Krankenkassen - was kommt bald auf uns zu?

Hey Godde!
Danke für Deinen Beitrag. Also ich bin jetzt kein Verteidiger der Pharma-Industrie - wirklich nicht!!!
Was die machen, ist eine total dreiste Abzocke. Die Apotheken als kleine unbedeutende Einzelhändler
müssen schon seit über zehn Jahren Zwangsrabatte an die Krankenkassen geben. Dabei verursachen
sie die hohen Grundpreise ja nicht. An die Pharma-Industrie traut sich die Politik aber bisher nicht heran.
Lieber haut man medienwirksam auf die angeblich schlecht beratenden Apotheker und prangert ihre
angeblichen "Apotheken-Preise" an. Die Leute meckern über teure Preise in der Apotheke, gehen aber
nachts und am Wochenende zur viel teureren Tankstelle, um sich Bier für 2,50 die Flasche zu kaufen.
Das Grundproblem, das schon vor vielen Jahren von Apotheker-Verbänden thematisiert wurde ist die
Erhebung einer normalen Mehrwertsteuer auf Arzneimittel und Medizinprodukte, obwohl in fast allen
anderen EU-Ländern entweder eine verminderte oder gar keine Mehrwertsteuer fällig ist.
Allein das würde die Arzneimittel-Kosten schon um 19 % senken. Wenn man dann noch die Produzenten
in ihre Schranken weisen und Obergrenzen für Arzneimittel gesetzlich verabschieden würde, wären die
Kosten wesentlich geringer. Aber eines muss dabei klar sein: wenn die Pharma-Industrie keine finanziellen
Anreize für gute Profite mehr bekommt, dann wird es in Zukunft wesentlich weniger neue Stoffe und
Behandlungsmethoden geben, denn die Forschung und Entwicklung ist extrem teuer und lohnt nicht, wenn
man nach drei Jahren am Markt durch Ratiopharm oder andere Generika-Hersteller "beerbt" wird.
Diese haben keine Forschungskosten und kupfern einfach nur ab, schädigen also Innovation und Fortschritt
im Medizinsektor.
Ergänzung ()

PS
In Deinem ersten Link wird eine Studie aus den Niederlanden erwähnt. Das Ergebnis ist so nicht auf die BRD
anwendbar, denn dort herrscht ein absolut anderes Gesundheitswesen vor, bei dem allein die pharmazeutische Betreuung der Patienten wesentlich professioneller und fortschrittlicher ist, als bei uns.
Es ist logisch, dass wenn ich als Krankenhaus-Apotheker die Therapie mit dem Arzt gemeinsam entscheiden würde, die Therapie-Effizienz höher wäre, da ich ein kostengünstiges und schnell wirkendes AM empfehlen könnte. Ärzte sind meist nicht in der Lage, alle Arzneimittel zu kennen oder richtig zu bewerten. Sie haben ja noch wesentlich mehr zu wissen und zu tun, als Pharmatherapie.
Hier könnten Apotheker wesentlich helfen, die Kosten zu senken. Erste Ansätze gibt es in Deutschland schon.

Ein weiterer Kritikpunkt an dieser Studie ist, dass völlig übersehen wird, dass das Hauptproblem und Kostentreiber Nr.1 die Komorbidität der Patienten ist. Das metabolische Syndrom aus Bluthochdruck, hohen Lipidwerten, Übergewicht/Fettsucht und Diabetes mellitus verursacht sehr hohe Kosten. Allein auftretende Fettsucht oder
"nur" Rauchen sind fast immer nur der Anfang weiterer und wesentlich teurerer Erkrankungen.
Es wurde also ein perfekter, aber so nicht in der Realität vorkommender Patien konstruiert bzw. eine bestimmte Patientenklientel ausgewählt, um "ergebnisorientiert" eine Studie zu designen.
Ich will keinen Dilletantismus vermuten, aber sagen, dass die genannten Fälle nicht die Kostentreiber Nr.1 sind.
Rauchen ist deswegen so teuer und gefährlich, weil es viele Folgekrankheiten nach sich zieht und diese gehen dann ins Geld!
Ergänzung ()

Es ist also wichtig, am Anfang etwas zu tun, als später die teuren und für die Patienten sehr unangenehmen Folgen behandeln zu müssen. Das ist für Patienten und die Krankenkassen besser! Daher plädiere ich für die absolute und scharfe Brandmarkung des Rauchens und nicht, um die Menschen zu beleidigen oder zu gängeln.
Ich erlebe jeden Tag in der Praxis, was die Folgen vom Rauchen sind und bekomme eine Heidenwut, wenn ich die Gedankenlosigkeit und Naivität sehe, mit der gerade junge Menschen an das Thema herangehen und wie wenig Verantwortung die Tabak-Industrie für die Schäden zeigt, die deren
Produkte bei den Menschen anrichten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hiho,
Choco2 schrieb:
Bin privat versichert. :D
Ich auch. Dennoch mache ich mir Sorgen ums Gesundheitssystem, weil im Zweifel die gesetzliche Krankenversicherung nach anderen Maßstäben leisten muss als die Private. Denn der geht es nur um den eigenen Gewinn. Freilich zahle ich jetzt weniger als in der gesetzlichen KV, aber im Alter ist es genau anders herum. Auch bei den normalen Beitragserhöhungen vollzieht die PKV die Schritt der GKV mit. Wäre ein Eintritt in die GKV nicht finanzieller Wahnsinn, würde ich dorthin zurückwechseln, weil es unterm Strich günstiger ist. Insofern ist die Frage "Gesetzlich oder Privat?" nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Meiner Meinung nach sind zwei Dinge entscheidend für die Zukunft: zum einen die Einnahmesituation der GKV, zum anderen und entscheidenderen die Ausgabenspirale.

Auf der Einnahmenseite muss man endlich von diesem unsäglichen "Versicherungsmodell" wegkommen. Die GKV ist doch im Grunde keine Versicherung, sondern ein Teil der staatlichen Daseinsvorsorge, wie etwa Bildung und Straßenbau. Prägnant gesagt: der Staat sorgt für die Gesunderhaltung seiner steuerzahlenden, irgendwann steuerzahlenden, früher steuergezahlten Bevölkerung. Anspruch darauf sollte jeder haben und jeder muss sich deshalb auch an die Kosten beteiligen. Aber nicht indem man den Faktor Arbeit belastet, so dass für Unternehmen Arbeit teurer und für die Arbeitnehmer Arbeit weniger einträglich wird. Das Gesundheitssystem muss, wie andere Staatsausgaben auch, über Steuern finanziert werden. So ist sichergestellt, dass Jeder sich an der Finanzierung dieser Grundleistung beteiligen muss. Der einzelne Arbeitnehmer, der wohlhabende Rentner, das gewinnmachende Unternehmen, der erfolgreiche Arzt und der reiche Erbe. Das würde den "Faktor Arbeit" wieder wirtschaftlicher machen und zugleich die Lasten auf mehr - und stärkere - Schultern verteilen. Demzufolge hat auch der Privatversicherte seinen Beitrag über die Steuern zu leisten. Um keine unangemessene Belastung zu verursachen, ändert man die PKV entweder in ein System der Zusatzversicherung um oder aber macht deren Kosten 1:1 steuerlich absetzbar.

Auf der Ausgabenseite muss effektiver gewirtschaftet werden. Für mich bedeutet das in erster Linie ein staatliches Handeln um der Pharmaindustrie was entgegen zu setzen. Weniger mit verpflichtenden Preisen, sondern eher mit dem Wettbewerb. Schließlich wäre eine zentrale staatliche Beschaffung ein derart großes Nachfragepotential, dass sie gute Preise erzielen würde. Ebenfalls geändert gehört das überkomme, unsinnige System des Ärztestandes. Warum müssen Ärzte Freiberufler sein? Was spricht gegen Arztpraxen in kommunaler Trägerschaft, in denen die Ärzte ganz normal angestellt sind (und trotzdem sehr gut verdienen können) und ihre Arbeit für ein Gehalt leisten? Das ganze Abrechnungssystem für ärztliche Leistungen würde flachfallen, der Verwaltungsaufwand deutlich geringer werden und der Ärztemangel auf dem Lande würde abgeschwächt. Wenn man soweit ist, kann man auch die 190 Krankenkassen zusammenstampfen und einfach 16 Länder-Gesundheitsbehörden/Anstalten/Unternehmen einrichten, die die Verwaltung übernehmen.

Allerdings ist es utopisch, dass von einer Freiberufler- und Ärztepartei wie der FDP zu erwarten. Zudem würde beim leisesten Versuch sofort der unreflektierte "Sozialismus!"-Hammer kommen.

Festzuhalten bleibt jedoch: die Gesundheit eines (Wahl-, Steuerzahler-)Volkes gehört nicht in die Hand von privaten wirtschaftlichen Akteuren, sondern in die Hand des Staates.

- Harold
 
Das Problem bei diesen "Ärztehäusern" ist, dass sie sich garantiert nicht auf dem Lande ansiedeln würden.
Gerade die Zentralisierung würde eine deutlich schlechtere Versorgung der Landbevölkerung mit medi-
zinischen Leistungen bedeuten, weil die Zentren sich erst in Gebieten mit einer gewissen Mindestbevölkerung lohnen.
Das große Beispiel ist die DDR, wo dieses System "erfunden" wurde.
In Städten hat das wunderbar funktioniert, aber auf dem Lande konnte man ewig fahren, um einen Arzt oder eine Apotheke zu finden. Dort gab es die sogenannten Rezept-Sammelstellen, ähnlich eines Briefkastens. Schnelle Hilfe und Akutversorgung waren damit natürlich nicht möglich.
Außerdem würden dann viele notwendige Land-Apotheken wegfallen, was gerade für die älteren Menschen sehr von Nachteil wäre. Denn gerade die wohnort-nahe Apotheke ist für viele Menschen die einzige
Möglichkeit, an ihre Medikamente zu kommen.
Bin selbst vom Land und habe eine Weile in einer dieser Land-Apotheken gearbeitet. Nach Feierabend wurde noch ca. eine Stunde durch die Pampa gefahren und den älteren Herrschaften und Kranken die Tabletten an die Tür gebracht. Ohne Extra-Entlohnung, versteht sich. Einfach guter Service.
Einen Anreiz dafür ist eine gute Bezahlung der gelieferten Arzneimittel. Wird hierfür nicht mehr gut von den GKV bezahlt, werden die Apotheken den Service zurückfahren müssen.
Ich möchte schließlich nicht umsonst arbeiten ;-)

Sparen lässt sich meines Erachtens bei den Arzneimitteln nur über einen massiven Druck auf die Hersteller.
Denn Apotheken kosten die Krankenkassen nicht wirklich viel. Im Gegenteil!
Wenn ich als Apotheker ein Arzneimittel auf Lager habe, das mich im Einkauf 1500 Euro kostet, dann bekomme ich von der Krankenkasse eine pauschale Entlohnung von € 6,30.
Das ist doch unverschämt, denn die Entlohnung steht doch in keinem Verhältnis zur hohen Kapitalbindung.
Dann kommt noch hinzu, dass jede KRankenkasse mit einem anderen Hersteller Rabattverträge schließen kann und ich von jedem Wirkstoff tausend Hersteller von 1a über Hexal bis zu Ratiopharm und Teva vorrätig halten muss für den Fall, dass Frau Schmitz aus Buxtehude kommt, die bei der BKK Computerbase versichert ist, die nur Arzneimittel vom Hersteller Krätze-Pharm aus Tumbuktu bezahlen. Darüber ärgert sich die Apotheke, weil sie viele an sich gleiche Arzneimittel an Lager halten muss und darüber ärgern sich die Kunden, weil sie ständig ein anderes Präparat bekommen. Oder eben gar keins, weil nicht jede Apotheke das Geld hat, ein riesiges Lager zu haben.
Hinzu kommen die vielen Neben- und Wechselwirkungen, weil die Krankenkasse nur das Billigste und nicht unbedingt das verträglichste Medikament bezahlen. Sie stecken das Geld lieber in große, gläserne Prunkbauten in Berlin am Gendarmenmarkt etc.
Super-System sage ich da nur, denn auf den Knochen der kleinen Apotheke und der Patienten wird das Gesundheitssystem saniert, anstatt sich an die Pharma-Industrie zu wenden, die die hohen Preise verbrochen haben.
Außerdem hat Harold recht mit seiner Meinung, dass die Verwaltung zu aufgeblasen ist.
Allein die Anzahl an Krankenkasse ist pervers. Wem hilft es, dass es in Deutschland tausende KVs gibt?

Kleines Beispiel am Rande:
Kennt jemand die Firma Trigema? Das sind diese T-Shirt-Hersteller mit dem schlimmen Werbespot mit dem Affen, der immer vor der Tagesschau läuft. Man kann ja sagen was man will, aber der Herr Grupp hat seinen Laden im Griff - und zwar auch die Kosten. Bei ca. 1400 Angestellten hat er nur 32 Leute in der Verwaltung sitzen!!! Das spart mal so richtig viel Geld. Und das gesparte Geld kann er wieder ins Marketing und die Produktion stecken.
Die KVs sollten sich davon mal eine Scheibe abschneiden - weniger Verwaltung, mehr Geld für die Kranken!!
 
Zuletzt bearbeitet:
Dem gibt es wenig hinzu zu fügen.

Auch in Gefahr gehäutet zu werden, möchte ich aber was zum allgemeinen FDP-Bashing sagen (die ich btw auch nicht wähle): den aktuellen Zustand des Gesundheitssystems haben wir S/R bzw. der SPD zu verdanken. Die kamen auf die Idee mit den Kassenpools und dem Punktwert, der es einem Arzt nicht mehr erlaubt zu arbeiten wie er sollte bzw. das Vorschreiben von Behandlungen bzw. Behandlung auf Plan.

Nicht immer sinds die bösen Neoliberalen, so einfach ist es nicht.
 
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