|Moppel|
Captain
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Hallo Community!
Manche von euch kennen den Text vielleicht. Ich finde ihn klasse und obwohl man ihm sein Alter anmerkt (2006), sind viele Aspekte noch topaktuell.
Ich selbst stimme nicht allen Aussagen vollumfänglich zu und sehe ihn als einen
Denkanstoß.
Da ich nur eine deutsche Übersetzung einer älteren Version fand, habe ich ihn selbst übersetzt. Ich habe dies nach bestem Wissen und Gewissen getan und dabei versucht auf ein Ausgewogenheit von freier Übersetzung und Texttreue zu achten.
Kritik und Anmerkungen sind gerne gesehen.
Manche von euch kennen den Text vielleicht. Ich finde ihn klasse und obwohl man ihm sein Alter anmerkt (2006), sind viele Aspekte noch topaktuell.
Ich selbst stimme nicht allen Aussagen vollumfänglich zu und sehe ihn als einen
Denkanstoß.
Da ich nur eine deutsche Übersetzung einer älteren Version fand, habe ich ihn selbst übersetzt. Ich habe dies nach bestem Wissen und Gewissen getan und dabei versucht auf ein Ausgewogenheit von freier Übersetzung und Texttreue zu achten.
Kritik und Anmerkungen sind gerne gesehen.
Der Originaltext wurde unter der Creative Commons License veröffentlicht.
Originaltitel:
Linux is Not Windows
Link zur Quelle: https://linux.oneandoneis2.org/LNW.htm
Autor: Dominic Humphries
Zur besseren Lesbarkeit subsumiere ich im Folgenden GNU/Linux OS sowie Freie & Open-Source Software (FOSS) unter dem Namen "Linux".
Linux ist nicht Windows
Linux ist nicht Windows
Falls du auf diese Seite verwiesen wurdest stehen die Chancen gut, dass du ein relativ neuer Linux Nutzer bist, der einigen Problemen beim Wechsel von Windows zu Linux gegenübersteht. Da sich viele Leute in dieser Situation wiederfinden, wurde dieser Artikel geschrieben. Ein große Anzahl von individuellen Problemen leiten sich aus diesem Hauptproblem ab. Aus diesem Grund ist die Seite in verschiedene Problembereiche aufgeteilt.
Problem #1: Linux ist nicht exakt das gleiche wie Windows
Du würdest dich wundern, wie viele Leute diese Beschwerde vorbringen. Sie fangen mit Linux an und erwarten quasi eine kostenlose, open-source Version von Windows. Tatsächlich bekommen sie das oft von übereifrigen Linuxnutzern zu hören. Allerdings ist dies eine widersinnige Erwartung.
Die genauen Gründe, warum sich jemand an Linux versucht, sind breit gefächert. Dennoch lässt sich eine Gemeinsamkeit erkennen: Es wird erwartet, dass Linux besser ist als Windows. Klassische Mäßstäbe dafür sind Kosten, Auswahl, Leistung und Sicherheit. Darüber hinaus gibt es noch viele andere. Aber jeder Windowsnutzer, der Linux ausprobiert, tut es, weil er glaubt, dass es besser sein wird als das, woran er jetzt ist.
Darin liegt das Problem.
Es liegt auf der Hand, dass etwas nicht in allen Belangen besser sein kann, während es auf der anderen Seite zum Original identisch bleibt. Eine perfekte Kopie kann gleichwertig erscheinen, aber niemals besser sein als das Original. Mit der Erwartung dass Linux besser ist, hast du also logischerweise gleichzeitig erwartet, dass es anders ist. Das wird gerne ignoriert und jeder Unterschied zwischen den Betriebssystemen als Schwäche von Linux misinterpretiert.
Ein einfachen Beispiel an Hand von Treiberupdates: Mit Windows würde man klassischerweise die Webseite des Herstellers aufrufen und den neuen Treiber herunterladen; mit Linux upgradest du den Kernel.
Das bedeutet, dass mit Linux ein einziger Download mit anschließendem Update dir die neusten verfügbaren Treiber für dein System zur Verfügung stellt, während du mit Windows auf verschiedenen Webseiten der jeweiligen Hersteller mehrere Downloads anstoßen müsstest. Dies ist also eine gänzlich andere Herangehensweise und dabei sicherlich keine schlechte. Allerdings wird sich darüber beschwert, weil es nicht das ist was man gewohnt ist.
Noch ein Beispiel mit mehr praxisnähe: Firefox. Eine der größten open-source Erfolgsgeschichten. Ein Webbrowser, der die Welt im Sturm erobert hat. Wurde dies dadurch erreicht, dass der damalige Platzhirsch Internet Explorer exakt kopiert wurde?
Nein. Es war ein Erfolg, weil er besser als der IE war. Und er war besser, weil er anders war. Er hatte Tabs, live Lesezeichen, eine eingebaute Suchleiste, PNG Support, AdBlock Erweiterungen und andere wunderbare Dinge. Die "Suche" Funktion erschien in einer Toolbar am unteren Rand und lieferte Treffer in Echtzeit. Wurde kein Treffer gefunden, welchselte sie zu rot. Der IE hatte keine Tabs, keine RSS Funktion, Suchleisten nur mit Drittanbieter Erweiterungen und eine "Suche" Funktion, die man mit "OK" anstoßen musste um dann die "nichts gefunden" Ausgabe wieder mit "OK" quittieren zu müssen. Eine offensichtliche und unumstößliche Darbietung wie ein open-source Programm Erfolg hatte, weil es besser war. Und es war besser, weil es anders war. Wäre Firefox ein IE Klon geworden, wäre er in der Versenkung verschwunden. Wäre Linux ein Windows Klon, wäre das gleiche passiert.
Nun, die Lösung zu Problem #1: Denke daran, dass dort wo Linux vertraut und analog zu dem ist was du kennst, es nicht neu oder besser ist. Freue dich auf die Bereiche wo die Dinge anders sind, denn nur dort hat es die Möglichkeit zu glänzen.
Problem #2: Linux unterscheidet sich zu stark von Windows
Das nächste Problem tritt zu Tage wenn Nutzer von Linux erwarten dass es es anders ist, die Unterschiede jedoch zu tiefgreifend für ihren Geschmack sind. Das wahrscheinlich prominenteste Beispiel dafür ist die schiere Menge an Wahlmöglichkeiten für den Linuxnutzer. Während ein out-of-the-box Windowsnutzer den klassischen oder XP Desktop mit Wordpad, Internet Explorer und Outlook Express vorinstalliert hat, kann der out-of-the-box Linuxnutzer aus hunderten von Distributionen wählen. Darüber hinaus wählt er aus Gnome oder KDE oder Fluxbox oder was auch immer; vi oder emacs oder kate, Konqueror oder Opera oder Firefox oder Mozilla und so weiter und so fort.
Ein Windowsnutzer ist es nicht gewohnt so viele Entscheidungen zu treffen bevor das System steht. Verärgerte "Muss es denn so viel Auswahl geben?" Kommentare sind an der Tagesordnung.
Muss sich Linux denn so stark von Windows unterscheiden? Letztendlich sind beides Betriebssysteme. Sie erledigen beide die gleiche Aufgabe: Deinen Computer zum Laufen zu bringen und eine Umgebung für Programme bereitstellen. Sollten sie also nicht mehr oder weniger identisch sein?
Sieh es mal so: Geh nach draußen und schau dir die ganzen verschiedenen Fahrzeuge auf der Straße an. Sie sind alle Fahrzeuge, die für mehr oder weniger den gleichen Zweck entwickelt wurden: Dich von A nach B auf der Straße zu bringen. Beachte die Unterschiede in der Ausgestaltung.
Jetzt denkst du vielleicht, dass die Unterschiede zwischen den Autos doch ziemlich marginal sind: Sie haben alle ein Lenkrad, Fußpedale, eine Gangschaltung, eine Handbremse, Fenster und Türen, einen Kraftstofftank ... Wenn du ein Auto fahren kannst, kannst du alle fahren!
Wohl wahr. Aber ist dir nicht aufgefallen, dass manche Leute gar kein Auto, sondern ein Motorrad fahren?
Der Wechsel von einer Windows Version auf die nächste ist wie der Wechsel von einem Auto auf das andere. Win95 zu Win98 - ehrlich, ich sehe keinen Unterschied. Win98 zu WinXP war ein größerer Sprung, aber ohne tiefgreifende Veränderungen.
Der Wechsel von Windows zu Linux jedoch, ist wie der Wechsel von einem Auto zu einem Motorrad. Auch wenn sie beide Betriebssysteme/Fahrzeuge sind, beide die gleiche Hardware/Straße benutzen, beide dir eine Umgebung für deine Programme bereitstellen/dich von A nach B bringen, verfolgen sie dennoch grundsätzlich andere Ansätze.
Windows/Autos sind nicht sicher vor Viren/Diebstahl, es sei denn du installierst einen Virenschutz/verschließt die Türen. Linux/Motorräder haben keine Viren/Türen, sie sind also sicher ohne die Notwendigkeit einen Virenschutz zu installieren/die Türen zu verschließen.
Oder wir betrachten es von der anderen Seite:
Linux/Autos wurden von Grund auf für mehrere Benutzer/Insassen entwickelt. Windows/Motorräder nur für einen Benutzer/Fahrer. Jeder Windowsnutzer/Motorradfahrer ist es gewohnt, jederzeit die volle Kontrolle über seinen Computer/Fahrzeug zu haben. Ein Linuxnutzer/Fahrzeuginsasse ist es gewohnt, nur dann die Kontrolle über seinen Computer/Fahrzeug zu haben, wenn er als root eingeloggt ist/auf dem Fahrersitz sitzt.
Zwei unterschiedliche Ansätze, die beide das gleiche Zeil verfolgen. Sie unterscheiden sind in gundsätzlicher Art und Weise. Sie haben beide verschiedene Stärken und Schwächen: Ein Auto ist der klare Gewinner, wenn es darum geht eine Familie mit viel Gepäck von A nach B zu befördern: Mehr Sitzplätze und mehr Stauraum. Ein Motorrad ist der klare Gewinner, wenn es darum geht eine Person von A nach B zu befördern: weniger Verkehrsbelastung und weniger Spritverbrauch.
Es gibt viele Dinge die sich nicht ändern, wenn du zwischen Autos und Motorrädern wechselst: Du musst tanken, du musst auf den gleichen Straßen fahren, du musst Ampeln und STOP Zeichen beachten, blinken und dich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten.
Aber es gibt auch viele Dinge, die sich ändern: Autofahrer müssen keinen Helm tragen, Motorradfahrer müssen sich nicht anschnallen. Autofahrer müssen das Lenkrad drehen damit sie um die Kurve fahren, Motorradfahrer müssen sich in die Kurve legen. Autofahrer beschleunigen, indem sie das Gaspedal durchdrücken, Motorradfahrer durch Betätigen des Gasdrehgriffs.
Ein Motorradfahrer, der versucht ein Auto durch in die Kurve legen zu steuern, wird schnell Probleme bekommen. Genauso finden sich Windowsnutzer, die versuchen ihre bisherigen Kenntnisse und Gewohnheiten anzuwenden, mit vielerlei Probleme konfrontiert. Tatsächlich haben aus diesem Grund Windows "Power User" regelmäßig mehr Probleme mit Linux als Menschen mit wenig oder gar keiner Computererfahung. Typischerweise kommen die verbissensten Kommentare á la "Linux ist noch nicht bereit für den Desktop" von alteingesessenen Windowsnutzern. Dadurch, dass sie selbst den Wechsel nicht vollziehen konnten, gehen sie davon aus, dass weniger erfahrene Nutzer es erst recht nicht schaffen können. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Also, um Problem #2 zu vermeiden: Ein verständiger Windowsnutzer zu sein macht dich nicht zu einem verständigen Linuxnutzer: Wenn du mit Linux beginnst bist du ein Anfänger.
Problem #3: Kulturschock
Unterproblem #3a: Es gibt eine Kultur
Windowsnutzer sind mehr oder weniger in einem Kunden-Anbieter Verhältnis. Sie bezahlen für Software, Garantie, Support und so weiter. Sie erwarten, dass die Software einen bestimmten Grad an Benutzerfreundlichkeit besitzt. Sie sind es gewohnt, gewissen Rechte einfordern zu können: Sie haben für technischen Support bezahlt und haben jedes Recht ihn einzufordern. Auch sind sie es gewohnt, mit Institutionen statt mit Menschen zu kommunizieren. Die Verträge bestehen zwischen ihnen und einer Firma, keinen Einzelpersonen.
Linuxnutzer sind mehr eine Community. Sie müssen keine Software kaufen und nicht für technischen Support bezahlen. Sie laden sich Software kostenlos herunter und benutzen Istant Messenger und Webforen um Hilfe zu bekommen. Sie kommunizieren mit Menschen, nicht mit Firmen.
Ein Windowsnutzer wird sich mit seiner Einstellung in der Linuxwelt - gelinde gesagt - nicht beliebt machen.
Die größte Ursache für Spannungen scheint die Onlinekommunikation zu sein. Ein "3a" Nutzer, der neu in der Linuxwelt ist, erbittet Hilfe wegen eines Problems. Bekommt er nicht die - nach seiner Meinung - angemessene Hilfe, fängt er an sich zu beschweren und noch mehr Hilfe zu verlangen. Dies tut er, weil er es durch bezahlten Support gewohnt ist. Das Problem ist nur, dass es hier keinen bezahlten Support gibt. Der Support ist ein Haufen von Freiwilligen, die aus reiner Nächstenliebe anderen Leuten mit ihren Problemen helfen. Der neue Nutzer hat kein Recht irgendetwas von ihnen zu verlangen; genauso wie jemand, der für wohltätige Zwecke sammelt, keine größeren Spenden verlangen kann.
Auf ziemlich ähnliche Weise ist ein Windowsnutzer gewohnt kommerzielle Software zu benutzen. Softwarefirmen bringen ihr Produkt erst auf den Markt, wenn es stabil, funktional und Benutzerfreundlich ist. Das ist es also auch, was Windowsnutzer von Software erwarten: Es beginnt mit Version 1.0. Linuxsoftware allerdings wird herausgegeben sobald der erste Code geschrieben ist: Es beginnt mit Version 0.1. Auf diesem Weg können Leute, die das Programm dringend brauchen, es so schnell wie möglich bekommen; interessierte Entwickler können am Code mitarbeiten und ihn verbessern. Die Community als ganzes bleibt in den Prozess involviert.
Wenn also ein "3a" Benutzer Probleme mit Linux bekommt wird er sich beschweren: Die Software erreicht nicht das gewünschte Niveau und er denkt, er kann ein gewisses Niveau einfordern. Es wird seine Stimmung nicht verbessern wenn er sich mit Kommentaren wie "Ich würde eine Rückzahlung der Kaufsumme verlangen wenn ich du wäre" konfrontiert sieht.
Also, um Problem #3a zu vermeiden: Denke daran, dass du weder die Entwickler, noch die Leute die Support geben bezahlt hast. Sie schulden dir nichts.
Unterproblem #3b: Neulinge vs. Alteingesessene
Linux startete als Projekt eines Hackers. Es wuchs dadurch, dass sich immer mehr Hacker anschlossen. Dies geschah zu einer Zeit, in der niemand außer ein Computerfreak Linux zum Laufen bringen konnte. Es war "von Geeks, für Geeks". Sogar heute noch bezeichnet sich die Mehrheit der Linuxnutzer als Geeks.
Und das ist eine ziemlich gute Sache: Für den Fall, dass du ein Problem mit Hard- oder Software hast, ist es sicherlich ein Pluspunkt eine Haufen von Computerfreaks in der Hinterhand zu haben.
Tatsächlich ist Linux seitdem ein gutes Stück gewachsen. Es gibt Distributionen, die fast jeder installieren kann und sogar welche, die deine Hardware vollautomatisch erkennen. Ein Eingreifen ist nicht mehr nötig. So wurde es für den durchschnittlichen Nutzer interessant, da es zudem virusfrei und günstig war. Es kommt nicht selten zu Spannungen zwischen diesen beiden Lagern. Man sollte sich allerdings klar machen, dass es keine bösen Absichten auf beiden Seiten gibt. Vielmehr liegt der Hund in Missverständnissen begraben.
Zum einen gibt es die echten Computerfreaks die davon ausgehen, dass jeder der Linux nutzt gleichermaßen in der Materie zu Hause ist. Sie gehen daher von einem hohen Wissensstand aus, wodurch ihnen nicht selten Arroganz, elitäres Denken und Rücksichtslosigkeit vorgeworfen werden. Und manchmal stimmt das auch. Aber oft stimmt es eben auch nicht. Es ist elitär zu sagen: "Jeder sollte das wissen." Es ist nicht elitär zu sagen: "Jeder weiß das." - Es ist eigentlich das Gegenteil.
Zum anderen gibt es die neuen Nutzer, welch sich an einem Wechsel versuchen, nachdem sie ihr ganzes Leben ein kommerzielle Betriebssystem genutzt haben. Sie kennen sich aus mit Software die jeder out-of-the-box benutzen kann.
Die Problematik besteht darin, dass Gruppe 1 aus Leuten besteht, die Spaß daran haben ihr Betriebsystem auseinander und wieder zusammen zu bauen, während der zweite Gruppe egal ist wie es funktioniert - so lange es funktioniert.
Eine ähnliche Situation, welche die Problemstellung verdeutlicht ist LEGO:
Neuling: "Ich wollte ein neues Spielzeugauto und alle gingen total ab wie toll LEGO sei. Also hab ich mir ein LEGO Set gekauft. Aber als ich nach Hause kam, hab ich gesehen, dass in der Kiste nur Blöcke, Zahnräder und anderes Zeug drin war. Wo ist mein Auto?"
Erfahrener: "Du musst das Auto aus den Steinen bauen. Darum geht es bei LEGO."
Neuling: "Was?! Ich weiß nicht wie man ein Auto baut. Ich bin kein Mechaniker. Woher soll ich wissen wie alles zusammen passt?"
Erfahrener: "Da ist ein Blättchen das der Kiste beiliegt. Es sagt dir genau wie du die Steine zusammen setzen musst. Du musst nur der Anleitung folgen."
Neuling: "Alles klar, ich hab die Anleitung gefunden. Aber das wird Stunden dauern! Warum kann es nicht als Spielzeugauto ankommen, damit ich es nicht zusammen bauen muss?"
Erfahrener: "Weil nicht jeder ein Spielzeugauto aus LEGO bauen möchte. Du kannst alles daraus bauen was du möchtest. Das ist der springende Punkt.
Neuling: "Ich verstehe aber immer noch nicht, warum sie nicht einfach als fertiges Auto verkaufen können, damit Leute die ein Auto wollen eins bekommen. Alle anderen können es ja immer noch auseinanderbauen. Wie auch immer, ich hab endlich alles zusammen gebaut, aber einige Teile sind etwas locker. Was kann ich da tun? Könnte ich es kleben?"
Erfahrener: "Es ist LEGO. Es ist dafür gemacht wieder auseinandergebaut zu werden. Darum geht es ja."
Neuling: "Aber ich möchte nicht, dass man es wieder auseinanderbauen kann. Ich möchte einfach nur ein Spielzeugauto!"
Erfahrener: "Warum zur Hölle hast du dir dann ein LEGO Auto gekauft?!"
Es ist jedem klar, dass sich LEGO nicht an Leute richtet, die einfach nur ein Spielzeugauto möchten. Eine Konversation wie oben findet im echten Leben nicht statt. Der Knackpunkt bei LEGO liegt darin, dass das Bauen Spaß macht und du alles daraus bauen kannst was du möchtest. Falls du nichts bauen möchtst, ist LEGO nichts für dich. Das sollte klar sein.
Was den langzeit Linuxnutzer angeht lässt sich das übertragen: Es ist eine vollständig anpassbare open-source Software Sammlung. Das ist der Clou. Wenn du keine Interesse hast die Teile auch nur ein bisschen zu hacken, warum überhaupt erst benutzen?
Nichtdestrotz gibt es seit einiger Zeit Bestrebungen Linux den Bedürfnissen der Durchschnittsnutzer anzupassen. Eine Situation die nicht so weit entfernt davon ist vorgefertigte LEGO Sets zu verkaufen, um eine größere Gruppe anzusprechen. Dies führt dazu, dass Konversationen ähnlich zu der oben beschriebenen entstehen können: Neulinge beschweren sich über das Vorhandensein von etwas, was Alteingesessene als grundlegendes Merkmal verstehen und ärgern sich darüber, erstmal ins Handbuch schauen zu müssen. Sich aber darüber zu beschweren, dass es zu viele Distributionen gibt, eine Software zu viele Einstellmöglichkeiten besitzt oder dass es nicht ohne Zutun perfekt funktioniert, ist wie sich darüber zu beschweren, dass man mit LEGO zu viele verschiedene Dinge bauen kann und den Aspekt der Variabilität dabei nicht schätzt.
Also, um Problem #3b zu vermeiden: Erinnere dich daran, dass das heutige Linux nicht das Linux von damals ist. Der größte und wichtigste Teil der Linux Community - Hacker und Entwickler - mögen Linux, weil sie es sich zusammenbauen können wie sie es brauchen. Sie mögen es obwohl man es erst zusammenbauen muss bevor man es benutzen kann.
Problem #4: Für die Designer designt
In der Autoindustrie ist es selten der Fall, dass die gleiche Person neben Motor auch das Interieur entwickelt. Es werden gänzlich verschiedene Anforderungen gestellt. Niemand möchte einen Motor, der nur so aussieht als wäre er schnell und niemand möchte ein Interieur, dass seine Aufgabe mit bravour meistert, dabei aber überladen und hässlich aussieht. Analog dazu wird in der Softwareindustrie das Benutzerinterface selten von der Person entwickelt die das Programm schreibt.
In der Linuxwelt ist das allerdings etwas anders. Die Projekte starten vornehmlich mit einer einzelnen Person die es komplett selbst entwickelt, wodurch kein Bedarf an "benutzerfreunlichen" Oberflächen besteht: Der Entwickler weiß alles, was es zur Software zu wissen gibt; er benötigt keine Hilfe. Vi ist ein Paradebeispiel für eine Software die ganz bewusst für einen Nutzer geschrieben wurde der bereits bestens mit ihr vertraut ist: Es kommt vor, dass Neulinge ihren Computer neustarten mussten, weil sie nicht herausgefunden haben wie man Vi wieder beendet.
Es gibt einen entscheidenen Unterschied zwischen einem FOSS Programmierer und den meisten kommerziellen Softwareentwicklern: Der FOSS Programmierer kreiert Software die er selbst benutzen wird. Während das Resultat möglicherweise nicht komfortabel für Neulinge ist, kann es Trost spenden zu wissen, dass die Software von jemandem entwickelt wird, der weiß was der Endnutzer braucht: Der Entwickler ist auch der Endnutzer. Dies ist ein entscheidende Unterschied zum kommerziellen Softwareentwickler, der Software für andere entwickelt: Er ist selbst nicht Endnutzer.
Obwohl Vi also eine scheußliche Benutzeroberfläche besitzt, wird es bis heute genutzt, weil, sobald man dahinter gestiegen ist, die Oberfläche ebenso genial ist. Firefox wurde von Leuten entwickelt, die regelmäßig im Internet surfen. GIMP wurde von Entwicklern kreiert, die Grafiken bearbeiten. Und so weiter.
Benutzeroberflächen in der Linuxwelt sind also häufig eine Art Minenfeld für Neulinge: trotz seiner Beliebtheit sollte Vi nie von Neulingen in Betracht gezogen werden, die nur schnell ein paar kleine Änderungen in einer Datei vornehmen möchten. Falls du Software in einer frühen Entwicklungsphase nutzt, stell sich darauf ein, dass eine aufpolierte, benutzerfreundlich Oberfläche wohl nur auf der ToDo Liste steht. Funktionalität steht an erster Stelle. Niemand designt ein hammermäßiges Interface und versucht dann nach und nach die Funktionalität einzubauen. Erst wird Fukntionalität sichergestellt, dann sukzessiv die Oberfläche verbessert.
Also, um Problem #4 zu vermeiden: Such nach Software, die sich explizit an neue Nutzer richtet oder lebe damit, dass einige Programme eine steilere Lernkurve beinhalten als du gewohnt bist. Sich darüber aufzuregen, dass Vi nicht einsteigerfreundlich ist, zeigt, dass man den springenden Punk übersehen hat.
Problem #5: Das Märchen von "benutzerfreundlich"
Das ist ein großes Problem. Ein mächtiges Wort in der Computerwelt - benutzerfreundlich. Es ist sogar namensgebend für einen besonders guten Webcomic. Allerdings ist es ein schlechter Begriff.
Das Grundkonzept überzeugt: Software soll mit den Bedürfnissen des Nutzers im Hinterkopf entwickelt werden. Allerdings wird es immer als einspuriges Konzept verstanden; was es nicht ist.
Wenn du dein ganzes Leben mit der Verarbeitug von Textdateien verbringst, sollte deine Software schnell und mächtig sein, um viel Arbeit mit wenig Aufwand erledigen zu können. Einfache Tastenkombinationen und eine Bedienung ohne Maus sind kritische Punkte.
Falls du aber nur selten mit Textdateien arbeitest und nur hin und wieder mal einen Brief verfasst, ist das letzte was du möchtest dich mit dem Lernen von Tastenkombinationen herumzuschlagen. Ideal wären gut organisierte Menüs und eingängige Symbole in Toolbars.
Es wird klar, dass Software die für die erstgenannte Kategorie von Nutzern konzipiert wurde, nicht adäquat für letztere Gruppe ist - und umgekehrt. Wie soll man also eine Software als "benutzerfreundlich" titulieren, wenn es verschiedene Nutzergruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen gibt?
Die einfache Antwort: "benutzerfreudlich" ist ein irreführender Begriff. Er suggeriert eine einfache Lösung für eine komplexe Situation.
Was also bedeutet "benutzerfreundlich" wirklich? Im klassischen Kontext bedeutet es: "Software, die zu einem sinnvollen Grad von jemandem genutzt werden kann, der keine Erfahrungen mit ihr hat." Dies führt leider dazu, dass miserabel aber vertraute Oberflächen als "benutzerfreundlich" angesehen werden.
Unterproblem #5a: vertraut ist freundlich
Es stellt sich folgendermaßen dar, dass die meisten "benutzerfreundlichen" Textverarbeitungsprogramme STRG-X zum Ausschneiden und STRG-V zum Einfügen benutzen. Das ist zwar super unintuitiv, findet aber jeder "freundlich", weil man es gewohnt ist.
Wenn man nun also Vi startet und herausfindet, dass man mit "d" ausschneidet und mit "p" einfügt, wird dies nicht als "freundlich" empfunden. Man ist es nicht gewohnt.
Ist es denn besser? Ja, tatsächlich.
Wie schneidest du ein Wort aus deinem momentanen Textdokument mit der STRG-X Herangehensweise aus? (Ohne Maus!)
Am Anfang des Wortes mit STRG-SHIFT-RECHTS um es zu markieren.
Dann STRG-X um es auszuschneiden.
Der gleiche Vorgang in Vi? "dw" löscht das Wort.
Was ist, wenn man fünf Wörter mit STRG-X löschen möchte?
Man startet am Anfang des Wortes und dann:
STRG-SHIFT-RECHTS
STRG-SHIFT-RECHTS
STRG-SHIFT-RECHTS
STRG-SHIFT-RECHTS
STRG-SHIFT-RECHTS
STRG-X
Und mit Vi?
"d5w"
Die Herangehensweise von Vi ist deutlich vielseitiger und dabei noch intuitiver: "X" und "V" sind nicht logische oder besonders gut merkbare Befehle, während "dw" für "delete a word" und "p" für "put it back" ziemlich geradlinig sind. Da "X" und "V" aber allen vertraut sind, erscheint Vi - obwohl deutlich überlegen - nicht benutzerfreudlich. Aus keinem anderen Grund als simpler Vertrautheit erscheint eine windowsähnliche Oberfläche also benutzerfreundlich. Wie wir bei Problem #1 erfahren haben, ist Linux gezwungenermaßen anders als Windows. Linux erscheint also immer weniger "benutzerfreundlich" als Windows.
Um Problem #5a zu vermeiden, sollte man also im Hinterkopf behalten, dass "benutzerfreundlich" nicht "was ich gewohnt bin" bedeutet. Versuch deine Sachen so zu tun wie du es gewohnt bist und wenn das nicht klappt, versuche das, was ein kompletter Anfänger tun würde.
Unterproblem #5b: ineffizient ist benutzerfreundlich
Das ist eine traurige aber unumstößliche Wahrheit. Paradoxerweise führt ein schwierigerer Zugang zu Programmfunktionen gleichzeitig zu scheinbar besserer Benutzerfreundlichkeit.
Das liegt daran, dass einfache, gut sichtbare Hinweise eine Oberfläche freundlicher erscheinen lassen - je mehr, desto besser. Wäs wäre letztendlich wahrscheinlicher, wenn man einen kompletten PC-Neuling vor ein WYSIWYG Textprogramm setzen würde und ihn bäte, einen Textabschnitt fettgedruckt zu formatieren:
- Er würde vermuten, dass STRG-B der übliche Standard ist.
- Er würde nach Hinweisen ausschau halten und versuche auf das "Bearbeiten" Menü zu klicken. Danach das nächst wahrscheinliche in der Reihe probieren: "Format". Das neue Menü hat eine "Schrift" Option, die verheißungsvoll erscheint. Und hey! Da ist die "Fett" Funktion. Geschafft!
Das nächste mal wenn du an einem Textdokument arbeitest, versuch mal alles über die Menüs zu erreichen: Keine Tastenkombinationen, keine Toolbarsymbole. Nur die Menüs. Du wirst dich mühsam durchhangeln müssen da jede Aufgabe jetzt viele Tasten- und Mausklicks erfordert.
Software auf diese Art "benutzerfreundlich" zu machen erinnert an Stützräder am Fahrrad: Man kann sofort losfahren ohne Fähigkeiten oder Erfahrung. Es ist perfekt für Einsteiger. Aber niemand da draußen ist der Meinung, dass alle Fahrräder mit Sützrädern ausgeliefert werden sollen: Wenn du so ein Fahrrad heute verkauft bekommen würdest, wette ich, würdest du sofort die lästigen Stützräder abmontieren. Sobald du Radfahren kannst, sind die Stützräder nutzlos.
In der gleichen Manier ist ein Großteil der Linux Software ohne Sützräder entwickelt. Sie ist für Nutzer entwickelt, die bereits einige Grundlagen beherrschen. Letzendlich bleibt niemand für immer ein Anfänger: Unwissen ist kurzlebig aber Wissen bleibt für immer. Damit ist die Software also für das Gros der Nutzer designt.
Es könnte sich wie eine Entschuldigung anhören: Immerhin hat MS Word die freundlichen Menüs und die Toolbarsymbole und die Tastenkombinationen... das beste aus alles Welten, oder?
Freundlich und effizient.
Jedoch muss man hier relativieren: Zuerst der praktische Aspekt: Um sowohl Menüs als auch Toolbars und Tastenkombinationen und all das zu haben, muss man viel programmieren. Dabei ist es nicht so, dass Linuxentwickler alle für ihre Zeit bezahlt werden. Zweitens sind die echten Power User nicht wirklich berücksichtigt: Sehr wenige professionelle Vielschreiber benutzen MS Word. Hast du jemals einen Coder getroffen, der MS Word benutzt? Vergleiche das mal damit, wie viele von denen emacs oder Vi benutzen.
Warum ist das so? Zum ersten liegt das daran, dass einige "freundliche" Merkmale effiziente Merkmale ausschließen: zum Beispiel die oben genannte Geschicht mit Ausschneiden und Einfügen. Zum Zweiten, weil die meisten Funktionen in Word in Menüs verschachtelt sind, die du gezwungenermaßen nutzen musst. Nur die gebräuchlichsten Funktionen finden sich als praktische kleine Knöpfe in den Toolbars oben. Die für Profinutzer ebenfalls kritischen Funktionen sind zu schwer zu erreichen.
Was man dennoch dabei beachten sollte ist, dass die "Stützräder" oft eine optionale Ergänzung bei Linux Software sind: Sie treten nicht in den Vordergrund, sind aber oft verfügbar.
Nehmen wir mplayer. Du kannst es benutzen um Videodatein abzuspielen, indem du in ein Terminal mplayer "Dateiname" eintippst. Vorwärts und Rückwärts spulen funktionniert mit den Bild Auf und Ab Tasten. Das ist nicht besonders "benutzerfreunlich". Wenn du allerdings gmplayer "Dateiname" eingibst, bekommst du eine grafische Oberfläche mit all ihren netten, freundlichen und vertrauten Schaltflächen.
Oder wenn du eine CD als mp3 (oder .ogg) rippen möchtest: Mit dem Terminal musst du cdparanoia nutzen um die Datein auf die Festplatte zu rippen. Dann brauchst du einen Encoder... Das ist ein Gefummel, sogar wenn du genau weißt wie das Programm funktioniert (meiner Meinung nach). Lade und installier dir so was wie Grip; eine einfach zu benutzende Oberfläche, die im Hintergrund cdparanoia und die Encoder benutzt und es wirklich einfach macht CDs zu rippen. Sogar CDDB Support ist dabei, sodass die Datein automatisch benannt werden.
Das gleiche gilt für DVDs: Die schiere Anzahl der möglichen Parameter zur Konvertierung kann zum Alptraum werden. Mit dvd::rip als Zwischenschritt wird das Konvertieren zu einer für jeden machbaren Aufgabe.
Um also Problem #5b zu vermeiden: Sei dir bewusst, dass "Stützräder" in Linux eher ein optionales Extra sind, anstatt standardmäßig mitgeliefert zu werden. Manchmal passen sie aber auch nicht ins Konzept.
Problem #6: Nachahmung vs Annäherung
Ein häufig bemühtes Argument von Leuten, die herausfinden dass Linux nicht der Windows Klon ist den sie erwartet haben, ist zu behaupten, dass Linux seit jeher genau das versucht zu sein. Alle die dabei anderer Meinung sind, oder nicht mitwirken, Linux windowsähnlicher zu machen, seien im Unrecht. Sie stützen sich auf Dinge wie:
"Linux hat sich von reiner Kommandozeile zu einem System mit grafischer Benutzeroberfläche entwickelt; ein klarer Versuch Windows zu kopieren.
Nette Theorie - leider falsch. Das ursprüngliche X windowing system erschien 1984, nachdem es als Nachfolger des W windowing system 1983 zu UNIX portiert wurde. Windows 1.0 kam 1985 heraus. Bis 1990, dem Erscheinen von Version 3, war Windows keine große Nummer. In dieser Zeit war X windows bereits bei Version X11, die wir heute noch nutzen. Linux selbst wurde erst 1991 geboren. Linux hat also kein GUI kreiert um Windows zu kopieren: Es hat sich lediglich eines GUI bedient, was es schon lange vor Windows gab.
Windows 3 wich Windows 95, wobei drastische Veränderungen an der Benutzeroberfläche vorgenommen wurden, die es in der Form bei Microsoft nicht mehr geben würde. Es brachte viele neue und innovative Werkzeuge: drag & drop Funktionalität, Taskleisten und so weiter. Natürlich wurde all das seitdem von Linux kopiert.
Wobei... eigentlich nicht. Alle die oben genannten Dinge existierten bereits, bevor sich Microsoft daran bediente. Insbesondere NeXTSTeP, was ein (für diese Zeit) stark progressives GUI war, wurde deutlich vor Win95 veröffentlicht; 1989 Version 1 und die finale Version 1995.
Okay, okay, Microsoft hat die ganzen Funktionen, die wir für klassisches Windowsfunktionen halten, nicht erfunden. Dennoch haben sie eine markante Design- und Bedienphilosophie geschaffen, die Linux seither versucht zu kopieren.
Um hier den Wind aus den Segeln zu nehmen, müssen wir über das Konzept der zusammenlaufenden Evolution sprechen. Diese findet statt, wenn zwei komplett unterschiedliche und unabhängige System sich über ihre Entwicklung immer mehr ähneln. Das passiert ständig in der Biologie. Nehmen wir Haie und Delfine. Beide sind (hauptsächlich) Fisch esssende Meerestiere mit ähnlicher Größe. Beide haben Rückenflossen, Brustflossen, Schwanzflossen und eine gleichartige stromlinienförmige Gestalt.
Allerdings haben sich Haie aus Fischen entwickelt, während Delfine von einer Art von vierbeinigem Landsäuger abstammen. Der Grund weshalb sie sich in ihrer Gestalt so ähneln ist, dass sie sich beide bestmöglich an das Leben im Meer angepasst haben. Zu keinem Zeitpunkt haben Vorläuferdelfine (die Neulinge) auf die Haie geschaut und gedacht: "Wow, schau dir diese Flossen an. Die funktionieren richtig gut. Die werde ich mir auch entwickeln!"
Gleichermaßen ist es völlig richtig, sich frühe Linux Desktops mit FVWM, TWM und viele andere minimalistische GUIs anzuschauen. Dem entgegen stehen moderne Linux Desktops wie Gnome oder KDE mit ihren Taskleisten und Menüs und schicker Aufmachung. Und ja, es stimmt wenn man sagt, dass sie deulich mehr wie Windows aussehen als früher.
Das Gleiche gilt aber auch für Windows: Ich kann mich an keine Taskleiste in Windows 3.0 erinnern. Ganz zu schweigen vom Startmenü - welches Startmenü?
Linux hatte keinen Desktop wie ein moderns Windows. Microsoft hatte ihn auch nicht. Jetzt haben sie ihn beide. Was sagt uns das?
Es sagt uns, dass Entwickler in beiden Lagern nach Ideen gesucht haben die GUI zu verbessern. Und da es nur eine begrenzte Anzahl an Möglichkeiten für ein definiertes Problem geben kann, waren die Methoden oft ähnlich. Ähnlichkeit impliziert oder beweist in keiner Weise Nachahmung. Wenn du das im Hinterkopf behältst, hilft es dir dich von Problem #6 fernzuhalten.
Problem #7: Die FOSS Geschichte
Ohje, das bringt Probleme. Aber eigentlich nicht an sich: Ein außerordentlich wichtiger und großartiger Teil des Ganzen besteht darin, dass die Software frei und open-source ist. Zu akzeptieren und verinnerlichen, wie drastisch sich FOSS von kommerzieller Software unterscheidet, stellt manche Leute vor eine zu große Herausforderung.
Ich habe bereits einige Beispiele genannt: Leute die denken, sie könnten nach technischem Support verlangen und so etwas. Aber es geht noch viel weiter.
Microsofts Leitsatz ist "Ein Computer auf jedem Schreibtisch." - mit dem unausgesprochenen Zusatz, dass auf jedem dieser Computer Windows laufen soll. Microsoft und Apple verkaufen Betriebssysteme und beide legen sich gewaltig ins Zeug um sicherzustellen, dass eine größtmögliche Menge an Leuten sie nutzt. Es sind Firmen die Gewinn erwirtschaften wollen.
Und dann gibt es FOSS, was bis heute fast komplett nicht-kommerziell ist.
Before du jetzt dein Email Programm zückst um mir von Red Hat, Suse, Linspire und alle dem zu erzählen: Ja ich weiß, sie "verkaufen" Linux. Ich weiß sie alle hätten gerne, dass Linux überall genutzt wird, vor allem ihre eigene Version davon. Vewechsel hier aber nicht die Zulieferer mit den Herstellern. Der Linuxkernel wurde nicht von einer Firma entwickelt und er wird nicht von Leuten gewartet, die damit Profit machen möchten. Die GNU Werkzeuge wurden nicht von einer Firma entwickelt oder von profitinteressierten Leuten voran getrieben. Bezüglich des X11 windowing system.... die verbreitetste Umsetzung davon ist momentan xorg und der .org Teil sollte dir alles sagen was du wissen musst. Desktop Software: Nunja, man könnte sagen dass KDE kommerziell wäre, weil es Qt-basiert ist. Aber Gnome, Fluxbox, Enlightment, etc. sind alle nicht kommerziell. Es gibt da draußen also Leute, die Linux verkaufen. Sie sind jedoch deutlich in der Minderheit.
Eine Erhöhung der Endnutzeranzahl bei einer kommerziellen Software führt direkt zu finanziellen Vorteilen des vertreibenden Unternehmens. Das ist schlicht nicht der Fall bei FOSS: Es gibt keinen direkten Vorteil für einen FOSS Entwickler die Nutzerzahl zu erhöhen. Indirekte Vorteile schon: Anerkennung, eine höhrer Wahrscheinlichekit Fehler zu finden, andere Entwickler mit ins Boot zu holen, möglicherweise eine Chance auf ein Jobangebot und so weiter.
Linus Torvalds bekommt aber kein Geld durch steigende Linuxnutzung. Richard Stallman bekommt kein Geld durch steigende Nutzerzahlen bei GNU. Die ganzen Server auf denen OpenBSD und OpenSSH läuft zahlen keinen Cent in die Taschen des OpenBSD Projekts.
Und so kommen wir zum größten Problem von allen, wenn es um Neulinge und Linux geht:
Sie finden heraus, dass sie nicht erwünscht sind.
Anfänger probieren Linux aus nachdem sie ihr Leben mit einem Betriebsystem verbracht haben, bei dem ihre Bedürfnisse oberste Priorität hatten, wobei Benutzerfreundlichkeit und Kundenorientierung als wahrhaft heilige Grale angesehen werden. Und dann finden sie sich plötzlich in einem Betriebsystem wieder, das immer noch von "man"-Dateien, der Kommandozeile, handbearbeiteten Einstellungsdateien und Google abhängig ist. Wenn sie sich dann beschweren, werden sie nicht gehätschelt oder ihnen Besserung gelobt: Ihnen wird die Tür gezeigt.
Das ist natürlich eine Übertreibung. Aber so nehmen viele gescheiterte Wechsler die Dinge war.
Auf eine komische Art und Weise ist FOSS eine ziemlich egoistische Entwicklungsphilosophie: Leute arbeiten nur an dem, woran sie arbeiten wollen und wann sie wollen. Die Meisten sehen keinen Bedarf darin, Linux einsteigerfruendlicher zu gestalten: Es macht bereits das, was sie benötigen; warum sollte es sie kümmern, wenn es bei anderen Leuten nicht funktioniert?
FOSS hat einige Parallelen zum Internet selbst: Du bezahlst nicht den Autor einer Webseite/der Software um sie zu downloaden und zu lesen/installieren. Überall verfügbare Breitbandanschlüsse/benutzerfreundliche Oberflächen intressieren jemanden, der schon einen Breitbandanschluss hat/weiß wie er die Software zu benutzen hat, nur wenig. Blogger/Entwickler brauchen keine große Nutzer-/Leserbasis um ihre Arbeit zu rechtfertigen. Es gibt eine Menge Leute, die damit Geld verdienen, allerdings nicht im klassischen Sinne von "mir gehört das und du musst mich dafür bezahlen, wenn du was davon möchtest", wie es Unternehmen gerne halten. Stattdessen wird ein Service in Form von technischem Support/Internethandel zur Verfügung gestellt.
Linux interessiert sich nicht für Marktdurchdringung. Linux hat keine Kunden. Linux besitzt keine Anteilseigner und unterm Strich auch keine Verantwortung. Linux wurde nicht erschaffen um Geld zu verdienen. Linux hat es nicht zum Ziel, das meistgenutzte Betriebsystem auf dem Planeten zu werden.
Alles was die Community möchte, ist ein richtig gutes, komplett ausgestattetes und freies Betriebsystem zu entwickeln. Wenn das dazu führt, das Linux ein enorm populäres OS wird, dann ist das großartig. Wenn das dazu führt, dass Linux die intuitivste und benutzerfreundlichste Benutzeroberfläche bekommt die jemals kreiert wurde, dann ist das großartig. Wenn das dazu führt, dass Linux die Basis einer multimilliardenschweren Industrie wird, dann ist das großartig.
Es ist großartig, aber das ist nicht das Hauptaugenmerk. Der Schwerpunkt liegt darauf, Linux zum besten Betriebssystem zu machen, welches die Community zu leisten vermag. Nicht für andere, sondern für sich selbst. Die gebetsmühlenartigen Propheziehungen wie "Linux wird nie den Desktop erobern so lange es nicht dies oder jenes..." sind bedeutungslos. Die Linuxcommunity versucht nicht den Desktop zu erobern. Sie ist generell nicht daran interessiert Linux so gut zu machen, dass es auf deinem PC landet, so lange es bei ihnen läuft. Die schreihalsigen Microsoft Hasser, pro Linux Fanatiker und wirtschaftlich denkenden FOSS Händler mögen laut sein, stellen jedoch eine Minderheit dar.
Das ist es, was die Linuxcommunity möchte: ein Betriebssystem, dass von jedem installiert werden kann, der es möchte. Bevor du selbst also zu Linux wechselst stell dir die Frage, was du wirklich willst.
Wenn du ein Betriebsystem möchtest, dass dich nicht herumkutschiert, dir aber die Schlüssel aushändigt, dich auf den Fahrersitz setzt und von dir erwartet, dass du weiß was du tust: Besorg dir Linux. Du wirst Zeit einplanen müssen um dich vertraut zu machen, aber wenn du es schaffst, wirst du mit einem Betriebssystem belohnt, das Männchen machen und tanzen kann.
Wenn du eigentlich Windows nur ohne Malware und Sicherheitslücken möchtest: lies dich in Sicherheitspraktiken ein, installiere eine gute Firewall, Scanner für Schadsoftware und Antivirensoftware. Ersetze den Internet Explorer mit einem sichereren Browser und halte dein System mit Sicherheitsupdates aktuell. Es gibt Menschen (mich eingeschlossen) da draußen, die Windows seit 3.1 Zeiten bis XP benutzt haben, ohne ein einziges mal mit Schadsoftware oder Viren infiziert worden zu sein: Du kannst das auch schaffen. Besorg dir nicht Linux: Es wird kläglich daran scheitern das zu sein, was du erwartest.
Wenn du wirklich gerne die Sicherheit und Leistung eines unixbasierten Betriebssystems möchtest, das Ganze aber mit einem kundenorientierten Ansatz und rennomierter Bedienung: Kauf einen Apple Mac. OSX ist großartig. Aber hol dir nicht Linux: Es wird dir nicht das geben was du suchst.
Es geht nicht nur darum "Warum sollte ich Linux wollen?".
Es geht auch darum "Warum sollte Linux mich wollen?".
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