lynx007 schrieb:
Da frag ich mich doch was sie Studieren, nicht abwertend gemeint, nur interessehalber. Durch Strafen hat man immer eine abschreckende Grenze.
Jura, derzeit im Schwerpunktstudium im Bereich Kriminalität und Kriminalitätskontrolle. Und das "man hat immer eine abschreckende Grenze" ist eben nicht so einfach, wie man denkt. Wenn man mal _vereinfacht_ davon ausgeht:
Es gibt einerseits Menschen, die aufgrund ihrer Sozialisation ohnehin keine Straftaten begehen, auch ohne, dass diese mit Strafe bedroht wären (auch ohne Strafe würden nicht plötzlich alle anfangen zu klauen und zu morden
) -> hier gibt es keine abschreckende Wirkung
Es gibt weiterhin Menschen, die aufgrund ihrer Sozialisation in Kreisen, die zu Kriminalität neigen, quasi keinen anderen Lebensentwurf kennen -> auch hier gibt es keine abschreckende Wirkung
Gruppe 3: Menschen, die nicht klar zu einer Gruppe tendieren. Hier könnte man ggf. eine abschreckende Wirkung vermuten. Wenn man sich aber z.B. einmal exemplarisch anschaut, ob die Todesstrafe gegenüber Haftstrafen bei Kapitalverbrechen eine höhere abschreckende Wirkung hat -> hat sie nicht.
Abschreckung durch höhere Strafen funktioniert nur sehr begrenzt. Was noch eher wenigstens in Ansätzen eine abschreckende Wirkung hat, ist die selbst wahrgenommene Entdeckungswahrscheinlichkeit. Welche Strafe nach der Entdeckung folgt ist dafür jedoch recht unerheblich. Viel mehr bringt beispielsweise auch die Furcht vor informeller Sanktionierung durch das soziale Umfeld.
Abschließend mal ganz dumm gesagt:
man denkt vor einer Straftat nicht rational "hmm dafür könnte ich 3 Jahre ins Gefängnis kommen - das ist mir in einer Kosten-Nutzen-Abwägung das Risiko wert!" oder eben bei höherer Strafe "oh ne, 10 Jahre - das Risiko geh' ich jetzt nicht ein!" Daraus ergibt sich auch, warum Abschreckung durch höhere Strafen eben auch nicht so funktioniert, wie das vielerorts vor allem von Laien vertreten erwartet wird.
Und bezüglich des "Schuss vor den Bugs":
auch der funktioniert im Regelfall nicht wie gedacht. Nicht umsonst wird das Gefängnis auch als "Hochschule des Verbrechens" bezeichnet. Abgesehen von weiterem Wissen zur Begehung von Straftaten, das dort erworben werden kann, verliert man oftmals soziale Kontakte außerhalb der Haft und erwirbt neue im kriminellen Milieu.
Und an der Grundsituation ändert sich nach Haftentlassung ebenfalls meist nichts - der entlassene Straftäter steht danach sogar in den überwiegenden Fällen schlechter da, als vorher. Die individuellen Gründe, Straftaten zu begehen, bestehen dann in der Regel immer noch.