Es geht nicht nur um Leute, die das System schamlos ausnutzen und Gutmenschen. Natürlich gibt es Schmarotzer, aber die gibt es überall. Wichtiger ist doch die Frage, ob das System des versandkostenfreien Distanzhandels für die verschiedenen Anbietergrößen überhaupt finanzierbar ist. Hier erlebt der Einzelhandel im großen Stil das, was zuvor dem Elektrohandel passiert ist. Früher gab es noch viele lokale Elektrohändler und auch Computereinzelhändler. Irgendwann machte dann an jeder Ecke ein MediaMarkt, Saturn, MakroMarkt, Promarkt oder wie sie alle hießen auf. Dann konnte man Tag für Tag beobachten, wie Leute sich beim kleinen Fachhändler beraten ließen und das Geschäft mit "ich muss mir das nochmal überlegen" in Richtung Großmarkt verließen. Die Riesen des Geschäfts konnten den Händler vor Ort dann problemlos über ihre Mischfinanzierung oder andere Standorte unterbieten.
Dem kleinen Fachhändler bleiben im jetzigen Fall ähnlich wenige Möglichkeiten:
1. Er vereinigt sich mit anderen kleinen Fachhändlern, wie dies z.B. bei EP der Fall ist. So ist die Finanzierung des Vertriebskanals Internet einfacher zu stemmen und größere Einkaufsmengen ermöglichen durch höheren Gewinn Investitionen, z.B. in bessere Servicelevel. Das Marketing erfolgt zentral und wird durch alle teilfinanziert. Der Nachteil ist, dass man als Einzelhändler einen Teil seiner Identität aufgibt und dadurch auch die Individualität.
2. Er stellt fest, dass er dem Preis- und Servicedruck des Internets nicht gewachsen ist und verzichtet auf die Einnahmen aus diesem Vertriebskanal. Hier bleibt nur die Hoffnung, dass die Kundschaft dennoch zu ihm kommt, z.B. wegen des guten Service. Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass diese Variante nur in den seltensten Fällen funktioniert. Und meist auch nur, wenn sich der Fachhändler vor Ort spezialisiert, wie das oft bei Edel-Hifi der Fall ist.
3. Er macht mit, muss aber hart kalkulieren, was auf Kosten des Service, der Produktqualität u.ä. gehen muss (z.B. durch Grauimporte, wie es im Fall der EDV-Technik oftmals gemacht wird). In diesem Fall wird der Kunde sagen, dass er dann ja gleich beim großen Konkurrenten einkaufen kann. Der habe besseren Service und man könne sicher sein, dass man keine Grauware bekomme. Das kann man hier im Forum seit Monaten, ach Jahren immer wieder lesen. Der Händler wird in diesem Fall nur überleben, wenn er Tag für Tag den Preiskampf kämpft.
Ergo werden die kleinen Händler aussterben. Das ist aber kein direkter Effekt der jetzigen Überlegungen auf EU-Ebene. Das liegt eher daran, dass jetzt über diesen Vertriebskanal diskutiert und festgestellt wird, dass er sich für kleine Händler kaum lohnt. Ob Leute nun das Widerrufsrecht gemäß BGB ausnutzen oder nicht, die Kosten sind einfach zu hoch und für kleine Händler mit geringen Margen nicht zu stemmen (für große auch kaum, siehe Diskussion um Zalando).