OiOlli schrieb:
Lewy bestreitet übrigens nicht, dass mehrere Hunderttausend Armenier umgekommen isnd. Er bestreitet nur, dass es ein von der Zentralregierung angerichteter Völkermord war.
Kein (vernünftiger) Türke bestreitet, dass Hunderttausende Armenier umgekommen sind. Das besteitet keiner ab.
Zweitens deine zweite Aussage klingt so, als ob es ein Völkermord gewesen wäre, aber es nur nicht von der Zentralregierung der Befehl dafür kam.
Damit wären wir wieder beim Problem. In keinster Weise ging ein Befehl aus oder es entwickelte sich ein Zustand, wo man das Volk der Armenier vernichten wolle.
Bei dieser Sache werden ein paar Dinge immer außer Acht gelassen, um absichtlich eben die Perspektive in die gewünschte Richtung zu lenken.
Ich fasse mal zusammen.
Wichtig hierbei anzumerken ist, dass das ganze im Jahre 1915 stattgefunden hat, also im 1.Weltkrieg! Man befand sich im Kriegszustand.
Briten, Franzosen, Italiener (und deren Exklaven) auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Russen inmitten des Osmanischen Reiches. Die Armenier (seit Jahrhunderten lebten sie zusammen mit Türken in Anatolien) haben sich mit den Russen verbündet und angefangen Gebiete zu attackieren bzw. in Anspruch zu nehmen. Stellt euch mal vor in Deutschland lebende Türken würden sich mit den Franzosen verbünden und anfangen das gleiche zu tun. Und das alles im Weltkrieg und nicht mit der Technologie und Möglichkeit von heute, sondern von vor 100 Jahren. Da wurde dann entschieden die Armenier im Lande abzuschieben, d.h. zu deportieren. Aber nicht alle, denn die im Westen des Landes wurden nicht angerührt, weil sie vom Geschehen weit entfernt waren. Und man hat sie nicht nach irgendwo abgeschoben, sondern in die damaligen im süden liegenden arabischen Gebieten des Osmanischen Reiches. Das alles wird immer außer Acht gelassen und zusätzlich werden die Verluste aus der türkischen Seite komischerweise nie erwähnt. Also nicht nur die von den westlichen und russischen Mächten verursachte Tote, sondern direkt von den Armeniern begangene Tötungen. Was auch nicht erwähnt wird, dass schon damals nach dem Ende des 1. Weltkrieges Untersuchungen bezüglich der Deportation stattgefunden haben. Die Briten, die nach dem Krieg Istanbul besetzt hatten, haben Archive durchforstet und Untersuchungen angestellt und es haben auch damals juristische Tätigkeiten ausgeführt (siehe Malta-Prozesse).
Die Behauptung, es hätte ein Völkermord stattgefunden, ist in keinster Weise zu rechtfertigen, zumal es aus juristischer Sicht keine UN-Konventation für Völkermorde gab. Allein schon deswegen, aus juristischer Sicht kann man davon nicht sprechen. Aber es wäre ja zu billig sich nur darauf zu stützen. Tut auch kein Türke, denn man stützt sich auf die Wissenschaft und Fakten. Und das schon seit einem Jahrhundert, und nicht schon seit Erdogan oder sonst-was Politiker.
e-ding schrieb:
Ouch! So ist das mit dem Leseverstehen.
Der Stammtisch sagt z.B., dass 54% der hier lebenden Türken die AKP gewählt haben und ein Stadion bekommt Siegmar Gabriel bestimmt nicht voll. Die Überidentifikation mit der eigenen Nationalität kommt da eben häufiger vor; soetwas gibt es hier übrigens auch und wird im Grunde nur belächelt. Darunter leidet automatisch Selbstreflexion. Was habe ich in diesem Zusammenhang, natürlich nicht repräsentativ, gehört: "Wer Erdogan beleidigt, beleidigt alle Türken." Naja, kann man so sehen.
Ich sprach auch nicht davon, dass viele Türken hier in D. nicht hinter Erdogan wären. Das ist schon der Fall. Mein Problem ist, dass man jedem unterstellt nicht kritisch genug zu sein, nur weil diese Masse nicht deine Meinung teilt oder irgendeine andere. Du hältst diese Menschen direkt als rückständig.
Und rein praktisch ist laut der Definition des Amtes ein Staatspräsident der Repräsentant des Volkes. Und wenn man ihn beleidigt, ob Obama oder Gauck oder Erdogan, dann beleidigt man auch das Volk, das diese Leute vertreten. Das ist also ganz banal.
Das ist auch kein rein türkisches Ding, wirkt sich aber in der aktuellen Situation auf uns aus. Daher ist es legitim, Erdogan und, wie Du sagst die "Schäfchen" aber auch die Positionierung der Bundesregierung zu kritisieren.
Kritik ist Kritik. Jeder muss das aushalten und es gilt für jederman. Aber Leute als Schäfchen anzusehen, sie als rückständig anzublicken, nur weil diese eine andere Position verteidigen, ist keine Kritik. Das ist schlichtweg Arroganz und schlimmer noch, Beleidigung. Und das ist rückständig, wenn man nichts auszusagen hat und sich auf Beleidigungen stützen muss... Keiner von uns ist etwas Besonderes und alle haben die Gabe nachzudenken.