@Abe81
Ich gebe zu, dass ich sie Feuerbach-Thesen etwas anders interpretiere als Marx oder Du, was aber daran liegt, dass ich Marxens Gedanken zwar nicht für falsch, aber für etwas unterdifferenziert halte. Marx ist vereinfacht - was nichts daran ändert, dass seine Art materialistischer Theoriearbeit einen unglaublichen Anteil an dem hatte, was wir von der Gesellschaft momentan so zu verstehen glauben - aber alles, wirklich alles was in der Gesellschaft so geschieht auf eine einzige Kapitalform herunterzubrechen, ist mMn etwas zu kurz gedacht.
Ausserdem kann ich dir nun genauso ein Missverständnis vorwerfen aber ein solches Vorgehen halte ich in einer Diskussion einfach für unangebracht.
Ich versuche lieber meinen Standpunkt verständlicher zu erklären:
Mein Ansatzpunkt ist das Individuum (im letzten Post eben als Lehrer, Schüler oder Eltern). Individuen gieren nach Anerkennung, und versuchen möglichst viel des Gegenteils zu vermeiden. Das bedeutet dann wiederum, dass es einiger Kraft bedarf, sich gegen den Wind zu stellen, den EINZELNE Eltern veranstalten.
In den Lehrplänen (zumindest in NRW) ist z.B. eine pluralistische Sexualerziehung vorgesehen. Die wird auch von den Individuen in der Schule irgendwie umgesetzt (Homosexualität ist nach Rahmenlehrplan zu behandeln und zwar möglichst Wertungsfrei). Soviel zu den institutionellen Rahmenbedingungen. Das was da vermitelt werden soll ist höchsten die Leere im Bezug auf verkrustete Wertungsmuster, naja, die Theorie ist die Theorie, kommen wir mal zur Praxis.
Wird dann in der Schule z.B. eine Unterrichtseinheit zu alternativen Lebensentwürfen oder abweichender Sexualität vorbereitet (nehmen wir der Einfachheit halber mal an, die verantwortlichen bekommendieses Kunststück tatsächlich hin), hat plötzlich die hälfte der Klasse Entschuldigungsschreiben der Eltern parat, und nimmt an den entsprechenden Unterrichtsstunden nicht teil. Mehr noch, wenn es überaschend genug war, gibt es eben auch gerne mal Mobbing (das bekommt man als verantwortlicher Lehrer für diese Inhalte z.B. auf Elternabenden zu spüren). Wenn man dann als Lehrer dumm genug war, seine Telefonnummer zu veröffentlichen, und sich am Wiochenende aber auch nicht ganz von der Welt abkapseln will, kann es eben sein, dass man einigermaßen unschöne Anrufe bekommt, oder dass das Interesse an diesen "Perversionen" zu einem Verdacht auf eigene perverse Neigungen stilisiert wird (was noch immer eine Gefahr für die Lehrerkarriere darstellen kann) und und und.
Und es sind eben keinesfalls "die Eltern" (solche unzulässigen Verallgemeinerungen versuche ich eigentlich zu vermeiden) sondern Eltern. Das sind meist einzelne (jeden Alters und jeder sozialen Herkunft), die einem eben dann das Gefühl geben, dass man den Kindern nicht die richtigen Werte vermittelt. So wird es gesagt, und es ist schon nicht ganz leicht, das als das zu sehen, was es ist: Unsinn da es keine richtigen Werte geben kann. Werte sind immer Kulturkonstruktionen - auch Werte wie Gleichberechtigung oder Diskriminierungsfreiheit sind letztlich Konstruktionen. Da gibt es kein "richtig" oder "falsch". Aber man kann sich eben überlegen, mit welchen Werten wohl ein friedliches Miteinander besser funktioniert (und dabei geht es zumindest mir nicht um Perfektion). Für mich ist allerdings auch darüber hinaus klar, dass eine Mentalität a la "Meins ist auch für Dich Richtiger" nicht funktionieren KANN, das ist mMn mit Abstand die schlechteste Umgangsform mit Pluralismus, denn sie möchte mit ihm am liebtsten garnicht umgehen.
Ich bezog mich dabei sogar nur auf die direkten Beziehungen zwischen Eltern und Lehrern. Das macht aber nicht den ganzen Kommunikationsalltag der Schule aus. Da gibt es dann noch die Beziehungen zwischen Lehrern und Kindern, und auch in denen spielen die von den Eltern propagierten Werte eine große Rolle (es ist Teil dessen, was die Kinder in die Schule mitbringen). Allerdings sind die Kinder für eine unvoreingenommene Beschäftigung mit diesen Themen um einiges offener, als es viele Eltern sind.
Die Kids kämen (bis zu einem bestimmten Alter) also mit einer Schule klar, die nur informiert. Aber ein paar Eltern kommen eben nicht darauf klar, wenn ihre Kinder so erzogen werden. Die halten es für falsch, und wehren sich dagegen.
Und dann stehst du nämlich da, als Lehrkraft, die im Alltag mitbekommt, wie Kinder aufhören, sich gegenseitig als "Kümmeltürke" oder "Bergbauer" zu beschimpfen - kurz wie deine Art von "wertfreier" Informationskultur in der Klasse wirken kann. Allerdings bekommst du auch immer wieder mit, dass einige Eltern in deiner Klasse dich genau deswegen für einen schlechten Lehrer halten.
Kurzer Theorie-Begriffseinwurf "looking glass self", Identität als kommunikativer Prozess mit dem Umfeld. Das gibt u.U. Selbstzweifel - gerade für jemanden, der etwas tut, das er für richtig hält, und daher kaum anders kann, als anderen auch dieses Recht zuzugestehen. Die Eltern machen keinen Fehler, wenn sie dir ihre Meinung sagen - ganz im Gegenteil, die tun das einzig Mögliche.
Aber trotzdem befeuern diese Situationen die Frage, ob man denn seinen Job nun wirklich gut macht - ist das alles vielleicht doch nicht so richtig, wie ich glaube? Ist mein Glaube an die "Überlegenheit" meiner möglichst vorurteilsfreien Unterrichtspraxis vielleicht auch nichts anderes, als ein Dogma? Und so weiter. Noch krasser wird es dann, wenn Eltern keinen Hehl draus machen, dass es dein Sexualunterricht war, wegen dem sie ihr Kind von der Schule genommen haben. Wie war es bei den anderen Wechslern aus der Klasse - sind die vielleicht auch genau deswegen gegangen worden?
Das Ergebnis diese ganzen Kopfkinos ist dann vielleicht, ein zurückfahren der Informationskultur - nicht weil man es plötzlich für falsch hält, sondern einfach zur Stressprävention, oder als Identitätsschutz. Nicht die "Gesellschaft" oder gar die "Politik" oder meinetwegen das Kapital und der Konsum bestimmen das gesellschaftliche Miteinander, sondern die Individuen, die es praktizieren. Der Rest ist lediglich der Rahmen in dem das ganze stattfindet (auch der ist nicht wirkungslos aber seine konkrete Wirkung ist eben individuell unterschiedlich).
Lehrer, Eltern, Erzieher, Bürokraten, Politiker, Wissenschaftler - alles nur Menschen, die sich nur ungern mit voller Überzeugung entgegenschleudern lassen, dass bei ihnen etwas "falsch" läuft (im Denken, Leben oder was auch immer), die gerne glauben möchten, dass sie ihren Job gut machen - eben "nach ihrem besten Wissen und Gewissen".
Ein Beispiel aus der KiTa:
Nach dem Mittagessen ist obligatorisches Zähneputzen angesagt, für die meisten Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder dieses Stückchen Körperhygiene vermittelt bekommen. Allerdings gibt es einen Verweigerer, der immer nicht mitmachen will (k.A. warum, vielleicht mag er einfach die Zahnpasta nicht). Macht man aus dieser Gruppenaktivität dann einen Zwang, dem sich auch dieses Kind beugen muss, so wird es regelmäßig zuhause erzählen, dass es in der KiTa zu Dingen gezwungen wird, die es nicht möchte - ein Verstoß gegen unveräußerliche Individualrechte? Das kommt drauf an, wozu dort gezwungen wird. Schließlich steht dann ein Elternteil in der KiTa und möchte (verständlicher Weise) wissen, was da los ist. Die Story mit dem Zähneputzen wird erzählt (sie ist dokumentiert) nachdem das "Zwang-" und "Schweinerei-" gepolter (gerne auch mit Nazi-Keule) etwas abgeklungen ist. Die Eltern verstehen kurz die Welt nicht mehr, denn zuhause putzt er sich doch immer brav die Zähne. Die Eltern haben dieses Problem also nicht, denn zuhause spurt der Bengel. Die These, dass dieser Junge die Zahnpasta vielleicht nicht mag, die in der KiTa benutzt wird, kam von einem der Erzieher (von dem ich die Geschichte auch habe). Die Reaktion "ja das kann sein, beim Geschmack ist er schon etwas eigen" und direkt danach die daraus abgeleitete Forderung, man möchte doch bitte für diesen Jungen eine andere Zahnpasta besorgen. Der Vorschlag, dass der Junge sich doch auch selbst Zahnpasta mitbringen kann, wurde nicht gemacht. Dafür gibt es "pädagogische" Gründe, die man eigentlich gut auf Stressreduktion (in der ganzen Institution) herunterbrechen kann. Aus dem gleichen Grund wurde auch die Anschaffung einer "Extrawurst" - Zahnpasta abgelehnt - das macht alles, von der Beschaffung bis zum KiTa-Alltag nur komplizierter. Die Erzieher, der VOrstand und eigentlich fast alle Pädagogen verstehen das, aber die Eltern sehen das eben ganz anders, für die zeigt das eben nur eine unverständliche und in gewisser Weise unmenschliche Verweigerungshaltung der KiTa-Mitarbeiter.
Eine Zwickmühle, die letztlich dazu geführt hat, dass die Eltern ihr Kind auf eine andere KiTa geschickt haben, und der Vorstand das zum Anlass genommen hat, von seinen Mitarbeitern mehr Kundenorientierung zu verlangen.
Ein Kind, das keine Lust hat, sich etwas von Menschen vorschreiben zu lassen, die NICHT seine Eltern sind - Eltern, die ihr Kind grundsätzlich als kleinen Heiligen erleben (meist verändert sich das Verhalten der Kinder ja auch radikal, wenn sie denn bemerken, dass Mama oder Papa zusehen), und eine Kleinigkeit, wie die normale Mundhygiene, schlägt institutionsweit Wellen.
Seitdem können die Eltern ihre Kinder in dieser KiTa von dieser ursprünglich verpflichtenden Tätigkeit befreien lassen (auf Initiative des Finanzausschusses im Vorstand, die KiTa ist eine Eltern-Initiative und da sind die Finanziellen Möglichkeiten an die Anzahl zahlender Mitglieder gebunden) - der einzige, der sich darüber unter Umständen freut, ist der spätere Zahnarzt der kleinen, die sich nur durch Mama oder Papa zu irgendetwas zwingen lassen und bei Verweigerung gegenüber Dritten sich darauf verlassen können, das die Eltern das für sie ausboxen.
Aus der Perspektive der KiTa geht es um Gesundheitserziehung (Umsetzen staatlicher Richtlinien), aus Sicht des Kindes um etwas, das es nicht machen will (aus welchem Grund auch immer) und für die Eltern geht es letztlich um Brutflege, den Schutz eines kleinen Heiligen und wahrscheinlich nur darum, dass man doch bitte seine Ruhe haben möchte, statt sich nach dem überzogenen Geheule des Chefs nach Feierabend auchnoch das überzogene Geheule des Zöglings anzuhören, oder ihm bei Hausaufgaben zu helfen, die man nichtmal wirklich versteht, oder deren Formulierung man für ein klares Anzeichen des Werteverfalls hält.
Es sind nicht viele Eltern, die tatsächlich aktiv in das Schulgeschehen eingreifen, aber die wenigen, die es lautstark tun, haben mehr Einfluss auf den Schulalltag, als der ganze Rest zusammen. Und über nichts beschwert man sich lauter, als über vermeindlich "falsches".
Das Traurige daran ist, dass der Rest eben keinen aktiven Einfluss nimmt (wozu denn auch, wenn nichts wirklich falsch läuft - oder man sich denkt, "naja, die Erziehungsideale meiner Lehrer habe ich ja auch nie so richtig geteilt, aber geschadet haben die mir offensichtlich nicht" ), und damit das Feld denen überlässt, die betonierte Vorstellungen von "richtig" und "falsch" haben und beim leisesten Anflug von vernünftiger (unvoreingenommener, informationsbasierter) Argumentation mauern.
Ich möchte gerne glauben, dass es sich hier um eine Minderheit handelt - es sind schließlich Einzelfälle - aber sicher kann ich mir da nicht sein, vielleicht fehlt dem Rest ja auch nur der Mumm.
Aber wenn es sich dabei tatsächlich um eine Minderheit handelt, dann denke ich, dass es gerade nicht diese Gruppe sein sollte, die auf diese Weise diktieren kann, wie unsere kommenden Generationen erzogen werden.
Ich finde es eigentlich traurig, dass man Lehrer per Lehrplan dazu zwingen muss, sich diesem Wind entgegenzustellen, einfach weil es eben nur menschlich wäre, ihm nachzugeben, und damit wenigstens nicht mehr mit regelmäßiger, aktiver Annerkennungsverweigerung konfrontiert zu sein. Schweigen ist Zustimmung, und da es bei uns ganz allgemein an einer Lob-Kultur hapert, ist das dann auch schon alles, was man als Lehrer an Anerkennung zu erwarten hat - ist ja bei den Schülern oft (leider) auch nicht anders, wenn man etwas richtig gemacht hat, dann interessiert das keine Sau und Lob gibt es eigentlich nur, wenn man etwas nun endlich (Gott seis getrommelt) nicht mehr grundlegend und grundsätzlich "falsch" macht. Ich habe tatsächlich eine zeitlang absichtlich Fehler gemacht, damit die Aufmerksamkeit (der Lehrer oder Eltern) auch mal zu mir kam.
Die Botschaft ist klar: der Weg zu Lob führt gerade NICHT über gleichbleibend gute Leistungen, das führt nur zu Tadel, wenn es dann mal nicht so gut gelaufen ist.
Anerkennung der eigenen Person und seiner Leistungen, das ist mMn der Schlüssel zum Verständnis sozialer Interaktion. Sicher nicht der einzige. Darauf aufbauend glaube ich, dass es nicht damit getan ist, Vorurteile pauschal zu verurteilen, und sich dann nicht weiter damit zu beschäftigen (das Vorurteil kriegt einfach jedesmal nur eins auf die Nase, wenn es sich mal raustraut). Vorurteile sind für den der sie hat, eben keine Vorurteile sondern eher im Gebiet zwischen Meinung und Wissen angesiedelt. Damit muss man sich beschäftigen, zusammen mit den Tragern dieses "Wissens", und ausgehend von IHREM Standpunkt. Sonst bekommt man nichts anderes als geheuchelte Bekenntnisse, die es dann sehr wahrscheinlich nichtmal über die nächste Türschwelle schaffen, oder den Leuten beim nächsten Treffen mit Opa dann eher als Ausrutscher erscheinen - denn Opa kennt den richtigen Weg, da ist zumindest er selber sich schonmal sicher, und man selbst hat damit ja bisher auch ganz gut gelebt.
Ich weiß nicht ob ich es hier schon einmal gesagt habe, für mich findet das, was man Gesellschaft nennen könnte auf der Mikro-ebene statt. Das was Marx, Weber, Boudieu oder einfach unsere Verwaltungsrichtlinien und Gesetze sagen (oder der Markt) stellt dafür den Rahmen - mit entsprechender Wirkung bis auf die Mikroebene. Aber wenn ich mir im Rahmen einer akteurszentrierten Institutionsanalyse z.B. anschaue, was auf dem Entscheidungsweg so alles an Interpretation (erster, zweiter, dritter ... n-ter Potenz) stattfindet, dann ist der Kern dessen, was diese Institution tut, nicht so sehr durch den institutionellen Rahmen definiert, wie durch das tägliche miteinander der Akteure und deren Reaktion auf die Rahmenbedingungen.
Im Bezug auf Sexualunterricht bedeutet das dann: Nicht die tatsache, dass eine möglichst wertfreie Beschäftigung mit allen möglichen Sexualitätsvarianten im Lehrplan verankert ist, bestimmt den Unterrichtsalltag, sondern die tatsache, wie das im Unterricht umgesetzt wird. Werden tatsächlich möglichst viele Informationen über die verschiedenen Varianten zusammengetragen und bearbeitet, oder ist es typischer Missionarsstellungs - Unterricht, der es bei dem Hinweis belässt, dass da ja noch viele andere Sachen möglich sind, und das das nicht schlecht sei. Jeder muss das für sich selbst herausfinden, soviel ist klar, aber ob ich ihn mit der Informationsbeschaffung alleine lasse, das ist letztlich die Entscheidung der Erziehungsverantwortlichen (Lehrer, Erzieher und zu allererst Eltern), und die MUSS der Lehrer/Erzieher mit Rücksicht auf die unterschiedlichen kulturellen oder sonstigen Hintergründe seiner Klasse/Gruppe treffen - einfach weil es sonst mit unter echt Stressig wird, gerade weil die Eltern das eben bei ihrer Erziehung NICHT berücksichtigen müssen.
Je nach Zusammensetzung kommt da dann auch mal "heteronormative Scheiße" bei raus - nicht unbedingt weil das gut wäre oder weil der Lehrer das so will, sondern einfach weil EINZELNE Eltern es nicht anders zulassen wollen. Und mit der heteronormativen Scheiße kommt immerhin schonmal ein großteil der Eltern klar, das kennen die alle noch aus der eigenen Erziehung.
Unsere Klassen (und Gruppen in der KiTa) sind extrem heterogen. Da gibt es eben Leute aus "Kulturkreisen", in denen es normal ist, dass sie ihre ersten Sexualerfahrungen mit 12 oder 13 machen, während es dann wieder andere gibt, die Sex erst nach einer verabredeten Eheschließung entdecken wollen (inkl. sämtlicher Schattierungen zwischen diesen Extrempolen).
Diese Unterschiedlichen Strömungen sensibel zu behandeln, ist gerade bei der Sexualität nicht leicht, denn da prallen grundsätzlich verschiedene Welten aufeinander (in jedem Kind eine eigene, und nochmal eine ganz andere im Kopf des Lehrkörpers). Wenn man das wirklich durchziehen will,müsste man die Wünsche zumindest einzelner Eltern eigentlich komplett ignorieren, was aber gerade aufgrund der zunehmenden Ökonomisierung des Bildungsektors nicht mehr machbar ist.
Das wäre dann eben das Prinzip okelhitman: Wenn sie eine Erziehung zu festen Werten haben wollen, dann müssen die sich eben eine Schule suchen, die das bietet - das ist dann allerdings eine private, die Schulgeld haben will, weil sie ja vom Staat aus gutem Grund nicht gefördert wird. da gibts dann auch eine "Sexualerziehung" die katholischer ist als der Papst.
Ich kenne viele Lehrer (weil ich selbst mal auf Lehramt studiert habe), und wenn ich die Frage, was am ehesten einer Art "beruflichem Feindbild" nahekommt, variieren die Antworten zwischen "Schulaufsicht" oder "Direktorat", also Staatlichen Kontrollorganen und den Eltern. Zumindest bei Grundschullehrern sind es eigentlich nie die Kinder - das entwickelt sich scheinbar erst in höheren Jahrgangsstufen, da werden dann die Eltern fast zu Verbündete.
Ich sehe das als Folge unseres Schulsystems (die Schule erzieht nach und nach dazu, sie zu hassen), aber das ist ein ganz anderes Lied. Für mich der Grund, warum alles jenseits der Klasse 5 für mich definitiv kein schöner Beruf war, da musste ich nur mal neutral dran denken, wie ich z.B. mit 13 drauf gewesen bin - solche Schüler unterrichten? Ja, aber nicht ohne genug Haldol im Blut.
Zu deinem Kritikpunkt, wir würden gesellschaftliche Entwicklung negieren.
Bist du dir da sicher, oder stört es dich nur, dass wir bei unserer Betrachtung dieses Prozesses nicht zu streng marxistischen Anschauungen kommen?
Ich frage mich halt gerade, wie du es sonst geschafft hat, all das Gerede von "prozesscharakter" zu überlesen. Wenn ich momolithische Strukturen sehen will, dann schaue ich mir Steine an, und sogar da fällt es mir schwer, in Anbetracht der Relativität von Zeit. Im Bezug auf soziale Interaktion suche ich nichtmal danach, vielleicht muss ich mir angewöhnen, dass auch explizit zu schreiben.
Wenn ich mir bei Marx über etwas im klaren bin, dann ist das einerseits die Einschätzung, dass er eine brilliante Gesellschaftsanalyse geliefert hat (nebts gut durchdachter Methodik), andererseits aber die Meinung, die ich z.B. mit G. S. Rubin, J. Butler oder P. Bourdieu teile, dass das der Weisheit letzter Schluss eben auch nicht so gewesen ist.
Marx Analyse ist gut - als Augangspunkt für Verfeinerungen - aber eben nicht als eherne Tatsache, die das gesellschaftliche Leben bis in alle Ewigkeit umfassend beschreiben kann. Damit negiert man nämlich genau die gesellschaftliche Entwicklung mit der Marx Feuerbach kritisiert.
Ich halte es da lieber (sinngemäß) mit Protagoras: "Alles Sein ist Fluss, nur das Göttliche ist dem Wandel entückt". Und "das Göttliche" lassen wir hier mal lieber raus, denn das ist schon bei Marx ad absurdum geführt (siehe These #7).
Back to Topic.
Den Widerspruch, auf den der Themenersteller hinweist, gibt es kurz unter der Oberfläche der Diskussion nicht mehr, denn der entsteht nur durch unterschiedeliche Dekonstruktions- und Verteidigungsstrategien der jeweiligen Gegenseite - das ist reine Politik - da sollte man allgemein nicht mit soviel Logik rechnen
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, die ist für Politik nicht notwendig. Und da Widersprüche eben etwas logisches sind, lohnt es eigentlich nicht, auf diesem Gebiet von "Widersprüchen" zu sprechen. Denn dieser Widerspruch entsteht nur auf der Ebene der rücksichtslosen Instrumentalisierung zu politischen Zwecken.
Die einheitliche Logik auf der das fußt, gibt es erst sehr viel weiter innerhalb der jeweiligen Diskursposition. Da kommen plakative politische Äusserungen im allgemeinen nicht hin. Also erscheinen diese dann widersprüchlich, obwohl sie letztlich aus der gleichen Ecke kommen.
Wie @Onkelhitman es in seinem letzten Absatz schreibt, geht es beiden Seiten (Gender- und Homosexualitätstheorie) darum, dass die Menschen sich ihre Sexualidentitäten möglichst ohne externe Reglementierungen oder Anreizsysteme bilden können. Jede Art von Determinismus ist da dann eben zu bekämpfen, mit den entsprechenden Mitteln. Wenn es die Erziehung ist, dann kann man es nicht operativ entfernen, und wenn es die Gene sind, ist jede Umerziehungsmaßnahme von vornherein nutzlos. Es geht darum dass es letztlich egal ist, wie Sexualität zustandekommt, solange die Menschen bei ihrer Entscheidung nicht brutal in eine bestimmte Ecke geprügelt werden - egal mit welchem theoretischen Hintergrund das passiert. Gott hat das eben so eingerichtet/gewollt, ist da einfach genauso eine falsche Herangehensweise wie, "das machen die Gene", oder die Phantasterei über alternative Erziehungsmethoden, die man erstmal über Generationen etablieren müsste. Egal worum es dabei geht, die Entscheidung ist dem Individuum zu überlassen - und wenn dieses Individuum sich eben mit verschiedenen Ausprägungen lieber nicht beschäftigen möchte, dann ist auch das eine individuelle Entscheidung, die ich respektieren muss - ich kann das dann vielleicht "irgendwie schade" finden, aber respektieren muss ich es dennoch. Sonst kommt da am Ende noch homo- oder sonstwienormative Kacke bei raus. Das sieht dann vielleicht etwas anders aus (vielleicht wird das Kackbraun etwas Pink-stichig, oder bekommt Regenbogefacetten), aber stinken tuts genauso.