OMaOle schrieb:
Letztlich zeigt das Beispiel doch aber, dass es notwendig ist über die allgemeine Rechtspflege in unserem Land nachzudenken.
Um beim Nachdenken ein wenig zu helfen, melde ich mich doch noch einmal:
Die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe ist in § 57 a StGB geregelt. Mit dieser Vorschrift, die durch das Zwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz vom 8. Dezember 1981 in das Strafgesetzbuch aufgenommen wurde und seit dem 1. Mai 1982 in Kraft ist, ist der Gesetzgeber einem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen.
Der verfassungsrechtliche Hintergrund ist folgender:
Das Spannungsverhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft hat das Grundgesetz im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person ent-schieden, d.h. daß der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte zur Sicherung von Gemeinschaftsgütern hinnehmen muß. Vor diesem Hintergrund ist es trotz des Freiheitsgrundrechts nach Art. 2 Abs. 2 GG der staatlichen Gemeinschaft nicht verwehrt, sich gegen einen gemeingefährlichen Straftäter auch durch einen lang andauernden Freiheitsentzug zu sichern. Das heißt, die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zum Schutz der Allgemeinheit ist grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar.
Nach der Meinung unseres Verfassungsgerichts erfordern die Garantie der Menschenwürde und das Rechtsstaatsprinzip aber auch, daß ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter eine konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance haben muß, zu einem späteren Zeitpunkt seine durch Art. 2 Abs. 2 GG garantierte Freiheit wiedergewinnen zu können. Und genau zu diesem Zweck wurde der § 57 a in das StGB eingeführt. Er ermöglicht die bedingte Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach Verbüßung der durch die besondere Schuldschwere bedingten Zeit und setzt voraus, daß diese unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann.
Es ist immer wieder die allgemeine Meinung zu hören, daß zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte grundsätzlich bereits nach 15 Jahren wieder aus dem Vollzug entlassen würden. Das ist ein totaler Quatsch. Die Anforderungen des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. StGB führen in der Realität zu einem außerordentlich lang dauernden Freiheitsentzug - gegebenenfalls bis zum Lebensende. Denn soweit die lebenslange Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld gebotenen Zeitraum hinaus vollstreckt wird, weil eine Strafrestaussetzung wegen fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten ausscheidet, ist dies verfassungsgemäß und gerichtliche Praxis.
Zu beachten ist auch, daß sich die Entscheidung nach § 57 a StGB allein auf der Prognose für ein künftiges straffreies Leben in Freiheit begründet. Öffentliche Forderungen nach Entschuldi-gungen oder sonstigen Reuebekundungen wirken im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Abwägung der Grundrechte des Verurteilten und dem Schutz der Allgemeinheit nur lächerlich.
Ich bin sicher, daß sich die Richter des OLG Karlsruhe ihrer Verantwortung bewußt waren und sie in ihre Entscheidung Kenntnisse einbeziehen konnten, die den „außenstehenden Experten „ nicht bekannt sind.