Damien White schrieb:
Selbst Tschernobyl und Fukushima sind, global gesehen, nur lokal stark begrenzte Verunreinigungen.
Sicherlich sind sie das.
Allerdings erweckt die ständige Erwähnung nur zweier Reaktorunglücke den Eindruck, KKWs wären "ziemlich sicher" (wenn sie nicht gerade in Russland gebaut wurden).
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Unfällen_in_kerntechnischen_Anlagen
Diese Liste vermittelt allerdings einen etwas anderen Eindruck.
Die meisten davon sind nicht ansatzweise so krass, wie die beiden genannten ... aber bei der Kernschmelze im TMI-Kraftwerk (USA 1979) kann man garnicht genau sagen, wie viel Strahlung tatsächlich frei geworden ist ... die entsprechenden Messgeräte gab es damals nämlich noch nicht, und man hat meist einfach den Wert angegeben, den die damaligen Geigerzähler angezeigt haben ... die haben an einigen Stellen bis zum Anschlag ausgeschlagen ... und sind nur deswegen dort stehengeblieben, weil sie eben nicht weiter gingen.
Die Strahlendosis kann 2, 5, oder auch 100 mal höher gelegen haben, als damals gemessen wurde, es wäre einfach nicht aufgefallen.
Man hat die Umgebung viel zu spät evakuiert, und damit viele Strahlenschäden in kauf genommen. Primär scheinbar, um das Image der Kerntechnologie nicht zu gefährden.
Erst Jahre später, als der Reaktor geborgen wurde, wusste man, was da wirklich passiert war. Kernschmelze mit Wasserstoffexplosion ... das Ding ist nur nicht gleich in die Luft geflogen, wie die beiden oben genannten, aber ansonsten ist da fast das gleiche passiert.
In Fukushima werden noch immer die oberen paar Meter Boden weggebaggert.
Und die Gegend um Tschernobyl wird wohl noch ein paar Jahrzehnte unbewohnbar sein.
Ein paar Jahrzehnte ... nehmen wir die von 1970 - 2020 (50 jahre sind nicht viel). In diesem Zeitraum verzeichnet die Liste 17 Störfalle der Kategorie 3 und höher auf der INES -Skala (Tschernobyl und Fukushima waren Kategorie 7 und wenn das Ding hochgegangen wäre, dann hätte auch Three Mile Island in diese Kategorie gehört und wäre als erster SuperGAU in die Geschichte eingegangen).
Wir haben nur zwei ehemalige Kernkraftwerke mit einer echten "Todeszone" drum herum ... aber eine ganze Menge Störfälle, die noch heute für Mutationen und vorzeitige Tode verantwortlich gemacht werden können.
Bei Windscale Park (Sellafield) ist es nur eine stark erhöhte Leukämierate ... aber auch die wird auf die Störfälle in diesem Kraftwerk zurückgeführt.
Aber es wurden mit der Zeit immer weniger ... und daraus wird in jedem Jahrzehnt erneut eine höhere Sicherheit der moderneren Anlagen hergeleitet ... dabei wird aber oft vergessen, dass einige der Kraftwerke von der Liste kurz danach wieder in Betrieb gingen ... und in einigen kam es sogar recht schnell wieder zu schweren Störfällen. Zum Beispiel Windscale Park (GB), Doel (Belgien) oder Belojarsk (UdSSR) - um nur einige zu nennen - tauchen in der WIkipedia-Liste mehrmals auf ... Tschernobyl nebenbei auch.
Zum Thema "russische Bauart" (das todschlagargument nach Tschernobyl):
Von den 34 Störfällen auf dieser Liste fanden 22 NICHT in der Einflusssphäre der UdSSR statt.
Die USA liegen da schon ohne Einflusszone knapp drüber (13 von 34), aber die waren auch die ersten, die AKWs für mehr Atombomben brauchten.
Und die Kraftwerke sind nichtmal dass einzige Problem ... ich bin mir unsicher, wann das Gelände wieder gefahrlos bewohnbar wird, auf dem die Spaltmaterialien für Los-Alamos angereichert wurden.
Leider finde ich eine solche Grafik nicht wieder (ich habe sie nur einmal in einer Ausstellung zum Thema globales Strahlungslevel gesehen), aber da wurde eine Kurve gezeigt, die das globale Strahlungslevel darstellen sollte ... es gab einen Peak bei Tschernobyl (1986) ... aber daneben gab es einen dicken und tatsächlich etwas höheren Berg zwischen 1950 und 1970.
Es kann sein, dass das die Folgen der oberirdischen Atomtests waren ... aber ich denke, die vielen Störfälle in den ersten paar Reaktorgenerationen spielten dabei auch eine gewisse Rolle.
Ich halte es für ziemlich dumm, zu dieser Technologie zurückzukehren.
An fossilen Energieträgern (Öl, Gas, Kohle) festzuhalten, ist mMn aber eben nicht wirklich "intelligenter".
Mit AKWs schaffen wir das Risiko, verstrahlt zu werden ... mit Kohle haben wir die Gewissheit, das sich die Umwelt sehr krass verändern wird ... Venus lässt grüßen (da gab es auch einen starken Treibhauseffekt, der - anders als auf der Erde - nicht bei angenehmen Temperaturen für Goldlöckchen stoppte).
Beides sollte man nach möglichkeit lassen ... technisch haben wir die Möglichkeit. Sie erscheint uns nur zu teuer und zu unbequem.
Bei Kohle zu bleiben, wird aber langfristig noch viel teurer und unbequemer.
AKWs hinterlassen ebenfalls Ewigkeitskosten, die man sich sparen kann, wenn man nur endlich in den Ausbau einer Speicherinfrastruktur investieren WOLLEN würde.
Im Vergleich zur weiteren Aufheizung der Atmosphäre ist Atomkraft tatsächlich eine "etwas" bessere Alternative ... aber auch die langfristigen Folgen nachhaltiger Verstrahlung (z.B. durch die Lagerung) sind eigentlich nicht wirklich abzusehen.