Na dann - schauen wir doch mal, wie es denn wirklich um die Diskussionskultur, auch hier auf CB, steht.
Artikel - nicht umfassend beleuchtet
Liest man die Überschrift, kommt bei mir sofort der "Oh ho - das könnte interessant sein. Schön, dass sich jemand die Mühe macht, das Thema mal zu untersuchen" - Effekt.
Ein Thema, was der ein oder andere versierte "Internetnutzer" schon hautnah erlebt hat. Ein umfangreiches Thema. Ein Thema, das unweigerlich Abgründe kennt und psychologische Aspekte mit sich bringt.
Bei der Gelegenheit möchte ich die militarisierte Wortwahl der Schlagzeile kritierieren - Krieg gegen die Trolle - ab 10 wird zurückgeschossen ...
Ein wenig enttäuschend ist es dann, wenn man feststellt, dass Max Doll hier eigentlich nur die gängigen Bilder und tagesaktuellen Meinungen aufgegriffen und keine so wirklich eigenen Gedanken entwickelt hat - zum Beispiel eine Meinung zur Situation hier auf CB wäre sicherlich lesenwert gewesen. Wer meint, das sei schlecht, der sollte im Blick haben, was CB eigentlich für ein Anliegen hat - von daher mache ich das nicht zum Vorwurf. Es ist einfach nur schade, denn aus so einem Thema lässt sich mehr machen.
So werden im Grunde genommen nur die Meinungen eines Youtubers, von Anita S., der Zeit, der NYT und der FAZ aufgegriffen und exemplarische zusammengefasst.
Den einzigen Bezug, der nichts mit Fremdmeinungen zu tun hat, ist ....
Moderiertes Forum?
Wie schwierig diese Art von Themen für Diskussionen ist, zeigt sich auch an dem für ein gesittetes Gespräch
nötigen Aufwand im ComputerBase-Forum.
Was ohnehin ein eher schlechtes Beispiel ist - ich verstehe das zumindest so, dass er hier mit "nötigem Aufwand" die schiere Anzahl der Antworten meint.
Es sei darauf hingewiesen, dass die c. 1270 Antworten über einen Zeitraum von Anfang März '14 bis Ende Juli '14 verfasst wurden - also 1270 Antworten über 5 Monate = ca. 150 Tage. Entspricht nichtmal 10 Beiträgen pro Tag - das Thema hängt also dem Aufwand gegenüber einem durchschnittlichen Thema hier eigentlich eher noch hinterher.
Na gut - man könnte natürlich ankreiden, dass viele Bereiche hier nicht moderiert sind, es also keinen Aufwand gibt - halte ich aber für eine Schwäche von CB, dass hier moderiert wird. Ich kenne einige andere Diskussionsplattformen, die in ihrem Polik-Bereich auch ohne Vorab-Moderation auskommen.
Dort wird es so geregelt, dass man ausartende Beiträge einfach meldet. Bei Verstoß/Unsachlichkeit werden diese Beiträge entfernt.
Kleinere Troll-Beiträge ignoriert man einfach. Ja - so einfach geht das.
Wir wissen doch alle - zu einem Streit gehören immer zwei Partein. So ist das auch mit Trollen - wenn niemand drauf eingehen würde, würde es auch keinen interessieren. Letztendlich liegt es auch an der Selbstbeherrschung der teilnehmenden Nicht-Trolle.
Es gibt auch Systeme, die mit Abwertungen nicht hilfreicher Kommentare arbeiten und diese bei einem gewissen Grad an neg. Bewertungen ausblenden.
Mich würde hier brennend mal eine individuelle Einschätzung der CB-Moderatoren interessieren.
Ich halte jedenfalls nicht viel von der Vorab-Moderation.
Medienmeinungen und Zitate
Was ich hier noch ankreiden möchte, sind die ausgewählten Zitate .. "Man sollte Sie mit Ihren ...." - ist mir unklar, warum man das hier auf CB wortwörtlich zitieren muss! Es hätte ausreichend andere Beispiele gegeben. Und letztendlich hat das auch mit dem Thema Trollen nicht zwingend etwas zu tun.
Hier hätte ich mir etwas mehr Feingefühl erhofft.
Dass Jochen Wegner das ganze Thema natürlich wieder mit den politischen-propagandistischen Schmähklappen betrachtet "
Wegner hat hier vor allem staatlich bezahlte Agitatoren im Blick, „spezialisierte Troll-Teams“, die Meinungen im Internet gezielt beeinflussen und etwa die Diskussion um die Ukraine-Krise prägen sollen." war eigentlich zu erwarten. Ist immerhin eine gute, wenn nicht gar die beste Ausrede, von der Richtung der Leidmedien abweichende Meinungen zu denunzierenen.
Hier wurde das Zitat von Jochen Wegner aber auch deutlich entschärft. Im Urtext lautet es:
Jochen Wegner schrieb:
Das Internet ist heute nicht mehr nur eine Echokammer für einzelne Saboteure, sondern auch für ganze Troll-Armeen, gesteuert von Regimen wie Russland oder China, die das Netz systematisch für verdeckte Propaganda nutzen.
Tausende prorussische Kommentare überfluteten etwa in den vergangenen Monaten den Kommentarbereich zur Ukraine-Berichterstattung deutscher Nachrichten-Websites, auch auf
ZEIT ONLINE. Mehr als eine Million Euro pro Monat gab eine vom Kreml beauftragte PR-Agentur zeitweise aus, um mit gleich 600 Mitarbeitern die Meinungen auch im deutschsprachigen Netz zu beeinflussen.
Jemanden als Troll zu markieren und Beiträge unter diesem Vorwand zu löschen, ist also legitimiert.
Was der Beitrag von Annika Taube mit dem Thema Trolle zu tun hat, ist mir auch ein Rätsel. Vielleicht es geht es hier ja mehr um die Gesprächskultur.
Eine wirkliche Aussage hat ihr Text aber auch nicht - positiv sein lautet Divise und gegenseitig Fehler eingestehen - wer damit anfangen soll, sagt sie nicht.
Natürlich kann ich das nicht gut heißen, wenn irgendwelche Prollos mit "starker" Sprache ihre Meinung öffentlich kund tun und damit den Respekt gegenüber der zivilisierten Äußerung runterziehen, aber das ist kein akutes Problem - das ist das Problem des Internets schlechthin. Gleiches gilt übrigens auch für die Diskriminierung von Anita S.. Wer sich in Anonymität wiegt und dem Gegenüber nicht mehr in die Augen schauen muss, kann auch so extreme und unanzügliche Dinge von sich geben.
Naja - und der Beitrag von der FAZ .. verzerrt dieses Bild wunderbar. Ein Psychopat, behindert (wenn auch nur körperlich), sitzt den ganzen Tag nur in der Wohnung vor dem Computer und bringt durch seine Trollmeisterschaft ganze Foren allein zum Einsturz - der Klassenfeind der Zensoren der Medienlandschaft. Klar - wenn man soetwas liest, dann kann man ja nur positiv gegenüber Zensur auf Online-Diskussionsplattformen eingestellt sein.
Was der FAZ entgehen zu scheint - es sind vielleicht auch einfach viele Idioten, die trollen - manch einer vielleicht aus realer Unwissenheit oder Bildungsmangel.
Auf das Problem "Wenn Ostertag bei „Süddeutsche.de“ hetzt, kann der Verlag rechtlich belangt werden.", geht weder die FAZ noch der Artikel hier ein.
Auch ein Thema für sich - Ist das überhaupt vereinbar, wenn der Verlag für die Kommentare seiner Nutzer verantwortlich gemacht wird?
Diskussionskultur
Ich sehe das Problem der Diskussionskultur an ganz anderer Stelle. Zum Einen ist es doch zum Beispiel so, dass heutzutage ganz unterschiedliche Gesellschafts- und Altersschichten im Internet aufeinandertreffen. Jeder kann überall seine Meinung postulieren. So treffen mitunter höchst unterschiedliche Erfahrungswerte und Einstellungen aufeinander. So könnte man doch z.B. die These aufstellen, dass die Jugend sich im Internet sehr sicher wiegt und überzeugt auftritt. Nun können die Jüngeren aber in einer Diskussions mit Älteren aber mit eben dieser Sicherheit in eine Diskussion gehen und die Erfahrungen der Älteren entsprechend methodisch niederschreiben, weil es in der Jugend halt so üblich ist. Wer kann's ihnen denn auch verübeln - ich komme doch im Internet nicht auf die Idee, dass mir gegenüber gerade jemand diskutiert, der schon deutlich älter ist und ein ganz anderes Maß an Erfahrungen besitzt. Da kann ich mich nur wehren, wenn ich die Diskussion nicht auf einer intellektuellen Ebene führe.
Ein weiteres Problem - was ich übrigens genau hier auf CB feststellen muss. Anstelle von zielorientierten und argumentativen Diskussionen haben wir doch hier eher Zustände, die einem massenhaften Anhäufen an beliebigen Meinungen nahe kommen.
Schaut mal, wieviele Poster hier eine direkte Diskussion führen - also mehr als einen Beitrag im Thema schreiben, auf andere Kommentare wirklich eingehen und sich daraus ein argumentativer Verlauf ergibt.
Bevor sich hier wer empört - das trifft nicht unbedingt auf diesen Thread und an jeder Stelle zu. Aber generell - ich würde im Schnitt aber auf 50-75% der Beiträge schließen. Gerade die Kommentare auf technische Neuerungen - da stehen am Ende 250 Beiträge und die Meisten haben einfach ihre Meinung gepostet (Generation FB) und damit weder Diskussion noch eine Antwort angeregt. Jetzt fragt euch doch mal selber - wer soll denn das lesen und warum? Wer nimmt sich denn die Zeit dafür? Warum überhaupt posten, wenn ich denn nichtmal unbedingt eine Antwort erwarten kann?
Mittlerweile sind es hier im Thread schon 77 freigeschaltete Antworten - entweder ich hab den ganzen Tag nichts zu tun und lese und beantworte, oder ich schaffe höchstens eins von beiden.
Und dann muss man mal schauen, wieviel denn mit Quellen und Belegen gearbeitet wird. Wenige wissen heute noch, wie man korrekt zitiert, noch weniger nutzen es überhaupt, obwohl es heute doch einfacher als je zuvor und so nötig, wie noch nie zuvor ist.
Wenn ich hier einen Beitrag schreibe und niemand zitiert daraus oder geht darauf ein, dann ist das doch ein schlechtes Zeichen für mich. Vielleicht gibt es auch Leute, die genau deswegen anfangen mit trollen.
In dem Sinne - kritisiert mich, widerlegt mich, blamiert mich in meiner Darlegung. Eine ordentliche Diskussion braucht das.
Für die Zukunft der Diskussion
Um mal zu zeigen, wie aufwendig es ist, sich mit den Inhalten konstruktiv und individuell auseinanderzusetzen ..
[QUOTEThe42]Insbesondere der letzte Absatz belegt doch schön, dass Trolle doch irgendwie einen sozialen Dachschaden haben müssen, um mit einem solchem Müll das Netz zu verseuchen... In solchen Momenten wünscht man sich ja fast
mehr Überwachung, um solche Schwachköpfe zur Rechenschaft ziehen zu können[/QUOTE]
Das ist ja auch das, was die FAZ damit erreichen will. Populärängstliche Meinungsmache.
Smagjus schrieb:
Ohne Moderation, wie man z.B. an der News Sektion von N24 sehen kann, ist eine normale Diskussion nicht mehr möglich.
Hm - könnte man hier tiefere Interessen dahinter vermuten? Könnte es jemanden geben, der einen Vorteil davon hätte, wenn selbst der normale Leser fordert, dass in meinungsmachenden Foren reguliert wird, damit die Qualität bleibt?
Wenn ich wollen würde, dass die Medienkonzerne, deren Besitzer ich zufällig wäre, alleine Meinungsmacher bleiben, würde ich Leute kaufen, die auf meinen eigenen Foren trollen, damit die Leserschaft dann selber fordert, dass ich die Kommentare zensiere.
Ob das was dran sein könnte?
dcc22 schrieb:
Wer mal seinen Landtag besucht hat, der geht sogar Kopf schüttelnd und voller fremd Scham nach Hause
Schönes Beispiel. Vor allem diese sinnlosen Zwischenrufe zwischendurch immer, also auf Bundesebene - da wird Angst und Bange. Tja - Politiker - unsere Vorbilder ...
fatty-doodoo schrieb:
Und nicht zuletzt hat auch die Ukraine-Krise gezeigt, wie schnell das Medium Internet dazu missbraucht werden kann, tausende Menschen aufzustacheln und zu manipulieren.
Russland hat nicht umsonst eine eigene Internetpropagandaabteilung.
Nur, um das etwas gleichmäßiger zu beleuchten: Rate mal, wieviel PR die Amerikaner machen.
Auch hier in Deutschland gibt es eine Menge PR. Man sagt immer, dass es mehr PR gibt, als Journalisten.
KlackKlack schrieb:
Wenn ein Thread 200 Antworten hat, dann wird ja jeder Beitrag gleich dargestellt und inhaltlich interessante Beiträge stehen direkt über oder unter "Trollbeiträgen". Die FAZ stellt ja redaktionell ausgewählte nach oben. Darin sehe ich übrigens auch keine "Zensur" oder ähnliches. In meinen Augen ist das sogar notwendig, um den Überblick zu behalten. Ich sehe es gerade als Aufgabe einer Redaktion, aus der Masse an Informationen die interessanten herauszusuchen. Denn niemand kann alle Beiträge lesen.
Sehe ich nicht so. Die Leserschaft sollte das auswählen und nicht die Readaktion. Es ist Aufgabe der Redaktion, die Fakten darzulegen und Inhalte zu bringen, nicht die Meinung zu ordnen, wie es ihr gefällt.
Leider besitzt ein Thumbs Up/Down Prinzip ebenfalls potente Schwächen. Entweder sehr leicht manipulierbar (intern/extern) oder es wird falsch benutzt - im heise-Foren ist es z.B. des Öfteren so, dass an sich qualitativ gute Beiträge durchgehend rot bewertet werden, einfach nur deshalb, weil die vertretene Meinung nicht die Meinung der Forenmehrheit ist. Damit wird so ein System unbrauchbar, wenn es darum geht, Qualität und Meinung voneinander zu trennen.
Xes schrieb:
Würden wir einheitlich gezwungen werden uns nurnoch unter Klarnamen zu äußern, wäre durch die Datensammelwut der Konzerne und Regierungen ein baldiges Ende der Meinungsfreiheit angesagt.
Stellt euch nur mal vor jede eurer Äußerungen im Internet würde gespeichert und wäre Bedarf durch Behörden und Konzerne vollständig einsehbar.
-Macht euch das nicht auch Angst?
Da hilft nur pseudo-Anonymität. Sprich Anmeldung und Verifizierung mit Klarnamen, Posten im Forum unter Pseudonym, wie z.B. auch auf heise. Wobei die das mit den Klarnamen bei der Registrierung meiner Meinung nach nicht ernst genug nehmen.
Master Sheep schrieb:
Die Ursachen von "Trollism" verwundern mich nicht sonderlich. Aufmerksamkeit, das Gefühl von Macht. So was kann man auch in vielen Schulkassen beobachten, wo es ausreichend Trolle gibt.
Und was machst man in einer Schulklasse mit solchen Schülern? Man nimmt sie zur Hand und zeigt ihnen, dass es so nicht geht, z.B. durch pädagogische Maßnahmen. Eigentlich ein zynischer Widerspruch zu den Umgangsformen im Web - dort macht man genau das Gegenteil - entweder man stellt sie in die Ecke und zeigt mit dem Finger auf sie "Du Troll du!" oder man sperrt sie aus. So richtig sinnvoll klingt beides nicht.
Radde schrieb:
In diesem Sinne bin ich sehr glücklich über den Melden-Button. Es würde mich ziemlich interessieren, wie oft der an einem durchschnittlichen Tag benutzt wird. Außerdem würde mich die Quote der freigeschalteten Beiträge zu dieser News interessieren. Vielleicht könnte man nach 24 Stunden ein kleines Update zur News machen?
Ein wichtiger Gedanke. Eine Statistik im Sinne der Transparanz wäre hier eigentlich ganz wünschenswert.
Der Meldebutton birgt allerdings auch Ärger - es gibt auch Leute, die einfach jeden Mist reporten.
ProSpeed schrieb:
Der FAZ Artikel war wirklich interessant. Vor Allem in sofern, als das mich der vorgestellte Troll in kürzester Zeit anwiderte.
Ein kurzer Funke Hoffnung keimte noch auf, als er ansprach, die überzogene political correctness anzugreifen. Die Umsetzung der Idee war in meinen Augen dagegen beschämend.
Die FAZ hat sich das wahrscheinlich traurigste und individuellste Beispiel für so einen Fall rausgesucht, um genau die Effekte zu erhalten, die du hier beschreibst. Frag dich mal, ob du diese Bild für realistisch hälst.
Eigentlich könnte ich hier noch weitermachen, aber weder habe ich die Zeit, noch weiß ich, ob es überhaupt jemand liest.
Ich würde übrigens ein Like- und ein Renomeesystem mit Kommentarfunktion für CB für eine gute Idee halten. Vielleicht ließe sich damit auch ein etwas aufgeräumteres Antworten-Bild erreichen.
Ich findes es auf alle Fälle beachtenswert, dass hier doch viele einige Zeit nehmen, um auch mit ausführlicheren Beiträgen auf die Thematik und Kommentare einzugehen. Top!