derMutant schrieb:
Hier streiten sich die Geister, bzw. trau ich mir nicht zu dies zweifelsfrei in die eine oder andere Richtung zu vertreten, da ich KEIN Virologe bin
Zweifelsfrei vertreten kannst du es nicht - gänzlich einig ist sich ja auch die Wissenschaft nicht.
Aber: So große Uneinigkeit über die Schwere der Erkrankung, wie du es in der Folge darstellst gibt's meiner Meinung nach nicht. Auch Streeck sagt nicht, dass alles völlig harmlos ist. Und auch Drosten bezeichnet es nicht als Killer-Virus. Zu den Alternativen später mehr.
derMutant schrieb:
Im Kern geht es um die Frage: Ist dieses Virus gefährlicher als herkömmliche Viren?
Jetzt müssten wir klären, was du mit "gefährlicher" meinst? Bei mir persönlich hat sich durch die Gesamtheit der Berichterstattungen und Expertenmeinungen, die so auf mich niederprasseln folgendes Bild verfestigt:
1) Die Gefahr für den Einzelnen - so er denn nicht einer Risikogruppe angehört - ist nicht groß.
2) Die Ausbreitungsgeschwindigkeit stellte sich zumindest am Anfang so groß dar, dass man eine Überlastung der Gesundheitssysteme fürchten musste, sollten zu viele Personen gleichzeitig erkranken.
Punkt 2) - so mein Eindruck - war dabei von Anfang an für die Politik wesentlich eher maßgeblich als Punkt 1). Und er kann relativ unabhängig von Punkt 1) richtig oder falsch sein.
derMutant schrieb:
und die Virologen die ich aus dem Fernsehen oder den sog. alternativen Medien kenne oder dazu gehört habe sich diametral widersprechen.
Ob die sich tatsächlich so diametral gegenüberstehen, hab' ich ja oben schon angezweifelt. Für mich stellt sich allerdings gerade bei manchem Experten aus den alternativen Kanälen schon die Frage, ob die nicht auch ein Laie mit etwas mathematischem Sachverstand durchaus begründet in der Sache kritisieren darf.
Beispiel: Prof. Dr. Bhakdi und sein offener Brief, bzw. sein Interview bei KenFM.*
Der Prof. Dr. Bhakdi nennt darin
diese Studie als zentral für seine Argumentation. Bei KenFM bezeichnet er sie sogar sinngemäß als die einzig "wissenschaftlich zwingende" Schrift zu der Sache.
Darin soll die Mortalität von SARS-CoV-2 mit der anderer Coronaviren verglichen werden. Sie ergibt sich zu 1,3 % und wird als Quotient von Verstorbenen (Zähler) und bestätigten Fällen (Nenner) bestimmt.
Dort trägt dann Deutschland 157 Fälle zum Nenner und 0 zum Zähler bei. Australien 30 zum Nenner und einen zum Zähler, Österreich 18 zum Nenner und 0 zum Zähler, ..., sogar Estland darf noch den einen bestätigten Fall mit dazu werfen.
Die rechnen nämlich mit den Zahlen bis zum 2. März. Da war schon bekannt, dass zwischen Infektion und Tod 3 - 4 Wochen vergehen - trotzdem tragen ein Großteil der Länder zwar ihre kumulierten bestätigten Fälle seit Beginn der Testungen vor 1 - 2 Wochen munter bei - die Studie verrät uns allerdings nicht, wo diese Länder in diesen 1 - 2 Wochen bereits hätten Tote her haben sollen.**
Die Mortalität von herkömmlichen Coronaviren geben sie übrigens mit 0,8 % an, nach der selben Berechnungsmethode. Der Unterschied: Die Zahlen für die herkömmlichen Coronaviren erstrecken sich über Jahre, so dass jeder Infizierte, der den Nenner aufbläht auch bereits die Gelegenheit hatte zu sterben.
Im Prinzip betreiben die also das gleiche Guesswork wie das RKI, wenn stumpf die Toten/Meldefälle als Kennzahl herangezogen wird. Nur wird die Zahl beim RKI halt in den Augen der Kritiker irgendwo zwischen "wertlos" und "weltverschwörerisch" verortet, während die gleiche Berechnungsmethode - die bestenfalls zufällig eine korrekte Schätzung liefert - als Zitat vorgebracht von Prof. Dr. Bhakdi von den selben Leuten als "wissenschaftlich zwingend" gefeiert wird. Zumindest beim RKI - welches ich keinesfalls für unfehlbar halte - kommuniziert man die Tendenz der Methode, die tatsächliche Gefahr zu überschätzen allerdings recht deutlich. Ich glaube ehrlich nicht, dass da nach Veröffentlichung der Heinsberg-Studie Panik ausgebrochen ist, weil man plötzlich festgestellt hat, dass es doch weniger wild werden könnte.
Die Studie geht auch nicht auf die Dunkelziffer ein. D.h., theoretisch könnten alle existenten Fälle zum SARS-CoV-2-Nenner beigetragen haben, aber nur jeder tausendste Fall zum Nenner der anderen Coronaviren.***
Das ist zwar mit Sicherheit nicht der Fall, aber vor dem Hintergrund davon zu sprechen, dass die Studie
zwingend nahelegt, dass SARS-CoV-2 individuell nicht gefährlicher ist als andere Coronaviren halte ich für - mit Verlaub - Unfug.
In der Folge reitet er dann noch auf der Auslastung der Krankenhäuser zum damaligen Zeitpunkt rum. Das kann man nur für ein Argument halten, wenn man davon ausgeht, dass sie sich gar nicht erhöhen kann.
Seine Sorge scheint im Allgemeinen zu sein, dass Deutschland einfach dem Druck durch die Maßnahmen überall auf der Welt blind gefolgt ist. Diese teile ich ausdrücklich.
Den Rest der Argumentation halte ich für eher so lala.
*Der gute Ken hat in seinem Leben glaube ich noch keine nicht-suggestive Frage gestellt. Aber schon witzig, zu was für undifferenzierten Urteilen über Kollegen sich dann selbst so ein hochdekorierter Mensch wie der Bhakdi hinreißen lässt. Aber das nur am Rande.
**Naja, doch. Eigentlich tun sie das schon: "Of course, the major flaw in this study is that the percentage of deaths attributable to the virus is not determined, but this is the case for all studies reporting respiratory virus infections, including SARS-CoV-2." Ob die Annahme, dass die Methode bei allen relevanten Viren die gleiche Verzerrung hat, so ohne weiteres haltbar ist, weiß ich nicht. Bei genauerem Lesen stelle ich gerade auch fest, dass sie nicht mal darauf abheben, dass Todesfälle noch nachschleppen könnten, sondern sich lediglich auf die Frage, ob jemand an oder mit XY verstorben ist beziehen.
***Sollten die aber alle tatsächlich nur 'nen Schnupfen machen, frage ich mich schon, ob wir da wirklich 'nen nennenswerten Anteil der Infektionen im Labor bestätigen. Die Studie spricht allerdings davon, dass bei Infektionen mit herkömmlichen Coronaviren gezeigt werden konnte, dass es mindestens gleich viele asymptomatische wie symptomatische Patienten gibt. Bei der aktuellen Welle liegen die Schätzungen ja so zwischen 20 und 40 % - also tendenziell geringer.