EVGA zieht doch jetzt nicht die Reißleine, weil sie aktuell Verluste einfahren. Das Kind ist hier längst in den Brunnen gefallen. Auch ist der Fokus unternehmerischen Handelns nicht der jetzige Zustand, sondern die Erwartungen, wie sich das Geschäftmodell zukünftig entwickeln wird.
EVGA interpoliert also die bisherigen Veränderungen in der Vertragsgestaltung, die nVidia durchgesetzt hat und kommt für sich zu der Überzeugung, dass sie in absehbarer Zeit kein tragfähiges Geschäftsverhältnis mit nVidia haben können. Empfindlichkeiten, wie fehlende Wertschätzungen, sind hier nicht der treibende Grund, sondern kommen jetzt eben auch mit auf's Tapet.
Spontan fallen mir hier folgende Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit ein, die das Geschäftsmodell der Boardpartner einschränkt, indem deren Möglichkeiten der Marktteilnahme verringert und gestört werden.
1. Einschränkung der Customdesigns
Boardpartner werden durch restriktive Vorgaben seitens nVidia in der Entwicklung ihrer Produkte eingeschränkt. Den Partnern ist es somit nicht mehr möglich, sich durch innovative Produkte voneinander abzuheben und dadurch einen Mehrwert gegenüber der Konkurrenz zu bieten. Das betrifft Speicherausbau und Speichermodell, genaue Ausgestaltung der Modelle und, als jüngstes Beispiel, die Powerlimits die nicht mehr frei gewählt werden dürfen.
2. Chip und Speicher nur zusammen über nVidia
Boardpartner müssen inzwischen Chip und Speicher zusammen über nVidia kaufen. Früher war es für die bspw. möglich hochwertigeren oder einfach mehr an Speicher als von nVidia vorgesehen, zu verbauen. Dadurch Kontrolle und Abschöpfung von Margen, die früher bei den Herstellern lagen.
Exemplarisch einige Modelle der Vergangenheit, die mit der aktuellen Firmenpolitik nicht mehr möglich wären.
- Leadtek Winfast GeForce 2 Ultra mit 4ns DDR-Ram (statt 4,6ns)
- MSI GeForce 4 Ti 4200 mit 128 MiByte RAM (statt 64 MiByte wie bei GF4 Ti 4200 vorgesehen)
- Asus Mars II mit zwei GF110-GPUs im SLI auf einer Karte
Durch diese Vorgaben schränkt Jen-Hsun Huang die Freiheit der Partner ein, die "ach Wunder was" sich kaum noch vom nVidia-Referenzdesign unterscheiden. Konsequenterweise schätzt er die Leistung der Boardpartner gering, da diese ja weitestgehend das umsetzen (dürfen), was nVidia entwickelt hat.
3. nVidia wird selbst Grafikkarten-Hersteller
Wahrscheinlich der größte Eingriff in den Markt und durch die vorherigen Schritte flankiert. Früher nur bei den nVidia Quadros üblich, die meistens von PNY im Auftrag und auf Rechnung von nVidia gefertigt wurden. Jetzt sukzessive der Eintritt in den Endkundenmarkt:
Pascal
nVidia bot exklusiv, da früher als den Boardpartner erlaubt, eigene Karten an. Preis war noch oberhalb des eigenen MSRP und die Karten wurden nur am Anfang angeboten.
Turing und Ampere
nVidia bietet die Karten nun über die gesamte Lebensdauer zum MSRP an, was die Preisgestaltung der Boardpartner massiv einschränkt. Mit Ampere wird nVidias Engagement ernsthafter und man übervorteilt(!) seine Boardpartner, indem man beide Rollen (Vendor und Chiphersteller) zunehmend verwischt.
Der hohen Nachfrage zum MSRP von Ampere wird durch die Ti-Modelle entsprochen, indem man hier deutlich aufschlägt. Der MSRP wird hoch ansetzt und die Hersteller decken sich zu diesen Konditionen ein. Dann bricht die Nachfrage unvorhersehbar, da Resultat der Abwertung der Crypto-Währungen, zusammen und nVidia, wie auch die Boardpartner, sitzen auf den georderten Beständen. Aussitzen ist keine Alternative, da nVidia bereits die 40er Generation in der Queue hat und AMD zeitnah Produkte vorstellen wird. Also nutzt nVidia seinen "Einkaufsvorteil" als Vendor und senkt die Preise auf ein für sie noch akzeptables Niveau, um die Altlasten loszutreten. Alle Boardpartner, die vor der Senkung des MSRP eingekauft haben, sind im Wettbewerbsnachteil und machen Verluste. Weil nVidia durch ihr größeres Engagement als Vendor viele Karten gefertigt hat, drücken sie die Preise massiv.
Fazit
Mit dem Vendor nVidia ist also ein neuer Teilnehmer auf dem Markt, der dauerhaft agiert und einen Wettbewerbsvorteil hat, der von den Boardpartnern nicht aufgefangen werden kann. Dieser Vorteil besteht aus den niedrigeren Kosten für die GPUs, die nVidia als Vendor und Chiphersteller hat. Nicht aufgefangen werde können diese durch strikte Vorgaben des Chipherstellers nVidia, die es den Boardpartnern unmöglich machen einen großen Mehrwert zu generieren.
Das ist ein Spiel, dass die Boardpartner nicht gewinnen können. Mich würde wundern, wenn hier nicht zeitnah andere Hersteller EVGA folgen würden.