Naja. Darüber, wie problematisch der 28nm-Prozess anfangs war und ob er eine frühere Einführung der GK100/110 wirklich unmöglich gemacht hat, kann man ja auch nur wild spekulieren. Da steht also "Glauben" gegen "Glauben".
Ich
glaube, dass es eine Mischung war, aus technischen/wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Konkurrenzsituation, die Nvidia letztlich dazu gebracht hat, die Kepler-Big-Chips erst sehr viel später (für Consumer) zu vermarkten.
Klar wäre es problematisch gewesen, gleich mit den großen 500mm²-Chips zu starten. Das war es immer. Aber in früheren Big-Chip-Generationen hat das Nvidia nicht davon abgehalten es trotzdem zu tun, einfach weil sie es mussten, um AMD nicht monatelang im prestigeträchtigen High-End-Segment konkurrenzlos dastehen zu lassen. Der GF100 z.B. wäre sicher auch nicht (für Consumer) vermarktet worden, wenn der GF104 (GTX460) ausgereicht hätte, um die HD5870 zu kontern. Dann hätte Nvidia erstmal in Ruhe am Refresh (GF110) gearbeitet und sich das ganze Thermi-PR-Debakel erspart. Aber das gab die Konkurrenzsituation halt nicht her.
Dafür, dass der 28nm-Prozess außergewöhnlich problematisch war und die GK100/110 das ganze Jahr 2012 hindurch unmöglich gemacht hat, spricht eigentlich nichts. AMD konnte bereits Ende 2011 seine Tahiti-GPU-Flaggschiffe wie geplant bringen. Die sind zwar mit 365mm² nicht so groß wie die GK110, aber immer noch deutlich größer als die GK104, die Anfang 2012 ebenfalls in großen Stückzahlen vom Band liefen.
Die Serienproduktion der GK110 startete auch schon Mitte 2012, erstmal exklusiv für den Titan-Supercomputer, und Ende 2012 konnte sich jeder eine in einer Tesla-Karte kaufen. Nvidias Antwort auf die Frage nach der Ausbeute der GK110-GPUs war zu diesem Zeitpunkt
"yields are terrific" ( großartig). Aus dem Marketing-Sprech übersetzt dürfte das so viel heißen wie: "Mehr als ausreichend um genug GPUs für die Tesla-Karten zu produzieren und nebenbei noch was für den Marktstart der Titan zurückzulegen.".
Spätestens Mitte 2012 hätte Nvidia zumindest einen halben Paperlaunch mit Consumer-GK110-Karten hinlegen können, wenn es nötig gewesen wäre, um Tahiti zu kontern. Aber das war es nunmal nicht. Also dauerte es noch ein weiteres Jahr, bis mit der GTX780 halbwegs erschwingliche GK110-Karten für Consumer erhältlich wurden.
Je nachdem wie die Umstände es erfordern, wird es Nvidia bei Maxwell wieder ganz genauso halten.
Die Konkurrenz-Situation sieht für Nvidia schonmal relativ entspannt aus. Ich rechne nicht damit, dass AMD vor Ende des Jahres einen Hawaii-Nachfolger bringen wird, der GK110 klar übertrumpft. Eine Dual-Hawaii-Karte für Mitte des Jahres wird die Zeit bis da hin überbrücken. Aber das kann Nvidia auch locker mit der GTX790 (schon im Vorfeld) kontern.
Und wo es beim 28nm-Prozess wie gesagt eigentlich keine offensichtlichen Anzeichen dafür gab, dass er außergewöhnlich problematisch gestartet ist, gibt es die derzeit bei 20nm sehr wohl. Eigentlich wurde 20nm ja schon für die Hawaii-GPUs erwartet, aber AMD hat sich dann doch für 28nm entschieden. Auch Nvidia wird die GM107 jetzt nicht ohne Grund noch in 28nm bringen.
Vielleicht wird es nicht bis Mitte 2015 dauern, mit GM100/200-Consumer-Karten, aber sicher mindestens bis Anfang 2015. Bis da hin wird eine GM104/204-basierte GTX880 ausreichen. Es sei denn, Maxwell+20nm bringt nicht genug, damit so eine Performance-GPU-basierte GTX880 vor einer GTX780 landen würde. Dann könnte Nvidia vielleicht doch gezwungen sein, schon früher mit den Big-Chips zu kommen. Oder sie belassen es so lange bei GK110-basierten Hig-End-Karten. Dann wird z.B. die Titan Black in GTX880 umbenannt.