Askat86 schrieb:
... aber dafür sollte es schlicht in jedem Forum oder sonstigem Kommunikationsmittel eine ignore-Funktion geben (die ich übrigens bei CB etwas vermisse) ...
Ich bin prinzipiell gegen Ignore-Funktionen, die mehr als PNs betreffen, weil niemand ausschließen kann, dass ein Mensch, den man in zwei drei Diskussionen absolut verachtet hat, in anderen Diskussionen sehr sachdienliche, diskussionsfreudige, sinnvolle Beiträge verfasst. Ich bin zehn Jahre im ComputerBase-Forum und habe sowohl Grütze als auch Hervorragendes geschrieben
und gelesen, von mir
und von anderen Personen. Ich würde niemandem das Recht absprechen, sich zu bessern. Eine Ignore-Funktion für PNs, wie sie auf CB ja existiert, kann nützlich sein - man sollte aber die Ignore-Liste stets nur als temporäres Mittel einsetzen.
Askat86 schrieb:
... Im Netz zu diskutieren ist wichtig, aber auch wesentlich schwerer als es von Angesicht zu Angesicht zu tun. ...
Der These würde ich widersprechen, weil ich schon mehrere Menschen im Real-Life erlebt habe, die sich von Angesicht zu Angesicht exakt genauso verhalten haben. Die brauchen das als Selbstbestätigung - sie fühlen sich als etwas besseres, wenn sich innerlich gelassen bleiben können, während sie jemanden zur Weißglut treiben - wenn man vor denen richtig ausrastet sieht man auch, wie denen das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht weicht. Mit der Motivation ihrer Selbstbestätigung gehen die nicht nur in Internetthreads, sondern treiben auch Verkaufspersonal in Fachgeschäften, Bibliotheksangestellte usw. usf. in Verzweiflung nur, damit sie sich innerlich darüber amüsieren können, dass der "Kommunikation"spartner "zu schwach" für sie ist. Naja, seelische Gewalt wird in unserer gesellschaft zu wenig thematisiert - die Trolle fühlen sich ja im Recht, weil sie niemandem körperliche Gewalt antun - aber wenn man einem von denen mal den kleinen Finger quetscht verklagen die einen wegen Körperverletzung.
dcc22 schrieb:
Diskussionen lassen sich nirgends führen. Wer dies mal live in einem Raum mit 20+ Leuten versucht hat, der geht nur Kopf schüttelnd heraus. ...
Dito und wie du schon gesagt hast - wir haben die Hierarchie hier ja, nicht nur mit manuellem Freischalten, sondern auch mit sehr erfahrenen Moderatoren. Deswegen ist das "Trollproblem" in Technik-Communities wie CB auch nicht so schlimm, wie bei SZ, FAZ oder Heise.
Valerus schrieb:
... Sie haben ein Problem mit wirklich kritischen Meinungen. ...
Doch, da wurde schon auch sehr viel getrollt, die haben nur sehr viel weniger erfahrene Moderatoren, als z.B. wir hier. Wenn Informationen gelöscht worden sein sollten, die "ausnahmslos richtig" gewesen seien, dann wären die Quellen zu diesen Infomationen auch interessant - denn oftmals sind diese dann doch weitaus weniger richtig, als sie behaupten zu sein. Ich hab als Jugendlicher rechtsextreme Propagandaflyer en mass gesehen und wurde persönlich, aber nicht erfolgreich als Parteimitglied geworben. Ich weiß, wie Propaganda funktikniert und meist sind die Medien, die es besser wissen, als SZ und FAZ dumpfe Propganda. Wenn schon Alternativmedium, dann Heise/Telepolis, weil sich da die Artikelautoren auch teilweise gegenseitig kritisieren - anders als bei diversen Blogs, die behaupten den Tellerrand der "offiziellen" Medien (warum sind die Blogs eigentlich weniger "offiziell"?) damit zu zerschlagen behaupten, dass sie eine noch eingeengtere Sichtweise haben.
fatty_doodoo schrieb:
... die immer aggressiver agieren und wohl niemals so mit anderen umgehen würden, wenn sie ihren Klarnamen nutzen müssten.
Wie oben gesagt: Doch, Trolle verhalten sich im Real-Life manchmal genauso. Und siehe auch den FAZ-Artikel aus dem letzten News-Absatz: Der zeigt nicht nur seinen "Klarnamen", sondern ist mit Foto in der FAZ zu sehen, wie er auf seiner Couch sitzt.
fatty_doodoo schrieb:
... Und nicht zuletzt hat auch die Ukraine-Krise gezeigt, wie schnell das Medium Internet dazu missbraucht werden kann, tausende Menschen aufzustacheln und zu manipulieren.
Das funktionierte vor der Erfindung des WWW aber schon genauso wunderprächtig. Es hat eine lange Tradition, dass beispielsweise die Amerikanische Öffentlichkeit nach Krieg schreit, wenn irgendwo in der Welt irgendwas passiert, und die gleiche amerikanische Öffentlichkeit plötzlich nach Frieden schreit wenn dann der erste Soldat stirbt. Oder schau dir nur mal die Geschichte des Pro-Choice-Pro-Life-Krieges in den USA an - die bewerfen sich seit Jahrzehnten mit Steinen und haben früher auch kein Internet gebraucht, um Morddrohungen gegen Abtreibungsärzte zu verschicken und diese teilweise auch in die Tat umzusetzen. In den 60er Jahren wollte sich vor dem Büro von McNamara ein Quäker als Protest gegen den Vietnamkrieg zusammen mit seinem Kind selbst in die Luft sprengen - ganz ohne Internet.
fatty_doodoo schrieb:
... mittlerweile nutzen auch Extremisten vermehrt die Anonymität des Internets aus, um ihren Hass unters Volk zu bringen.
Ja, aber vor dem Internet gab es jede Menge Fluggblätter, die JN hat Rechtsrock-CDs auf Schulhöfen kostenlos verschenkt usw. usf. - die Anonymität verändert an den Erfolgsaussichten solcher Sachen wenig. Ich ging auf ein gehobenes Gymnasium, das sich die Aufklärung quasi auf die Fahnen geschrieben hatte und auch dort waren 20% dem Nationalfaschismus zugeneigte Sozialdarwinisten und 75% waren zwar offen "irgendwie links", hatten aber kaum verstanden, warum eigentlich - nur gefühlte 5% waren bereit wirklich aufgeschlossen alles (also auch die "Ich weiß es besser"-Löusungsvorschläge der Möchtegernaufklärerpropagandisten) zu hinterfragen und ihren Geist aufzuklären.
Unterm Strich denke ich, dass wir mit unserer Forumskultur hier eine enorme Chance haben, die Gesellschaft zu verbessern. Denn die Trolle waren früher genauso voreingenommen, wie heute - aber heute bekommen sie gelegentlich Gegenwind und nur wenige Trolle schaffen es, ihre Borniertheit ewig aufrecht zu erhalten.
w33werner schrieb:
... trotzdem hatten angeblich hunderte diesen Kommentar empfohlen..
Ich glaube die wichtigste CB-Reform, die CB in seiner gesamten Existenz jemals vollzogen hat, war die Abschaffung des Karma-Buttons. Diese "Empfehlungen" werden halt meistens danach angeklickt, ob man mit der Haltung übereinstimmt und nicht danach, ob diese Haltung Konsequent, logisch hergeleitet wird, oder einfach nur als nachgeplappertes Vorurteil gepostet wird. Sieht man auch bei dem in der FAZ vorgestellten troll - für ihn zählt als Beleg, dass er so viel Zustimmung erntet, obwohl das ja eben gerade kein Gültigkeitskriterium sein kann - es wird aber von den jeweiligen Forenautoritäten unterstützt, so zu denken, wenn man solche Karma-Buttons anbietet, weil das Forum als Instanz damit Offiziell der Quantität der Zustimmung Wert beimisst.
w33werner schrieb:
... Ich persönlich glaube das eine vernünftige Diskussion sehr schwierig über ein Forum möglich ist, denn wenn ein Gegenargument vorgebracht wird, logt die Gegenseite sich oft einfach aus und geht nicht näher darauf ein ...
Im Real-Life loggen sich Diskussionspartner mitunter genauso aus - weil man im Real-Life auch sehr selten Zeit für ausreichende Reflexion hat. Mit meinem partner kann ich uch im Real-Life mündlich ordentlich diskutieren, weil mein Partner das aushält, wenn ich eine Weile überlege. Mit meinen über 11.000 CB-Kommentaren als Erfahrung würde ich, ohne das allerdings zuverlässig untersucht zu haben, grob schätzen, dass Forendiskussionen häufig gerade dann schief laufen, wenn die Teilnehmer anfangen die Diskussion in Real-Life-Zeit führen zu wollen - obwohl man sich hier durchaus auch mal Tage Zeit lassen kann, um eine Antwort zu formulieren (die dann besser wird!). Es ist manchmal gar nicht so einfach, dem zu entgehen, weil auch andere Leute antworten und man das dann auch alles erstmal lesen muss (sollte!), um nicht eine Antwort zu geben, die in der Zwischenzeit jemand anderes schon sehr ähnlich gegeben hat und während man dem vorgreiffen will, überhastet man sich und unterschlägt in der Hast fahrlässig, ohne Böswilligkeit, wichtige Aspekte und versteht Sachen falsch. Das ist aber ein anderes Thema als die richtigen Trolle, die auch Trolle sein wollen.
Alles in allem finde ich, diese News ist mal ein Anlass für mich "alten Hasen", ComputerBase für die unterm Strich doch sehr gute Moderation zu danken. Wir waren uns nicht immer einig und auch ich war in den zehn Jahren schon öfter ein Zankapfel, aber rücklblickend würde ich sagen, ich wurde verwarnt, wenn es nötig war mich zu verwarnen und auch private Diskussionen zu diesen Verwarnungen haben mich weiter gebracht. Ich bin nach zehn Jahren ComputerBase ein erheblich besserer Diskutierender, als ich es vorher war, und das zeigt für mich ganz persönlich, dass, trotz der ganzen Unkenrufe gegen das Trolling im WWW, die Internetforen doch eine sehr gute Sache sind.
Und die "Anonymität" ist schon eine wichtige Sache. Wir haben hier Threads in "Politik und Gesellschaft", in denen beitragend zu den Diskussionen auch persönliche Erfahrungsberichte veröffentlicht wurden, die mit Realnamen niemals veröffentlicht worden wären. Internetgegner sagen dann zwar gern, dass dadurch jeder alles behaupten könne, aber die Alternative, dass eben wie im Real-Life jeder alles verheimlicht, ist ja auch nicht besser. Um mal ein Beispiel zu nennen: Das Global Drug Survey ist der erste Versuch in dieser Welt überhaupt an Daten zu "gesunden" oder unauffälligen Drogenkonsumenten zu kommen, auch wenn die (bisher) keine Möglichkeit für eine repräsentative Statistik haben, weil der Personenkreis, der sich davon angesprochen fühlt halt auch wieder speziell ist. Freie Diskussion für freies Denken braucht einen Hauch Anonymität und bei schlimmen Rechtsbrühen ist diese Anonymität im Internet ja schnell aufhebbar - siehe Verfahren wegen Volksverhetzung.