Ich find's ein wenig amüsant, wie lange man sich zum Thema Politik debattierend fast die Rüben runterreißen kann.
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Man muss sich nur mal klar machen, dass die demokratischen Parteien alle nicht radikal sind, ebenso wenig sind sie dumm - sie vertreten doch nur unterschiedliche Interessengruppen, bzw. Meinungen.
Wirtschaftsliberale wählen
FDP - sie werden von
CDU Anhängern als etwas zu brauseköppig angesehen aber ansonsten als koalitionsfähig betrachtet. Von
Links betrachtet sind es verabscheuungswürdige Götzendiener, Marktradikale ohne soziales Gewissen. Von den
Grünen aus, von der
SPD ein bisschen weniger, sind sie nicht radikal, lassen aber sowohl ökologisches, als auch soziales Gewissen vermissen.
Die
CDU ist bodenständig und fest mit der Wirtschaft verwurzelt, verfügt aber über genug soziales Verantwortungsbewusstsein, um eine größere Masse hauptsächlich konservativer Wähler zu binden. Die
Linken vermuten geldgeilen Amigo-Mief, die
SPD betrachtet die konservativen als zu altbacken und muss die CDU schon kritisieren, weil es der größte politische Widersacher ist. Die
FDP sieht den etwas zu starren Bruder im Geiste und die
Grünen erinnern sich wütend an die alten Zeiten, als ein turnschuhtragender Josef Fischer von den staubigen Grauhaarträgern naserümpfend und abschätzig von oben herab behandelt wurde, obwohl dieser Kerl dreimal so klug war, wie fast alle aus den eigenen Reihen.
Die
SPD ist zerrissen, will sie doch von allem ein bisschen sein. Wirtschaftsfreund, ohne das soziale Netz zu gefährden, Arbeiter- und Gewerkschaftsnah, ohne die Bosse zu verprellen, ökologisch ohne wirtschaftliche Notwendigkeiten zu gefährden. In letzter Zeit ist sie viel eher
CDU-Spiegel als sie selbst zu sein, das kann sich mit einem linkeren Kanzler als Schröder aber jederzeit wieder ändern. Viele Genossen sind vom Machtmenschen Schröder verprellt, sehen ihre Ideale verraten - einer, der es früher am ernstesten meinte und mit Herzblut dabei war, ist gar geflüchtet. Ins Lager der
Linken, das sich nur bilden konnte, weil die SPD von ihrem angestammten Platz aufgestanden ist, um sich drei Stühle weiter rechts wieder zu setzen. Die
CDU weiß eigentlich, dass die SPD nur den Weg beschritten hat, den Kohl sich einzuschlagen nicht getraut hat, war's doch gerade so schön gemütlich. Jetzt wird die vorher kritisierte Politik in verschärfter Form weitergeführt. Die
FDP wettert, weil sie halt opponieren muss - im Grunde ist sie aber lange schon koalitionsfähig. Die
Grünen haben in der traditionellen SPD den Wunschpartner - die neuere SPD betrachten die meisten jedoch nur aus Zweckoptimismus nicht mit einem Naserümpfen.
Die
Grünen sind heute fast schon eher Makro-Ökonomen als Ökologen - sie betrachten die Welt ganzheitlicher, die Umwelt verantwortlicher, die Zeit respektvoller, die Wirtschaft kritischer, als es allen anderen Parteien lieb ist -
FDP und CDU haben Angst, die Wirtschaft bekäme bei zu viel Umwelt zu wenig den Bauch gepinselt, die Reichen zu wenig vom Kuchen und wenn das Ausland mit der Umwelt ferkelt, warum sollte Deutschland sich besser benehmen. Das Grüne Gewissen steht dem Großteil der Genossen von der
SPD recht gut. Die
Linken betrachten die alten Brüder mit Respekt aber auch mit etwas Häme, hat sich die Fundipartei des Turnschuhfischers doch zu wirtschaftsnäheren Realos entwickelt.
Die
Linken sind keine Kommunisten und auch keine Träumer - dazu sind Bisky und Gysi viel zu klug. Sie wollen die Gesellschaft zwei Schritte nach links rücken und fordern deshalb lauthals fünf Schritte. Altes Prinzip des Feilschens. Willste fünf Euro für die Schallplatte auf dem Flohmarkt kriegen, verlange zehn. Die
FDP reißt über so viel Dreistigkeit schockiert die Augen auf, die konservative
CDU vermutet die Rückkehr des Zarenreichs und die
SPD muss sagen, dass die Linken Kommunisten sind, damit keiner merkt, dass diese nur einen Stuhl links neben dem sitzen, wo die SPD traditionell eigentlich hingehört. Die
Grünen müssen als Realos vorsichtig sein, die Fundis grüßen derweil freundlich rüber.
Und da wundert ihr Euch, dass hier jeder Zweite die Meinung jedes anderen Zweiten für verrückt hält?
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Ich finde ehrlich gesagt die Vehemenz enttäuschend, mit der einige straight die Linie "ihrer" Partei nachfahren, obwohl sie doch gar kein Parteibuch tragen. Dabei verliert man doch viel zu schnell den Blick über den Tellerrand, Jungs. Jede Partei hat zwei Pünktchen, wo sie doch eigentlich mit der eigenen Meinung übereinstimmt. Statt die guten Punkte zu suchen und sie sich zu eigen zu machen, werden nur die Haare aus der Suppe gefischt. Wenn die Grundchemie nicht stimmt, sieht man die Fliege an der Wand...
Mein Kompliment geht deshalb an diejenigen, die es schaffen, die "anderen" mit Respekt und nicht als Dummdödel zu betrachten - schließlich bewegen wir uns alle als Demokraten durch die Welt. Wir schauen nur aus verschiedenen Perspektiven.
Liebe Grüße
marxx