Ich habe mir gerade mal den Mordparagraphen (§211 STGB) angesehen.
Nimmt man diesen Paragraphen wörtlich, dann sind weder die Steinwürfe von Hamburg noch der genannte Fall (tödlicher Unfall beim Strassenrennen) Morde im eigentlichen Sinn dieses Paragraphen.
Dazu fehlen schlicht ein paar Details (in beiden Fällen).
1. Vorsatz: bzw. 1a. Planung: während bei den Autonomen Steinewerfen noch durchaus von einer Verletzungsabsicht auszugehen ist, wird sicher kein Raser je mit Unfallabsicht ein Rennen gefahren sein.
Hatten die Autonomen tatsächlich die Absicht, jemanden zu töten?
2. Heimtücke: Das bedeutet (mMn), dass man die Tat so plant, dass das Ziel bis zur Tat über diese im Unklaren ist ... Das trifft auf die Raser wohl zu (auch wenn der Unfallfahrer bis zum Unfall selbst wohl nix wusste ... siehe 1.) ... den Polizisten in Hamburg war jedoch jederzeit klar, dass da Menschen Dinge von den Dächern werfen könnten, falls die Polizei vorrückt. Um das zu verdeutlichen, wurde immer wieder das zögerliche Vorgehen der Polizei mit den von den Dach-Chaoten ausgehenden Gefahrenpotenzialen gerechtfertigt ... meist untermalt mit Heli-Videos.
"Mord" wäre das ganze (zumindest versuchsweise) erst, wenn NACH Einmarsch der Polizei in die Gasse plötzlich Steinewerfer auf den Dächern aufgetaucht wären ... dann wäre es eine heimtückische Falle gewesen.
Dem war nicht so.
3. Niedere Beweggründe: auch wenn viele von uns es schon für einen recht "niederen Beweggrund" halten, einen Menschen verletzen zu wollen, vor dem Gesetz ist das etwas anders (sonst wären Soldaten per Definition Mörder). Niedere Beweggründe sind z.B. Habgier ... bei den Rasern wurde dieser Beweggrund angenommen und spielt in der Urteilsbegründung eine wichtige Rolle ... der Tote kam zustande, weil BEIDE Teilnehmer das Rennen "ohne Rücksicht auf Verluste" haben gewinnen wollen (bei "Habgier" geht es juristisch lang nicht nur um materielle Dinge).
Aber eben auch das Ermöglichen, Decken oder Vorbereiten einer anderen Straftat (z.B. einer Plünderung), und da es den Autonomen wohl auch darum ging, die "Bullen" aus der Schanze fernzuhalten, liegt hier ganz klar ein niederer Beweggrund vor.
Allerdings ist bei Mord immer eine Frage ganz besonders wichtig ... wo ist die Leiche? Ohne Leiche ist es allenfalls versuchter Totschlag, u.U. sogar nur eine Körperverletzung ... sind die Autonomen auf den Dächern den Polizeikräften zu irgend einem Zeitpunkt so gefährlich geworden, dass es dabei Tote hätte geben können? Ich bezweifle es, denn die Polizei ist erst vorgerückt, NACHDEM die Dächer geräumt waren ...
Eine letzte Frage konnte ich mir nicht beantworten: In wie fern ist bei den Punkten 1 u. 2 die "Zielperson" juristisch wichtig?
Bei einem Mord gilt die Planung doch letztlich dem Ziel, EINE ganz bestimmte Person zu töten (Vorsatz: XY töten) ... in Hamburg gab es keine individuelle "Zielperson", wahrscheinlich nichtmal den festen Vorsatz, irgendwen umzubringen (da bin ich mir allerdings nicht sicher).
Ich bin doch einigermaßen froh, dass man für Handlungen, die auch zum Tod eines Menschen führen KÖNNTEN, wenn man sie denn ausgeführt HÄTTE, in Deutschland nicht gleich wegen Mord angeklagt wird.
Der Hinweis, dass die Autonomen gemordet hätten, wenn die Polizei sie gelassen hätte, ist reine Spekulation ... Fakt ist, sie haben NICHT gemordet.
Die hamburger Steinewerfer sind nicht wegen Mord anzuklagen, und den Rasern prophezeihe ich beste Chancen bei ihrer Revision ... hoffentlich sind die nicht dumm genug, dass Urteil NICHT anzufechten (nicht, dass ich es OK fände, was die Jungs abgezogen haben, aber eine Verurteilung wegen Mord, gibt das mMn einfach nicht her ... dazu fehlt der Vorsatz, der lauten muss "ich bring den um" ... und nicht "ich fahre schneller, als ich das eigentlich kann" ).
Im Fall Hamburg sollte auch nicht ausser acht gelassen werden, dass ein brauchbarer Anwalt versuchen wird, JEDE mögliche Straftat als Affekthandlung darzustellen ... nach der Prozessphase wird man dann statistisch belegen können, ob das bei Polizisten öfter klappt, als bei Autonomen ... versuchen werden es die Anwälte BEIDER Seiten, denn DAS ist ihr Job.