Das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum“ der WTO (= TRIPS -Abkommen) regelt international die rechtlichen Mindestanforderungen vor allem in den Bereichen Urheberrecht, Markenrecht, Patentrecht und Lizenzrecht. Die Umsetzung der darin enthaltenen Bestimmungen in nationales Recht (Ratifizierung) ist Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der WTO.
Zwei wichtige Streit- und Kritikpunkte rund um das TRIPS-Abkommen sind die Software-Patente (siehe z. B. das 1-Klick-Patent von Amazon) und die Bedeutung von Patenten bei der „Aushöhlung des öffentlichen Gesundheitswesens“ in Afrika. Der zuletzt genannte Punkt zielt insbesondere auf den Mangel an Medikamenten zur AIDS-Bekämpfung ab. Seit November 2001 liegt eine erläuternde Stellungnahme zum TRIPS-Abkommen vor. Demnach sollen Staaten aufgrund dieses Abkommens nicht daran gehindert werden, „Krisen im öffentlichen Gesundheitswesen zu bewältigen“. Man darf natürlich vermuten, dass die Pharma-Konzerne ein Interesse daran haben, die Bedeutung dieser Erklärung für die Praxis nach Möglichkeit abzuschwächen.
Nun geht es bei den Gesundheitsthemen in Afrika nicht nur um AIDS. Und hier melden sich wiederum andere Kritiker. Sie verweisen darauf, dass die Mehrzahl der Medikamente mittlerweile nicht mehr unter den Patentschutz fällt und dennoch nicht überall in Afrika in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Die Gründe dafür werden gleich mitgeliefert- Zum einen die oft fehlende Infrastruktur, die es verhindert, einen Großteil der Bedürftigen zu erreichen. Zweitens die grassierende Korruption. Es besteht die berechtigte Sorge, dass vergünstigt überlassene Medikamente nicht bei den Patienten in den Entwicklungsländern ankommen, sondern in andere Länder exportiert werden, wo sie dann die Absatzmärkte zerstören. Darüber hinaus sticht immer das Argument, dass sich private Forschung und Entwicklung rentieren muss. Die Argumentation, dass genügend Gewinne gemacht werden, greift zu kurz. Denn es gibt zum einen keine Gewähr für erfolgreiche Forschungsergebnisse (siehe Krebsforschung, AIDS-Forschung), hier müssen also Investitionsrisiken einkalkuliert werden. Zum anderen – und das ist ein ordnungspolitischer Gedanke – kann man den Unternehmen schlecht vorschreiben, wie viel Gewinn „legitim“ ist und ab wann er zu hoch ausfällt. Wenn man an dieser Stelle intervenieren will, muss man ebenso eingreifen, falls ein Weltkonzern mal einige Mrd. Euro Verlust pro Jahr einfährt, was auch schon vorgekommen ist. Aber das wäre wiederum Subventionspolitik.
Ich glaube, dass sich die Industrienationen in Zukunft noch viel mehr für Afrika einfallen lassen müssen. Es ist auf der einen Seite zwar richtig und wichtig, einzelne Brandherde zu bekämpfen, aber diese Aktivitäten tragen kaum zu einer Gesamtlösung für Afrika bei. Wer kritisiert schon gerne Hilfsaktionen, wenn in Äthiopien eine Hungersnot herrscht? Wer widersetzt sich dem Kampf gegen die Al Kaida im zerrütteten Somalia? Wer begrüßt nicht das Eingreifen beim Völkermord der Hutu an den Tutsi in Ruanda? – Aber niemanden interessierte, dass Herr Mobutu als Präsident von Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) zwischen 1965 und 1984 ein Privatvermögen von ca. 4 Md. US-Dollar anhäufte, ein Betrag, der in etwa den gesamten damaligen Staatsschulden des Landes entsprach. Und als Idi Amin zwischen 1971 und 1979 in Uganda sein diktatorisches Unwesen trieb, war auch niemand zur Stelle. Aber so können die Europäer in Afrika keine Politik machen.
Staaten wie Frankreich scheinen überdies kein großes Interesse an einer Entwicklung des schwarzen Kontinents zu haben. Vielmehr wird dort die Kolonialpolitik der Vergangenheit mit moderneren Mitteln fortgesetzt. Als Beispiel dafür werden häufig die Zahlungen des ehemaligen staatlichen Mineralölkonzerns ELF an afrikanische Politiker genannt, die schon in den 1960er-Jahren ein Thema in der Presse waren. Die Gelder wurden für Wahlkämpfe und auch für Waffenkäufe zur Verfügung gestellt. Diesen Altlasten müsste man sich stellen.
Aber wollen die Industrieländer das überhaupt? Man denke nur an das Wettbewerbsrecht. In Deutschland haben wir das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das z. B. für das Kartellrecht wichtig ist. So sind Inlandskartelle, etwa für Preisabsprachen, im Regelfall verboten. Das gilt aber nicht für reine Exportkartelle. Zwar exportiert Deutschland bevorzugt in die EU, aber auch Entwicklungsländer zahlen womöglich mehr für Erzeugnisse als notwendig wäre.
Heftig gestritten wird über den Agrarsektor. So solle die EU ihre Märkte für die Produkte aus den Entwicklungsländern öffnen. Dabei muss man wissen: „Insgesamt kontrollieren die jeweils drei bis sechs größten Handelshäuser zwischen 85 und 90 Prozent des weltweit gehandelten Weizens und Maises und immerhin noch 70 Prozent des Reishandels.“ Solche Konzerne sind z.B. Cargills oder Louis Dreyfus. Die weltweiten Überschüsse entstehen nicht in den Entwicklungsländern, sondern vor allem in der EU, in den USA und in Kanada. Kaum ein Entwicklungsland erzielt heute einen Exportüberschuss beim Getreide, die meisten Länder sind heute und in absehbarer Zeit auf Importe angewiesen. Das ist für die Bewertung wichtig.
Wenn die Entwicklungsländer über hohe EU-Schutzzölle klagen, sollte man deren Entstehung nicht vergessen. In Europa lag die landwirtschaftliche Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden. Die Regierungen garantierten den Landwirten Mindestpreise und schützten sie mit Importzöllen. Erst ab Mitte der 50er-Jahre waren die EU-Staaten wieder in der Lage, sich selbst mit Lebensmitteln zu versorgen, was auch politisch gewollt war.
Den Entwicklungsländern, die im Schnitt ein Drittel ihrer Wertschöpfung aus der Landwirtschaft beziehen (EU: 5 Prozent), hilft diese Politik wenig. Das Problem wird dadurch verschärft, dass die industriell arbeitende Landwirtschaft in Europa nur noch 1,7 Prozent der Bevölkerung einen Job bietet, während in den Entwicklungsländern mehr als zwei Drittel der Menschen in diesem Bereich Arbeit finden.
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P.S. Zur Abgrenzungsprobematik zwischen Demonstranten und Krawallmachern empfehle ich den Spiegel-Artikel "BIEDERMÄNNER UND BRANDSTIFTER: Wie politische Naivität den Gewalttätern hilft".
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,486343,00.html