Skidrow schrieb:
Trotzdem ist diese Behauptung irreführend bis falsch....
Grüne Energie gibt es genauso wenig wie grünes Wachstum.
Wenn man eine eigene Definition aufstellt, die de facto jegliche Art der skalierbaren Energie- oder Ressourcennutzung ausschließt dann ja.
Geht man von der üblichen Definition aus, nämlich "grün"
⇔ "erneuerbar" und bezeichnet so Arten der Energiegewinnung, welche unerschöpfliche Quellen anzapfen und klimaschädliche Emissionen möglichst vermeiden dann gibt es grüne Energie. Ein Großteil der Emissionen von Wind- und Solarenergie entstehen dadurch, dass bei der Fabrikation Energie (in Form von Elektrizität und Wärme) aus fossilen Brennstoffen genutzt wird - was aber auch bedeutet, dass die Installation von erneuerbaren Energien die Emissionen zukünftiger Installationen senkt. Gerade Windenergie kann - emissionsarmer Strom und Synthesegas vorrausgesetzt - den bereits jetzt niedrigen CO2-Fußabdruck enorm senken.
Skidrow schrieb:
Man muss also in die Rechnung die Ressourcen und Material für Transport, Installation, Wartung, Entsorgung von Speichersystemen (z. B. Lithium-Ionen-Akkus) miteinbeziehen.
Stimme ich zu, allerdings möchte ich ergänzen dass a) Lithium-Ionen-Akkus aufgrund des hohen Ressourcenverbrauchs nur für mobile (im Sinne von hohe Energiedichte für Gewicht und Größe) oder kleine (im Sinne von Privatpersonen) Energiespeicher sinnvoll sind und im Rahmen der Energieversorgung andere Speicherarten ressourcenschonender sind und b) dass die Notwendigkeit von Speichern für elektrische Energie deutlich geringer ist als häufig angenommen und erst dann exponentiell zunimmt, wenn man sich 80-100% erneuerbarer Energie annähert - was wir in Deutschland frühestens in 25 Jahren erreichen, in Europa deutlich später (was die tatsächlich wichtige Zahl ist). In den durch die Medien zirkulierenden Größen wird häufig von Extremen ausgegangen, in denen entweder Speicher starke Schwankungen vollständig ausgleichen müssen oder erneuerbare Energien deutlich über Kapazität gebaut werden während Speicher vernachlässigt wird - ich kann dir hierzu die Paper des DIW von Zerrahn und Schill empfehlen, insbesondere
dieses. Europa hat (zusammen mit den USA minus Texas und ich vermute auch China) zudem dank großer Fläche und dem europäischen Verbundsnetz den Vorteil, dass fehlende Produktion an einem Standort durch Produktion an anderen Standorten kompensiert wird, wenn man eine europäische Energiewende betrachtet.
Dazu kommt, dass ein nicht unerheblicher Teil unseres Energiebedarfs (insb. industrielle Wärme) an einem Punkt durch Synthesegas (Wasserstoff oder vermutlich aufgrund des einfacheren Umgangs Methan) ersetzt werden muss, welches zeitgleich als Notfallspeicher dienen kann. Die Synthese kann Überproduktion elektrischer Energie nicht direkt abfangen, können aber mit entsprechenden Puffern (welche deutlich weniger Kapazität benötigen als Elektrizitätsspeicher für direkten Konsum) die Kurve glätten.
Skidrow schrieb:
Das Problem besteht darin, dass es gar nicht möglich ist, in einer derart globalisierten Wirtschaft Treibhausgasemissionen einzelnen Ländern zuzuschreiben.
Wenn ein deutscher Tourist nach Südamerika fliegt und sich dort ein Auto mietet, welches danach vielleicht noch einer Reparatur bedarf und er dort zusätzlich ein Rindersteak konsumiert ... dann ist es unmöglich, alle dabei entstandenen Energie- und Ressourcenverbräuche a) in Gänze zu berechnen und b) dem Land zuzuschreiben, aus dem diese Person stammt. Trotzdem finden all diese Verbräuche und die daraus resultierenden Umweltschäden statt! Das bedeutet, die Treibhausgas-Emissionen, die das Umweltbundesamt für Deutschland veröffentlicht, können bestenfalls als ungenau bezeichnet werden, wahrscheinlicher ist, dass sie viel zu niedrig sind und - wie gesagt - nicht das gesamte Ausmaß an Umweltschäden abbildet.
Mit deinen Postings habe ich ein bisschen das Gefühl dass du dich sehr in Details verlierst.
Ja, es ist nur schwer möglich die genauen Emissionen von deutschen Staatsbürgern im Ausland zu beziffern - weil die Daten kaum (in diesem Detailgrad) zu finden sind, weil hier auch bewusst getrickst wird, weil der benötigte Aufwand in keiner Relation zum Erkenntnisgewinn steht. Das bedeutet aber nicht, dass wir jetzt sämtliche Emissionszahlen aus dem Fenster werfen sollten. Für die südamerikanischen Länder sind die Gesamtemissionen durch Tourismus interessant (relativ genau bezifferbar) aber die Nationalität des Verursachers nicht, für den Verursacher entsteht der Großteil der Emissionen auf dem Hin- und Rückflug. Eine Schätzung der Konsumemissionen des Durchschnittsbürgers außerhalb und der Emissionen durch Konsumgüter und Energieverbrauch innerhalb eines Landes reicht, dass man Ländern in einem ausreichenden Detailgrad Emissionen zuschreiben kann - viel wichtiger ist jedoch, dass man diese Emissionen Sektoren und einzelnen Gütern zuweist, um hier Einsparpotential auch über Grenzen hinweg zu finden.
Du hast Recht, dass externalisierte und historische Emissionen in der veröffentlichten Statistik wegfallen - was eindeutig zum Vorteil westlicher Nationen ist. Deswegen finde ich auch die Haltung Deutschlands und zB. den nordischen Ländern, welche eine Vorreiterrolle in der Energiewende einnehmen (wollen), für gut und richtig.
Skidrow schrieb:
Aber Grünes Wachstum ist in jedem Fall etwas, dass es nicht gibt. Egal, wie man es dreht und wendet.
Zurück zum Topic "grünes Wachstum": Ich halte es für falsch, die nötigen Änderungen des Konsumverhaltens als Degrowth zu beschreiben, da sie keine zwangsläufige Verringerung der Lebensqualität zur Folge haben müssen und der Begriff extremen Widerstand innerhalb der Bevölkerung auslöst. Des weiteren sehe ich auch nicht ausreichend Belege dafür, dass ein entsprechendes Decoupling zwischen Emissionen und Wirtschaftswachstum unmöglich sei. Im von dir verlinkten
Artikel wird bereits angesprochen, dass Schweden, Finland und Dänemark ein entsprechendes relatives Decoupling vollzogen haben, aber auch viele andere europäische Länder - wie zB eben Deutschland und das Vereinigte Königreich haben eine deutliche Senkung der Emissionen (Deutschland rund 1/3 weniger Pro-Kopf-Konsumemissionen im Vergleich zu 1990) bei zeitgleicher GDP(PPP)-Steigerung erreicht, obwohl bis vor wenigen Jahren einerseits nur wenig politisches Kapital tatsächlich in Klimaschutz investiert wurde und wir andererseits nach wie vor fossile Brennstoffe als Hauptenergiequelle verwenden. Der massive Ausbau erneuerbarer Energien und die Vermeidung von fossilen Brennstoffen als Energiequelle hat das größte Potential zur Emissionsverhinderung im Vergleich zu den notwendigen Einschränkungen bzw. Aufwand und hier sollte in der kurzen Frist auch der Großteil der politischen und gesellschaftlichen Anstrengung fokussiert werden, sowohl innerhalb der EU aber auch in Schwellenländern.
Langfristig werden wir uns vom ewigen Wirtschaftswachstum verabschieden müssen und auch der materielle Konsum muss gesenkt bzw. verändert werden, aber ich sehe kein realistisches Szenario, in welchem man hier rechtzeitig Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Lieber habe ich es, dass wir innerhalb der EU die Emissionsgrenzen für das 2°-Ziel erreichen (von den 1,5° habe ich mich schon lange verabschiedet), als dass wir nach der Ankündigung radikaler Einschnitte in den Ist-Zustand eine "weiter so"/ "CO2 ist gut für die Pflanzen"-Konservative Regierung bekommen und vollends auf das Klima scheißen.
Edit um aus dem langen Text mal meine Meinung zu spezifizieren: ich befürworte eine drastische Konsumreduktion und lebe sie soweit möglich auch selber - wenig Käufe (und wenn fast immer gebraucht), geringer Energieverbrauch, Reisen nur per Bahn und Fahrrad, fast vollständiger Verzicht auf tierische Nahrungsmittel, Reparatur statt Neukauf/ Wegschmeißen. Aber ich bin mir auch dessen bewusst dass dieser Lebensstil vom Großteil der Bevölkerung im Moment entschieden abgelehnt wird und Maßnahmen in diese Richtung vor allem dazu führen, dass Emissionsreduktion den gesellschaftlichen Rückhalt verlieren. Deswegen sehe ich kurzfristig (und kurzfristiges Handeln ist nötig) das größte Potential zur Emissionsreduktion in der Energieversorgung selbst (Elektrizität, Wärme und Transport) statt in der Konsumreduzierung.