keshkau schrieb:
Die Würde hängt immer an der einzelnen Person, die man betrachtet. Man kann sie nicht auf virtuelle Personen übertragen und dann als verletzt oder angetastet deklarieren.
Und genau hier widerspreche ich dir, wir kommen hier in einen Bereich wo man lediglich Meinungen haben kann, aber es keine Belege oder Beweise gibt.
Aber meiner Meinung nach ist die Würde des Menschen ein abstraktes Gut, welches für die Menschheit als solches, fern ab der rein körperlichen Präsenz, gilt. Damit ist es in meinen Augen durchaus ein Verstoß gegen die Würde des Menschen, wenn die Gewalt an Menschen für ökonomische Zwecke ausgeschlachtet wird. Und eben dies geschieht in meinen Augen auch da, wo Menschen virtuell abgeschlachtet werden. Diese Handlung kann durchaus auch Auswirkungen auf die Würde realer Menschen haben. Würdest du es als Vater eines vergewaltigten Kindes nicht irgendwie herabwürdigend finden, wenn sich der, der dein Kind vergewaltigt hat freudig im Internet an virtuellen Kindern vergehen kann?
Würdest du es als Mann einer ermordeten Frau nicht herabwürdigend finden, wenn der Mörder deiner Frau einfach zum vergnügen virtuell die Taten nachspielen kann die er begangen hat? Vielleicht sogar noch mit virtuellen Figuren die deiner Frau sehr ähnlich sehen? (Nein ich wünsche dir sowas nicht ... das "Du" soll lediglich dazu dienen einen etwas persönlicheren Bezug zum konstruierten Fall her zu stellen)
Ist es nicht herabwürdigend, wenn Schüler ihren Lehrer als "Opfer" in ihrem Spiel modellieren, selbst wenn sie es nicht in Form von graphischer Umsetzung tun, ist es nicht allein herabwürdigend, wenn die Schüler in ihrer Schule virtuell Menschen töten können (also abseits des klassischen "Gut-Böse" Schemas im Spiel Counter-Strike, bevor hier wieder falsche Schlüsse gezogen werden).
Was ich mit diesen Beispielen, die zweifelsohne teilweise sicher etwas überzogen sind, verdeutlichen will ist die Tatsache, dass die virtuelle Welt die wir heute in Spielen nachempfinden durchaus auch Auswirkungen auf die reale Welt haben kann. Und genau aus diesem Grund bin ich nicht bereit die Trennlinie da zu ziehen wo eine Handlung nicht mehr in realer Materie sondern im virtuellen Pixelbrei statt findet. Vor allem da die Grenzen zwischen virtueller und realer Welt immer mehr verschwimmen.
keshkau schrieb:
[...]wobei Du zu dem Schluss kommst, dass es keine positiven Aspekte gibt. Das ist allerdings eine sehr verkürzte Sicht. Wenn die Spieleschmiede Crytek ihr Produkt Crysis entwickelt und vermarkten lässt, dann hat das sehr viele positive Aspekte, schon allein rein ökonomische.
Ich beurteilte lediglich die Wirkung auf den Konsumenten. Und auch hier nur die direkte Wirkung durch den Konsum als solches.
Ich habe gehofft, dass jemand um die Ecke kommt und Arbeitsplätze als Argument anführt. Ganz abgesehen, dass die paar Arbeitsplätze die in Deutschland durch die Erstellung von Spielen mit extrem gewalttätigem Inhalt (Crytek gehört ja nicht dazu) entstehen, durchaus verzichten können, bin ich eben nicht Kapitalist genug um Ökonomische Aspekte höher zu bewerten als moralische oder ethische Gesichtspunkte.
Der Konsum dieser Spiele hat im besten Falle keinen Einfluss auf den Konsumenten. Im schlechteren Falle hat er einen negativen Einfluss auf diesen Menschen, und dieser wird de facto bei einigen Konsumenten auftreten. Und ich frage mich ob man hier einfach her gehen kann und Arbeitsplätze (zudem noch verschwindend wenige Arbeitsplätze) gegen Menschen (sei es ihr Leben oder auch nur ihre zerstörte Psyche) aufzuwiegen. Ich kann es nicht.
keshkau schrieb:
Durch Spieler-Communities ergeben sich möglicherweise zusätzliche soziale Kontakte, die es ohne Crysis nicht gäbe. Auch das fällt bei Dir völlig unter dem Tisch.
Auch hier zieht Crysis als Argument nicht. In meinen Augen ist dies kein Spiel welches die von mir genannten Kriterien erfüllt. Die hier vertriebene Version kommt ohne das Zerlegen von Menschen aus und zeichnet sich auch sonst nicht durch extreme Gewaltdarstellung aus. Crysis ist sicher im Grenzbereich, überschreitet die Grenzen in meinen Augen aber nicht.
Des weiteren, und hier bin ich selbst als ehemaliger Redakteur eines Online Game Magazins und ehemaliges Mitglied in diversen Communitys, erfahren genug um zu sagen, dass das es ohne Spiele wie SoF, Hitman, Postal, ... genug Grund für Gaming-Fans gibt um Communitys zu Gründen in denen man auch soziale Kontakte pflegen kann.
Vor allem auch deswegen weil sich jene Spiele die ich hier anprangere ja im Regelfall nicht unbedingt durch eine große Online Community auszeichnen.
Und wenn es dann doch ein paar Menschen gibt die unbedingt Spiele mit extremer Gewaltdarstellung brauchen um im Internet Gemeinschaften zu gründen, dann würde ich diese Communitys eher skeptisch betrachten.
keshkau schrieb:
Aufgrund Deiner durchweg negativen Einschätzung siehst Du nicht ein, warum mit Gewaltmedien Geld verdient werden darf.
Gibt es einen?
keshkau schrieb:
Wenn ich diese Schlussfolgerung auf andere Gebiete anwende, dann sollte klar sein, dass Alkohol oder Zigaretten aus genau dem gleichen Grund verboten gehören. Denn sie wirken fast durchweg negativ und haben höchstens einige positive Aspekte für die Anbieter.
Na nach dem heutigen Abend würde ich das mal wieder anders sehen ... man denke nur an die verschönernde Wirkung des Alkohols.
Speziell beim Alkohol sehe ich durchaus positive Effekte. Er kann auf eine Gruppe auflockernd wirken und öffnet durchaus viele Türen die ohne den Konsum vielleicht verschlossen gewesen wären. Die Kunst ist hier die richtige Dosis, denn ich denke du möchtest nicht bestreiten, dass der gelegentliche Konsum von Alkohol, selbst in Mengen die einen leichten Rausch hervor rufen, keine negativen Folgen für den Konsumenten hat.
/edit:
Fast hätte ich natürlich die mittlerweile sehr gut belegte Tatsache vergessen, dass Rotwein sehr positiv auf die Gesundheit eines Menschen wirken kann. Stichwort "Risiko für Herzinfarkt".
Im übrigen ist es z.B. unter Strafe verboten, dass ein Wirt Getränke an einen offensichtlich betrunkenen Gast ausschenkt. Auch hier geht der Schutz des Menschen vor ökonomischen Gesichtspuntkten. (Es ist mir durchaus klar, dass diese Regelung schwer kontrollier und umsetzbar ist, dennoch setzt sie Zeichen)
Und wer als Wirt einfach zulässt, dass sich ein offensichtlich betrunkener Gast ins Auto setzt und selbst nach Hause fährt kann ebenfalls belangt werden.
Was das Rauchen angeht, so würde ich mir durchaus eine weitaus höhere Verantwortlichkeit der Hersteller wünschen. Vor allem, da die Zigaretten unnötigerweise mit "schädlichem Dreck" versehen werden um Geschmack oder auch den Suchtfaktor zu erhöhen.
keshkau schrieb:
Ich meine, wir sind doch erwachsene Leute, die über eine gewisse Entscheidungsfreiheit verfügen. Wo soll das hinführen? Heute wird mir ein Spiel verboten, weil eine Indizierung (= Werbeverbot, kein Verkaufsverbot) als nicht ausreichend angesehen wird oder weil es anderweitig an der Umsetzung des Jugendschutzes hapert.
Danke, dass du nochmal hervor gehoben hast, dass eine Indizierung kein Vertriebsverbot ist. Hätte marxx das sonst nochmal mitteilen müssen.
Die Grenze die ich ziehe ist eindeutig und in meinen Augen auch nicht weiter ausdehnbar. Natürlich sollte sie für alle Medien gelten, aber eben auch abwägen.
Ein Beispiel dafür ist der Film "John Rambo". Ich erkenne durchaus positive Aspekte in diesem Film. Die Art wie die Ermordung von Zivilisten dargestellt wird zeigt mit graufenhafter Schrecklichkeit und vor allem mit den perfiden Methoden zeigt, was in dieser Welt passiert. Es wirkt abschreckend und ich kann dieser Art der Darstellung viel positives abgewinnen. Und es war still im Kino.
Dann aber kommt die massive Wendung im Film. Warum muss dem Soldaten, der vom Scharfschützen erledigt wird, der ganze Kopf vom Rumpf fliegen? Warum muss gezeigt werden wieder Held es Films mit einem MG den Körper seines Gegners in zwei Teile zerlegt?
Genau in diesem Moment wirkt nämlich die Darstellung der Gewalt nicht mehr so abschreckend und eher sogar anziehend. "Boa geil kuck mal" hört man dann im Kino und lautes Gelächter. Dieser Film hat für mich die Grenze überschritten.
Ganz anders Filme wie "Blood Diamond" und "Tränen der Sonne". Natürlich sind beides Aktion Filme die in erster Linie unterhalten sollen. Aber ich erkenne in beiden Filmen eine klare Aussage die sich ethisch durchaus vertreten lässt.
Denn die Szenen die wirklich wirken sind eben jene in denen die Gewalt bei den Zuschauern ekel und abscheu hervor ruft. Keiner lacht mehr im Kino wenn die Szene kommt in der der Trupp um Bruce Willis in das Dorf stürmt in dem gerade eine ethnische Säuberung statt findet. Jeder schweigt wenn man in allen schrecklichen Details erfährt mit welch perfiden Methoden Menschen systematisch gefoltert und umgebracht wurden.
Die Kunst eines Filmes ist es in meinen Augen somit auch die Gewalt zu nutzen um eine ethisch durchaus sinnvolle Aussage rüber zu bringen.
Die vollkommen sinnfreie Darstellung von Gewalt, wie im Film Postal, hat in meinen Augen allerdings keinerlei Anrecht zur Kunst erhoben zu werden.
Auch wenn ich mich im letzten Absatz auf Filme berief (hier sind mir die Vergleiche einfach am ehesten möglich) gilt genau dies auch für PC Spiele. Ich kann Spiele akzeptieren in denen eine Gewaltätige Handlung innerhalb unseres Wertegeflechtes statt findet selbst wenn diese keinen tieferen Sinn haben.
keshkau schrieb:
Was wird als Nächstes verboten? Bestimmte Filme, bestimmte Bücher?
Anders herum frage ich dich, wo du die Grenze ziehen willst. Wenn du im Bereich der virtuellen Welt wirklich alles als erlaubt, dann müsste in deinen Augen also alles erlaubt sein, was sich irgendein krankes Hirn ausdenken kann.
Und wenn wir in 100 Jahren dann die Holo-Decks haben, dann wird noch immer alles erlaubt sein, selbst wenn zwischen virtueller und realer Welt kein Unterschied mehr besteht.
Ich denke nicht, dass wir, unter zugrundelegung meiner Ansätze, niemals in einen Bereich kommen werden in dem Meinungen oder Informationen bewusst verboten oder ausgeblendet werden. In so fern sehe ich auch keine Gefahr, dass Verbote willkührlich ausgesprochen und immer weiter ausgeweitet werden.
keshkau schrieb:
Ich finde, man sollte erwachsene Leute selbst entscheiden lassen, was sie als qualitativ hochwertig ansehen und was nicht. Der Staat kann ja durch seine Bildungspolitik dafür sorgen, dass man bis zum 18. Lebensjahr den Unterschied erkennen kann.
Du selbst hebst immer die Indivudalität der Menschen hervor, ich sehe es ja ähnlich. Aber genau dies lässt mich zu dem Schluss kommen, dass die Bildungspolitik, so gut sie auch ist, niemals erreichen kann, dass jeder Mensch bis zu seinem 18. Lebensjahr fähig ist zu beurteilen was gut und was schlecht ist. Ich weigere mich hier an Utopien zu glauben.
Des weiteren gäbe es keinen Markt für Spiele wie Postal, wenn wirklich jeder über 18 Jährige in der Lage wäre selbst zu entscheiden was ethisch und moralisch vertretbar ist und was nicht.