m3rch3r schrieb:
Da kann ich dir nicht folgen. Vor den modernen Amendments war die völlige Redefreiheit ein Grundpfeiler der USA. Ohne direkte Demokratie bleibt die Meinung des Volkes eine Unbekannte.
Zweifellos gibt es auch in den USA zahlreiche Wähler, die den neuen Gesetzen zur "Hassrede" zustimmen. Aber zweifellos, gibt es auch zahlreiche Wähler, welche diesen vehement widersprechen. Ein demokratischer Staat sollte im Sinne des Volkes agieren. Wenn Wahlversprechen nicht eingehalten werden und die Verfassung nahezu ohne Einwirkung des Volkes geändert wird, dann darf das selbstverständlich laut und deutlich in Frage gestellt werden. Wenn der Bürger für jede "unwahre" Aussage auf dem Marktplatz rechtlich belangt werden kann, dann läuft etwas gewaltig falsch.
Kritisieren wir nicht exakt für solches Verhalten Diktatoren? Ich finde weniges eindeutig unmoralischer, als andere zu kritisieren und selbstgefällig nahezu identisch zu handeln.
Ergänzend hierzu...
mischaef schrieb:
Wenn ich eine Lüge verbreite, dann gebe ich diese als Fakt aus - eine Meinung kann nicht lügen. Nur ist das dann keine Meinung mehr, sondern eine Tatsachenbehauptung, die eben nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?
...möchte ich folgendes anbringen:
Es ist ein großes Problem, dass in der englischen Sprache Meinungsfreiheit
Freedom of Speech heißt. Das lässt die Verwechselung von Meinungsfreiheit damit, dass deshalb jeder irgendetwas
einfach so sagen dürfte, leicht zu. Und genau das ist nicht der Inhalt. Meinungsfreiheit bedeutet, dass
Ideen und Meinungen frei geäußert werden dürfen und nicht etwa, dass
uneingeschränkt gebrabbelt oder gelabert werden darf. Denn das sorgt dafür, dass alles sonst in einem Schwall an Klumpatsch untergeht. Und nein, vor irgendwas ein
also ich meine zu setzen, sorgt nicht dafür, dass daraus plötzlich eine
Meinung wird. Oder, in Anlehnung an die klassische und schwer zuordenbare US-amerikanische Redewendung: Die Freiheit zu sprechen endet dort, wo das Ohr oder Hirn von anderen angegriffen wird. Das ganze muss Gehalt haben, es muss frei von logischen Fehlern sein und sich insbesondere an Feedback insofern anpassen, als dass wenn nachgewiesen wird, dass etwas ganz oder teilweise nicht stimmt, dass dann das Ganze oder Teile dementsprechend angepasst werden.
Wenn man solche Grundsätze ignoriert, untergräbt man Meinungsfreiheit in ihren Grundfesten. Das wird oftmals nicht verstanden. Die damit verbundenen Gefahren werden nicht gesehen.
Um mal ganz praktisch zu werden:
Wenn im Rahmen von politischen Ideen durch Person A davon gesprochen wird, dass etwas
alternativlos sei und danach wird erfolgreich mit den gleichen Prämissen wie von Person A durch Person B eine
Alternative gebaut, dann ist ein erneutes in den Mund nehmen des Wortes
alternativlos durch Person A in diesem Kontext nicht mehr durch Meinungsfreiheit gedeckt. Es dürfen Gesetze erlassen werden, die eine derartige Wiederholung beliebig (im Rahmen anderer verfassungsrechtlicher Grundsätze, versteht sich) sanktionieren.
Das gleiche gilt auch, wenn Person A von
nicht realisierbar spricht und Person B führt es vor. (nicht nur in politischen Kontexten, sondern auch in wissenschaftlichen Kontexten und so weiter)
Oder wenn Person A behauptet, dass ein Erfolg (z.B. ein wirtschaftlicher) nur auf ihr Handeln oder das ihrer Firma / Partei / sonst etwas zurückführbar sei und Person B darlegt, dass auch eine andere Erklärung möglich ist, dann ist eine Wiederholung der Behauptung nicht durch Meinungsfreiheit geschützt.
Bei nahezu jedem, der diese Zeilen ließt, sollten Erinnerungen an die letzten Jahrzehnte Bundes- und Weltpolitik hochkommen. Es geht dabei wohlgemerkt nicht um persönliche Wahrnehmung, sondern um Logik.
Natürlich kann auch bei fehlendem Schutz durch Meinungsfreiheit etwas ausgesprochen werden. Aber insbesondere in Parlamenten, in Wissenschaft, im Journalismus und ähnlichen Bereichen sollte eben peinlichst genau darauf geachtet werden, dass Logik an erster Stelle steht. Dass Vorschläge, Konzepte, die widerlegt wurden, eben auch nicht immer und immer wieder eingebracht werden, sondern dieser Klumpatsch gut dokumentiert wird, damit jedem Neueinsteiger klar ist: Das ist Klumpatsch.
Manchmal kann es reichen, dafür nur mal endlich genügend anzusprechen, dass der Bullshit aufhören muss. Manchmal kann es aber auch so weit gehen, dass tatsächlich Strafen für das Wiederbeleben von widerlegten Aussagen ausgearbeitet werden müssen, um damit Meinungsfreiheit gewährleisten zu können.
Oder, als tl;dr: Spam ist nicht von Meinungsfreiheit geschützt und Spam gefährdet insbesondere Meinungsfreiheit.