@Mustis:
Wenn in deinem Umfeld nur Leute sind, die es sich leisten können, obwohl sie der Alleinverdiener ihres Haushaltes sind, nur Teilzeit zu arbeiten, dann hat das mit der Realität von 95% der Deutschen nichts zu tun.
Ich fabuliere und spekuliere über andere überhaupt nicht.
Ich hatte bei meinen Beispielen konkrete Leute im Sinn, bei denen ich den Einblick in die Einkommensverhältnisse habe.
Z.B. weil sie mir im einen Jahr erzählten welche Summen sie woher erhalten und mir im anderen Jahr, in größerer Runde, vorjammern wie hart das alles war und wie sehr sie sparen müssen und das andere das ja auch so machen könnten. Und dann noch dicke Autos und groß in Urlaub fahren.
Natürlich sind die Gesellschaftsschichten in Deutschland in den letzten 50 Jahren durchlässiger als in den meisten anderen Epochen der Geschichte und als in den meisten anderen Ländern.
Das ist eine Seite der Medaille. Das hat aber wenig mit der Frage zu tun, ob wir uns die letzte Jahre verbessern, oder ob die Entwicklung rückwärts geht.
Was soll der Link zu den Reallöhnen? Wozu die Behauptung es ginge bergauf? Bestreitet keiner, es geht um die Verteilung. Du willst das nur nicht eingestehen, weil du auf der angenehmen Seite der Schere sitzt. Und selbst wenn es so wäre, dass die Chancen gleich für alle wären (wir sind da näher dran als andere, ja, aber bei weitem nicht zu 100%): die einen stellen die Frage nach der Gerechtigkeit der Güterverteilung UND danach was menschlich/ethisch zu machen wäre.
Was du meinst ist, ist nichts anderes als das Recht des Stärkeren, Sozialdarwinismus. Wenn du das auf die Spitze treibst mit deinem "jeder hat die Chance aufzusteigen", sind wir wieder an einem Punkt an dem Vorstände und Investmentbanker zurecht viele Millionen im Jahr kassieren und in dem man Erwerbsunfähige verhungern lässt.
Godde schrieb:
Vor allem hast du dich zu einem Neolib par Excellence gewandelt. Ich habe da ganz andere Beiträge von dir im Kopf.
Das ist ja lustig. So lange verfolge ich Mustis hier noch nicht, aber bei mir war es genau umgekehrt. Nach 5 Jahren BWL/VWL, in denen, wie in unserem Schulsystem üblich, gelehrt wurde was zu denken ist, anstatt wie man denkt, war ich eher neo-liberal eingestellt. Und das ohne dass es mir bewusst war.
Mit 19 habe ich FDP gewählt, weil ich das Wahlprogramm für sinnvoll erachtete. Die Jahre darauf habe ich beobachtet welche Wahlversprechen gebrochen wurden, was alles umgesetzt wurde, was nicht so gern im Wahlprogramm erwähnt wird und wie sich diese Politik auswirkte. Weiter die Beobachtungen im Einzelhandel, wie sich hier auch die Agenda 2010 (nicht FDP, aber neo-liberale Politik) auswirkte.
Ich hab' was dazu gelernt im Laufe der Zeit und sehe nun, dass eine Neo-liberale Weltsicht nur auf Zahlen, der Sicht eines Kostenrechners auf ein Kollektiv, fußt. Von den Fällen in denen bewusst zum Wohle einzelner die Allgemeinheit übervorteilt wird, mal ganz abgesehen. Dass Politiker mit dieser Perspektive, die weder aus ihrem "Bücher-Wissen", noch in den meisten Fällen aus ihrem Alltag einen Bezug zur arbeitenden Bevölkerung haben, jeden Wahlkampf von Volksnähe quatschen, ist ein Witz.
Man kann den Erfolg der Wirtschafts- und Sozial(!)-Politik doch nicht mit
berechnen! Ich weiß nicht was trauriger ist. Wenn das jemand glaubt, oder wenn es jemand wie Gabriel weiß, dass es nicht so ist und dennoch so handelt, als sei das so.