froschmeister schrieb:
Ja, ich weiss das aus eigener Erfahrung und kenne auch den Grund, warum das so ist. Das hat einfach damit zu tun das hiesige Gerichte tatsächlich Handelsgerichte sind, die auch abseits staatlichen Rechts Urteile fällen dürfen. Wenn du das so akzeptierst, weil du dich nicht (oder nicht richtig) auf das Gesetz beziehst (und damit Rechtsverzicht begehst), kann der Richter jedes Urteil fällen. (Das ist die von dir zitierte herrschende Meinung und sie ist auch referenzierbar.)
Entschuldige bitte, aber das ist einfach falsch. Jedes Gericht auf deutschem Boden ist an deutsche Gesetze gebunden, sie geben den primären Rahmen vor, in dem Entscheidungen getroffen werden können. "Abseits staatlichen Rechts" wird daher gar nichts entschieden.
Korrekt ist lediglich, dass du dich in einem Zivilprozess auf spezifisches Recht beziehen und auch klare Forderungen an die Gegenpartei stellen musst - damit schafft man quasi einen sekundären Entscheidungsrahmen. Das Gericht beurteilt dann anschließend, inwiefern der geltend gemachte Anspruch besteht oder nicht. Besteht er nicht, wird die Klage abgewiesen. Besteht er, wird er durchgesetzt. Das gilt übrigens auch für den finanziellen Rahmen von Ansprüchen. Verlangst du etwa 5000 € von der Gegenseite, werden dir auch maximal 5000 € zugesprochen, unabhängig davon, ob mehr möglich gewesen wäre.
Das bedeutet im Zweifel natürlich auch, dass ein Anspruch bestehen könnte, den dein Anwalt nicht im Blick hatte und somit nicht geltend gemacht hat - nach den Regeln der ZPO wird das Gericht dir dann diesbezüglich nicht recht geben können, im Zweifel wäre ein weiterer, separater Prozess notwendig. Das wäre dann aber die Schuld des Anwalts.
"Jedes Urteil" kann der Richter also in keinem Fall fällen, er agiert in jedem Fall innerhalb der Grenzen der ihm vorliegenden Klage (im engeren Sinne) und der Gesetze im Allgemeinen (im weiteren Sinne).
(Für andere Rechtsdisziplinen gelten teils andere Regeln, wenngleich zumeist wenigstens vergleichbare Regeln, die obige Aussage zum "staatlichen Recht" ist aber nie korrekt).
Von einer "herrschenden Meinung" ist in der Jurisprudenz übrigens immer dann die Rede, wenn es um die
Auslegung von Normen geht (weshalb das jeweils streitentscheidende Gesetzt auch hier die höchste Rolle spielt). Der Begriff bezeichnet dabei die Auslegung, die entweder im Allgemeinen als "richtig" anerkannt oder durch höchstrichterliche Entscheidung entsprechend "festgelegt" ist.
(Ein Gericht kann auch weiterhin abweichend von dieser "herrschenden Meinung" entscheiden (da es ja nur an das Gesetz an sich gebunden ist (!!!), das seine konkrete Auslegung nicht direkt festschreibt), existiert jedoch BGH-Rechtsprechung zu einem entsprechenden Fall, stehen die Chancen gut, dass eine höhere Instanz das Urteil dann kassiert - das aber nur am Rande).
Davon abweichend existiert auch der Begriff der "herrschenden Lehre", der sich auf die unter Rechtswissenschaftlern am weitesten verbreitete Lehrmeinung bezieht, wie eine Vorschrift auszulegen ist - diese muss mit der Rechtsprechung jedoch nicht zwingend identisch sein, tatsächlich ist sie es überraschend oft nicht.