renten- und Sozialpolitik eben leichter sichern
Avatoma schrieb:
Wieder einmal ein hervorragendes Leuchtturmprojekt der Ampel, welches problemlos durchläuft.
Zum Glück gehen Firmen nicht insolvent. Die produzieren nur einfach nicht mehr und machen Pause.
Und nochmal, die Ampel selbst ist nur indirekt daran schuld, dass es nun nicht mehr so gut läuft. Primär kann man sie dafür verantwortlich machen, sich als nicht arbeitsfähig genug herausgestellt zu haben, um grundsätzliche Dinge zu verändern. Und versteh' mich nicht falsch - persönlich mache ich sie dafür definitiv verantwortlich. Keine der Ampelparteien hat sich von ideologischen Fesseln am Ende lösen können, um einfach einmal das Beste für das Land zu tun. Stattdessen gab es praktisch nichts als medienwirksamen Streit. Gerade die FDP hätte es daher mehr als verdient, nicht Teil des kommenden Bundestages zu sein, was wohl auch passieren dürfte. Dass weder Grüne noch SPD wieder regieren werden, wäre in meinen Augen ebenfalls wünschenswert, ist aber wenig realistisch, denn irgendeinen Partner wird die CDU am Ende schon brauchen.
Es bleibt zu hoffen, dass, obwohl der nächste Bundeskanzler wohl ebenfalls ein alter Mann sein wird, sich die nächste Regierung zusammenrauft und die Schnitte setzt, die gesetzt werden müssen, selbst wenn das Wahlvolk aufschreien sollte. Es ist unmöglich, die aktuellen Probleme zu lösen, ohne dass sich zwischenzeitlich die Gemüter erhitzen. Wir hatten das zu Schröders Zeiten schon mal, mit der Agenda 2010. Dieser Bundeskanzler zumindest war mutig genug, nicht alles auf Machterhalt zu setzen und wirklich zu reformieren. Diesen Mut bräuchte es nun wieder.