Marx – lesen

@th3o

Erst einmal schnell eine 'halbe' Antwort:

1. Das stimmt, was Du sagst: Da gibt es bei mir dieses Problem mit dem Rational/Irrational. Und da trenne ich das Individuum von den größeren 'Verbänden. Da das Individuum seine Überlegungen immer über seinem Verstand (Ratio) anstellt, es erscheint mir widersinnig, den Schluss als irrational zu bezeichnen, sondern nur falsch. Anders mit der z.B. Gesellschaft: Da in diesem Fall kein Ratio auszumachen ist (Gesellschaftskörper) können deren Verhältnisse schon als irrational genannt werden. Aber das wäre dann schon die geballte Macht aller verkehrten Vorstellungen, die die ganze Gesellschaft in seine Bahn zieht.

2. Sehr interessant ist die Idee, "schuldige auszumachen". Es geht mir nicht darum aber ich kann dir die Gegenfrage stellen: Warum willst Du keine "schuldige auszumachen"? Steht das Resultat deiner Untersuchung bereits fest, dass keinen Schuldigen gibt?

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Edit 13 Feb. 2009

Ich habe mir lange überlegt (!). Ich versuche jetzt unseren Diskussionsfaden wieder aufzunehmen: Zuerst einmal rational, irrational - Individuum, Gesellschaft.

Noch mal zur Fixierung der Begriffe. Während Individuum und Gesellschaft (bis auf weiteres) unproblematisch erscheinen, haben wir mit rational-irrational ein Begriffspaar, das uns (mir) Kopfzerbrechen bereiten kann: Es hat eine lange Geschichte hinter sich und lässt sich für ziemlich viele Zusammenhänge benutzen. Ich brauche sie für meine Gedanken nicht, ich komme ohne sie gut zu recht. Du hast sie benutzt und ich habe nichts dagegen - wenn wir sie nur richtig 'fixieren'. Außerdem fehlt mir noch ein Begriff: der Wille. Der Wille ist der Grund der Betätigung des Intellektes, begleitet sie und schließt sie ab, indem er eine Entscheidung in der Sache herbeiführt: "die praktische Vernunft, als freier und reiner Wille"

Ich verstehe Dich so: Du betrachtest die Betätigung des Intellektes vom Resultat her. Dementsprechend alles was beim Erreichen des vorgenommenen Zieles scheitert ist als irrational zu bezeichnen - egal ob im Individuum oder in der Gesellschaft. Andersherum genau so. Also: rationales Individuum = rationale Gesellschaft, irrationales Individuum = irrationale Gesellschaft, ganz konsequente Überleitung.

Dem setze ich entgegen: Die Subjekte Individuum und Gesellschaft sind gar nicht homogen. Das eine denkt, die andere nicht. In Interaktion/Zusammenhang der Individuen in der Gesellschaft muss Du notwendigerweise einen zusammengesetzten Intellekt erblickt haben, einen objektiven Geist, sozusagen. Den sehe ich nicht: Die eine, als Herrschaft organisiert, regiert in Namen einer übergeordneten Vernunft über 'unvernünftige' Individuen. Sachzwänge von oben, Idealvorstellungen von unten, die sich notwendig einander bedingen.

Ich betrachte die Sache nicht vom Resultat, sondern von der Voraussetzung - das Vorhandensein des Intellekts - her: Der Mensch als 'animal rationale', 'zoon logikon'. Weil er das Logos als Attribut besitzt, kann er gar nicht irrational sein. Sein Intellekt ist nicht immer sicher, er kann sich aber korrigieren. Er lässt sich sogar hängen und will gar nicht denken. Aber es ist immerhin sein Wille, der das tut. Er ist ganz der Mensch, Herr seiner selbst, auch wenn er gegen sich und sein eigenes Interesse entscheidet. Er benutzt seinen freien Willen, um seinen Willen aufzugeben: in dieser Gesellschaft ist es 'rational' sich unterzuordnen, Rationalität der (Sach)Zwänge gegen freien Willen.

Zitat th3o: "auch scheint es mir nicht sehr sinnvoll "Individuum" und "Gesellschaft" zu trennen.
das individuum ist das spiegelbild der gesellschaft und die gesellschaft ist nur in und durch die gesamtheit aller (irrational in diesem fall)individuen.
betitelst du "gesellschaft" als irrational, so müsstest du schon arge verrenkungen machen um beim individuum dennoch von rationalität in deinem sinne (also richtige und falsche) sprechen zu können.
"

Ich trenne Individuum und Gesellschaft, nur insoweit das erste einen Intellekt besitzt und die andere nicht. Genau so der Wille, die Äußerung des Intellekts. "Das Theoretische ist wesentlich im Praktischen enthalten; ...denn man kann keinen Wille haben ohne Intelligenz" (Hegel, Rechtsphilosophie)

Die Gesellschaft ist die Gesamtheit aller handelnden, denkenden, entscheidenden Individuen, sofern als Gesamtheit aller Produktionsverhältnissen dieser Individuen verstanden. Als Privatproduzenten, selbständig und unabhängig voneinander, d.h. ohne sich zu verständigen, was zu produzieren notwendig ist, haben sie die schlechte Idee gehabt, ihre Waren für sie sprechen zu lassen. Dieser Fehler allein ist zu beheben, die menschenfeindliche Vermittlung. Und das wäre für sich gar nicht so schwierig, wenn gewaltige Interessen nicht daran hängen würden. Damit soll gesagt werden: Ich habe kein Problem zu verstehen, was Du meinst, wenn Du 'Irrationale Gesellschaft' sagst. Das trifft aber für mich nicht den Punkt: Solange die Menschen die Gesellschaft als ihre betrachten und sich selbst trotz aller Enttäuschungen als Subjekte, kann man ihnen nur erklären, wo sie sich täuschen. Sich täuschen ist aber das überhaupt Menschliche, das Irrationale schlägt da bereits ins Endgültige und Hoffnungslose um.


Zweitens: die Frage der Schuld, die moralische, die Marx abgelehnt hat. Um den einzelnen Kapitalisten geht es gar nicht. Soweit er Kapital besitzt, muss er sich als Kapitalist verhalten und sich den Gesetzen des Kapitals unterwerfen. Dass diese Unterwerfung was anderes ist als die Unterwerfung des Arbeiters unter die gleichen Gesetzen, einen anderen Geschmack hat, hat in der Beurteilung der Sache nicht zu suchen(wäre die bloße moralische Verurteilung: der böse Kapitalist!). Wirft der Kapitalist sein Privateigentum zum Fenster hinaus, ist er nicht nur kein Kapitalist mehr, er ist auch noch dumm dazu. So wie der Arbeiter denkt, er brauche den Arbeitsplatz, so denkt der Kapitalist, er tue dem Arbeiter ein Gefallen, wenn er ihm einen gibt. Die passen doch gut zusammen die zwei... Und die Moral benutzen sie auch gemeinsam: will sagen, sie legen gegenseitig den moralischen Maßstab an. Von Kapitalisten aus gesehen ist das schon zweckmäßig, so wie mit der Religion auch. Nur für die Beschädigten ist das verkehrte Mittel: Als wäre die Moral was anderes als die Anerkennung der Verhältnisse.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu den Begriffen "rational" und "irrational" habe ich zunächst keine weiteren Ausführungen parat. Es scheint aber definitiv so zu sein, dass ich eine Art von, wie du es in Anlehnung an Hegel genannt hast, objektiven Geist als über die Menschen waltendes Gesamtprodukt annehme, also das Gesamte als Summe des Treibens der einzelnen, das wiederum auf die einzelnen zurückschlägt und eine Art perpetuum mobile auslöst. Damit ist kein vollständiger Verblendungszusammenhang im Sinne Adornos gemeint, sondern in Anlehnung an Marxens Fetischkapitel ein gestufter Glaube an Sachzwänge, die man als die "Natur des Menschen" fehlinterpretiert.

Wichtig und richtig halte ich deine Ausführungen hinsichtlich der Ausbeutung für alle Leute, die sich empören und Marx vorwerfen, dass er einseitig Kapitalisten als "böse" oder sonstwas stigmatisieren wollte. Wie du richtig schreibst liegt Marx so ein verkürztes Denken mehr als nur fern. Dazu möchte ich deine Aussage nochmal hier zitieren. In eckigen Klammern habe ich was dazugefügt.

"Um den einzelnen Kapitalisten geht es gar nicht [auch nicht um eine Gruppe von K]. Soweit er Kapital besitzt, muss er sich als Kapitalist verhalten und sich den Gesetzen des Kapitals unterwerfen. Dass diese Unterwerfung was anderes ist als die Unterwerfung des Arbeiters unter die gleichen Gesetze, einen anderen Geschmack hat, hat in der Beurteilung der Sache nichts zu suchen [Hervorhebung von mir, th3o] (wäre die bloße moralische Verurteilung: der böse Kapitalist!). Wirft der Kapitalist sein Privateigentum zum Fenster hinaus, ist er nicht nur kein Kapitalist mehr, er ist auch noch dumm dazu."

Soweit sehr richtig.
Allerdings habe ich Probleme bei folgenden Ausführungen:

Du schreibst: "So wie der Arbeiter denkt, er brauche den Arbeitsplatz, so denkt der Kapitalist, er tue dem Arbeiter ein Gefallen, wenn er ihm einen gibt."

Das ist zunächst durchaus rational von beiden Seiten. Der Arbeiter denkt nicht bloß dass er den Arbeitsplatz braucht, sondern er braucht ihn realiter auch tatsächlich, um nicht unter einer Brücke zu schlafen. Der Arbeitgeber tut in erster Linie sich selbst einen Gefallen und nicht dem Arbeitnehmer, nämlich indem er Kapital einsetzt und es sich verwerten läßt u.a. indem er den Arbeitnehmer einstellt. Ob jetzt beide sich falsche Vorstellungen von ihrer wechselseitigen Abhängigkeit machen ist hier erstmal nicht relevant. Sie unterliegen gleichermaßen den Sachzwängen und hier ist die moralische "Entschuldigung" für das Verhalten, meines Erachtens, irrelevant und wird sicher keinem die Augen öffnen. Entweder es besteht Einsicht in die Funktionsweise der Sachzwänge oder eben nicht. Die Analyse des Sachzwanges als solche ist bereits die Kritik und nicht das Hinweisen auf die falschen Vorstellungen. Auf Leute die mit dem erhobenen Zeigefinger rumrennen hört bekanntlich niemand.

Dann weiter:
"Von Kapitalisten aus gesehen ist das schon zweckmäßig, so wie mit der Religion auch. Nur für die Beschädigten ist das verkehrte Mittel."

Den Sprung mit Zweck und Religion solltest du lieber nochmal ausführen. Ich glaube, dass diese Denkbewegung nicht ohne Weiteres deutlich ist so wie sie da steht.
Dann steht da, dass es nur "für die Beschädigten" das verkehrte Mittel sei.
Das ist problematisch, denn eben hast du von Sachzwängen geschrieben denen beide unterliegen. Auf einmal aber ist es für die Kapitalisten gut, für die Arbeitnehmer schlecht. Da bringst du wieder eine qualitative Spaltung hinein, die ich für verkürzt halte. Entweder wir sind uns einig, dass die Sachzwänge walten und das Mittel "Kapitalismus" für beide Seiten das verkehrte ist, oder aber du ergreifst Partei. Dann aber bist du wieder recht nahe am Moralisieren und Empören (von wegen die armen Arbeitnehmer hier, Kapitalisten dort). Das jedoch hattest du selbst abgelehnt mit dem richtigen Verweis auf Marx. Also wie nun? :)
 
Zuletzt bearbeitet:
@Mods
Entschuldigt den Doppelpost, aber das hier hat mit dem Post dadrüber nur am Rande wenn überhaupt zu tun.

Ich habe einen sehr interessanten Artikel vom Geschäftsführenden Redakteur der PROKLA, Michael Heinrich, gefunden in dem versucht wird der Notwendigkeit der Krise nachzugehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/145439.die-notwendigkeit-der-krise.html

Hier vorab auch ein kleiner Abschnitt aus dem Text, in dem Heinrich u.a. auf den von bürgerlicher Seite sehr oft gemachten Vorwurf eingeht, wonach es heißt, dass Das Kapital doch schon zu alt sei um noch "ernst" genommen zu werden. Heinrich schreibt also:

"Doch besitzt ein anderer Einwand, zumindest auf den ersten Blick, eine gewisse Plausibilität: das Alter der Marxschen Kapitalismusanalyse. Kann das, was Marx vor gut 140 Jahren formulierte, angesichts der enormen Veränderungen, die seither stattfanden, überhaupt noch Relevanz beanspruchen? Dem kann man entgegenhalten, dass der Gegenstand der Marxschen Untersuchung keineswegs der englische Kapitalismus des 19. Jahrhunderts gewesen war. Wäre dies der Fall gewesen, dann hätten jene Kritiker Recht. Im schon erwähnten Vorwort zum »Kapital« stellte Marx jedoch heraus, dass ihm der englische Kapitalismus seiner Zeit, damals die am weitesten entwickelte Gestalt des Kapitalismus, nur als »Illustration« für seine theoretische Darstellung diene. Worum es Marx im »Kapital« ging, fasste er am Ende des dritten Bandes zusammen: um die Darstellung der »inneren Organisation der kapitalistischen Produktionsweise, sozusagen in ihrem idealen Durchschnitt«. Nicht eine spezifische historische Ausprägung, sondern das, was den Kapitalismus zum Kapitalismus macht, was notwendigerweise zum Kapitalismus gehört, bildete den Gegenstand der Marxschen Untersuchung.

Und mit dieser Untersuchung war Marx seiner Zeit mitunter weit voraus. Was er im ersten Band des »Kapital« als »Produktion des relativen Mehrwerts« analysierte, den Zusammenhang von kapitalistischer Produktivkraftentwicklung, Senkung des Werts der Ware Arbeitskraft und damit einhergehender Steigerung des Mehrwerts, funktioniert erst dann, wenn die Masse der von den Arbeitern und Arbeiterinnen verbrauchten Lebensmittel und Konsumgüter kapitalistisch produziert wird. Erst dann kann sich die Steigerung der Produktivkräfte in der von Marx analysierten Weise auswirken. Dies war aber erst im 20. Jahrhundert der Fall, als mit dem »Fordismus« die Massenproduktion langlebiger Konsumgüter einsetzte und den Konsum der Arbeiterklasse von Grund auf veränderte.

Auch Marx' nicht zu Ende geführte Analyse des Kreditsystems im dritten Band des »Kapitals« wirkt heute aktueller als im 19. Jahrhundert. Marx zeigte nicht nur, dass eine wachsende kapitalistische Ökonomie ohne ein wachsendes Finanzsystem gar nicht möglich ist. In seiner Analyse des »fiktiven Kapitals« demonstrierte er auch, wie die Finanzmärkte, an denen »Ansprüche« auf künftige Erträge gehandelt werden, dazu tendieren, alles zu verdoppeln und zu verdreifachen: Ansprüche auf andere Ansprüche hervorzubringen, Schulden durch ihre Zirkulation in neues Kapital zu verwandeln und dabei riesige Kreditpyramiden aufzubauen, die nach einer Weile einstürzen müssen."
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Anmerkung dazu - hoffe es geht nicht zu sehr off topic.

Alle gängigen Mikro - und Makroökonomischen Theorien, beispielsweise aus der Neo - Klssik oder der evolutorischen Ökonomik, beschreiben die Wirkungsweise einer Volkswirtschaft sehr genau, erklären das Auftreten von Wirtschafts - und Finanzkrisen, gehen je nach Betrachtungsfeld sehr genau auf die Mechanismen in der Spieltheorie, Diffusionstheorie usw. ein.
Ich verstehe nicht ganz, wieso man sich da so sehr auf Marx versteifen muss - wenngleich ich seine Erklärungen der Finanzkrise absolut nachvollziehbar finde; aber ein Blick über den marxschen Tellerrand hinaus offenbart eben auch sehr schlüssige Konzepte, nur sind diese weitaus detailierter.
 
@th3o:

Wegen der Schwierigkeit, Marx zu verstehen/lesen;):

"Nicht wenigen von Marx’ Zeitgenossen fiel es schwer, seiner Argumentation zu folgen, seine eigentümliche „Entwicklungsmethode“ zu verstehen. Heutigen Denkgewohnheiten widerspricht er noch mehr. Bei uns herrscht, allem offiziell verkündeten Pluralismus zum Trotz, eisern der Positivismus / Empirismus. Wem diese metaphysische, ideologische Denkweise einmal anerzogen worden ist, dem fällt es überaus schwer, Zusammenhänge und Verhältnisse zu denken, den Ablauf von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen in historischer Zeit und Raum zu begreifen, große Strukturen und langwierige Prozesse zu verstehen. Für ihn besteht die soziale Welt aus hochabstrakten, quasi dinglichen Einzelheiten, die man unterschiedlich benennen kann, die aber auf jeden Fall einfach „gibt“ und die so sind, wie sie sind, und auch so bleiben. Für Positivisten „gibt“ es eine Ökonomie, eine „Politik“, so wie es „Recht“, „Moral“, „Geschichte“ gibt. So „gibt“ es eben Individuen und daneben etwas „Soziales“." (Michael R. Krätke)

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Edit 5 Apr.

Zitat th3o; "Dann steht da, dass es nur "für die Beschädigten" das verkehrte Mittel sei. Das ist problematisch, denn eben hast du von Sachzwängen geschrieben denen beide unterliegen. Auf einmal aber ist es für die Kapitalisten gut, für die Arbeitnehmer schlecht. Da bringst du wieder eine qualitative Spaltung hinein, die ich für verkürzt halte. Entweder wir sind uns einig, dass die Sachzwänge walten und das Mittel "Kapitalismus" für beide Seiten das verkehrte ist, oder aber du ergreifst Partei. Dann aber bist du wieder recht nahe am Moralisieren und Empören (von wegen die armen Arbeitnehmer hier, Kapitalisten dort). Das jedoch hattest du selbst abgelehnt mit dem richtigen Verweis auf Marx. Also wie nun? :)"

Das von mir angesprochene Mittel war die Moral. Sie ist Anerkennung der Verhältnisse, also erhaltende Kraft der Verhältnisse, aus denen sie entspringt. Ich hatte da geschrieben:

"Zweitens: die Frage der Schuld, die moralische, die Marx abgelehnt hat. Um den einzelnen Kapitalisten geht es gar nicht. Soweit er Kapital besitzt, muss er sich als Kapitalist verhalten und sich den Gesetzen des Kapitals unterwerfen. Dass diese Unterwerfung was anderes ist als die Unterwerfung des Arbeiters unter die gleichen Gesetzen, einen anderen Geschmack hat, hat in der Beurteilung der Sache nicht zu suchen(wäre die bloße moralische Verurteilung: der böse Kapitalist!). Wirft der Kapitalist sein Privateigentum zum Fenster hinaus, ist er nicht nur kein Kapitalist mehr, er ist auch noch dumm dazu. So wie der Arbeiter denkt, er brauche den Arbeitsplatz, so denkt der Kapitalist, er tue dem Arbeiter ein Gefallen, wenn er ihm einen gibt. Die passen doch gut zusammen die zwei... Und die Moral benutzen sie auch gemeinsam: will sagen, sie legen gegenseitig den moralischen Maßstab an. Von Kapitalisten aus gesehen ist das schon zweckmäßig, so wie mit der Religion auch. Nur für die Beschädigten ist das verkehrte Mittel: Als wäre die Moral was anderes als die Anerkennung der Verhältnisse."

Den Vorwurf des Moralisieren (oder recht nahe) lasse ich nicht gelten. Die zwei Klassen sind in keinen neutralen Abhängigkeitsverhältnis, also keine gleiche Partner, die zusammen etwas bestimmen. Die Lohnarbeit ist vom Kapital abhängig. Die Moral erkennt diese Abhängigkeit an. Sie verlang nur um Gnade, schlimm soll es nicht gehen, der eine soll vom andren nicht vernichtet werden. Darum wird dann gerungen, die Heuchelei kommt gelegentlich auch im Spiel oder sie wird einem vorgeworfen, um in Namen der Moral die Verhältnisse selbst beizubehalten. Daher ist die Sache klar: Die Moral ist kein Mittel für den Arbeiter. Das bedeutet nicht die armen Arbeitnehmer hier, Kapitalisten dort, sondern die faktische Unterordnung der Arbeit unter das Kapital, die nicht durch die Moral zu beheben ist.

In diesem Verhältnis ist der Arbeiter Objekt und das Kapital Subjekt. Das Kapital entscheidet ob es Arbeit gibt und zu welchem Preis, dass sie gewinnbringend stattfindet. Diese Subjekt-Objekt-Relation entscheidet die Sache und nicht die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz. Das Gesetz selbst unterscheidet sich von der Moral darin, dass es selbst die Verhältnisse setzt. Vorm Gesetz kann man dann klagen: nicht dass die Sachen so sind, sondern dass eine Regel verletzt wurde. Es wird die Verletzung angeklagt aber nicht die Regel selbst.

Genauso sehe ich die Sache mit dem Sachzwang. Der gibt es, aber die zwei Parteien verhalten sich dem gegenüber asymmetrisch: Die eine beruft sich auf dem Sachzwang, die andere muss sich dem unterordnen. Der Lohnabhängige kann halt nur existieren, weil die Sachzwänge an ihm exekutiert werden. Man könnte sogar sagen, die Geschäfte gehen weiter trotz Sachzwang, also er ist doch kein, er ist nur geheuchelt. (Und jetzt bitte nicht wieder mit der moralische Keule kommen - ich habe keine Argumente mehr!;))

[EDIT 19.04 und 24.06.09] Noch ein Argument für/gegen Sachzwänge: Der erste Zwang ist das Geldverdienen - das kennt doch jeder. Und zwar nicht einfach Arbeit - das ist nicht der Zwang -, sondern Arbeit, die sich für einem anderen lohnt, d.h. Gewinn abwirft. Das heißt aber für Kapitalbesitzer (Personen, AG, etc.) Kapital zu vermehren. Für die Arbeiter/Lohnabhängigen, arbeiten um zu leben. Anders gesagt der 'Zwang' Geldverdienen ist für die einen sowieso was sie wollen, für die anderen nur was sie müssen. Das kann man schon an den Träumen dieser Charakteren festmachen: die einen träumen davon, immer mehr Geld zu vermehren, die anderen so viel Geld zu verdienen, um nie mehr arbeiten zu müssen.[/EDIT]

Diese Wirtschaftsweise hat viele Erscheinungsformen, die die wesentlichen Verhältnisse mystifizieren. So z.B. arbeitet die Wirtschaftswissenschaft mit den berühmten 'Produktionsfaktoren': Arbeit, Kapital (und Boden). Der neu produzierte Wert (Bei Marx Wertprodukt) teilen sich dann die Eigentümer der 'Produktionsfaktoren': Arbeiter, Kapitalist (und Bodeneigentümer). Marx beschreibt das so:

"Die Darstellung von Mehrwert und Wert der Arbeitskraft als Bruchteilen des Wertprodukts - eine Darstellungsweise, die übrigens aus der kapitalistischen Produktionsweise selbst erwächst und deren Bedeutung sich später erschließen wird - versteckt den spezifischen Charakter des Kapitalverhältnisses, nämlich den Austausch des variablen Kapitals mit der lebendigen Arbeitskraft und den entsprechenden Ausschluß des Arbeiters vom Produkt. An die Stelle tritt der falsche Schein eines Assoziationsverhältnisses, worin Arbeiter und Kapitalist das Produkt nach dem Verhältnis seiner verschiednen Bildungsfaktoren teilen." (K1, S.555)

Was ist diesen Austausch des variablen Kapitals mit der lebendigen Arbeitskraft? Das variable Kapital ist der Lohn der Arbeiter. Die lebendige Arbeitskraft ist die, die mehr Wert schafft als ihrer eigenen Lohn. Dieser Mehrwert fällt dem Kapitalisten zu. Der Kapitalismus kennt aber keine Arbeitskraft, sondern Arbeiter und Arbeit. Die Arbeit hat einen Preis. Sogar die Linken sagen: „Gerechter Lohn für gerechte Arbeit“ als hätten sie das Kapital nicht gelesen. So etwas gibt es nicht:

"Im Ausdruck: "Wert der Arbeit" ist der Wertbegriff nicht nur völlig ausgelöscht, sondern in sein Gegenteil verkehrt. Es ist ein imaginärer Ausdruck, wie etwa Wert der Erde. Diese imaginären Ausdrücke entspringen jedoch aus den Produktionsverhältnissen selbst. Sie sind Kategorien für Erscheinungsformen wesentlicher Verhältnisse. Daß in der Erscheinung die Dinge sich oft verkehrt darstellen, ist ziemlich in allen Wissenschaften bekannt, außer in der politischen Ökonomie." (K1, S.559)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Lohnarbeit ist Vom Kapital abhängig.

Das Kapital entscheidet ob es Arbeit gibt und zu welchem Preis, dass es gewinnbringend ist.

Rupert Murdochs erfolgsverwöhnte News Corporation hat den höchsten Quartalsverlust ihrer Geschichte erlitten - mehr als sechs Milliarden Dollar.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,605843,00.html

Toshiba rechnet wegen weiterer Abschreibungen für das Ende März abgelaufene Geschäftsjahr mit einem Minus von 2,7 Milliarden Euro.
http://www.welt.de/wirtschaft/article3571378/Toshiba-faehrt-Rekordverlust-ein.html

UBS hat 2008 einen Verlust von fast 20 Milliarden Franken eingefahren.
http://www.zeit.de/online/2009/07/ubs-milliardenverlust-rekordverlust

Sony Ericsson erwartet Rekordverlust von 390 Millionen Euro
http://www.golem.de/0903/66031.html

Premiere präsentiert Rekordverlust
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/premiere-praesentiert-rekordverlust;2156995

Die Allianz hat das abgelaufene Geschäftsjahr mit einem Rekordverlust von 2,4 Milliarden Euro abgeschlossen.
http://www.stern.de/wirtschaft/unte...Belastungen-Allianz-Rekordverlust/656032.html

Die Arbeitnehmer haben trotzdem ihren Lohn bekommen. Die Anteilseigner gingen leer aus und blieben auf ihren Verlusten sitzen. Auch das gehört zur Wahrheit.
 
keshkau schrieb:
Die Arbeitnehmer haben trotzdem ihren Lohn bekommen. Die Anteilseigner gingen leer aus und blieben auf ihren Verlusten sitzen. Auch das gehört zur Wahrheit.[/B]

Wenn sie ihren Job behalten haben.
UBS 8700 Stellen
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video480222.html

Toshiba 4500 Stellen
http://www.freie-allgemeine.de/artikel/news/krise-auf-chipmarkt-zwingt-toshiba-zu-stellenabbau/

Premiere geplant
http://www.elektrojournal.at/ireds-52955.html

Beide Seiten betrifft es. Meiner Meinung nach trifft es aber gerade diejenigen immer mit wenig Vermögen am härtesten. Hin oder her ob sie arbeiten oder ein paar Aktien besitzen.
 
Es kommt in diesem Thread immer wieder vor, dass einer vorbeischaut und seine Meinung zum Besten gibt. Z.B. DugDanger. Er meinte nicht verstehen zu können: "wieso man sich da so sehr auf Marx versteifen muss". Weil der Thread so heisst (Sorry, ich weiß, es war ein Fehler von mir!:D) Daher empfiehlt er uns "ein Blick über den marxschen Tellerrand hinaus". Als würde ihm bei den Italienern ständig passieren, dass er Lasagne essen möchte und der Kellner ihn zu der Wurstbude nebenan schickt, weil da sehr leckere Wiener gibt. Nun, ja...

Ganz anders keshkau. Er meint mir zu widersprechen, indem er Sachen so nicht stehen lässt, die sonst von mir auch nicht gesagt worden sind. "Die Anteilseigner gingen leer aus und blieben auf ihren Verlusten sitzen. Auch das gehört zur Wahrheit" - sagt er. Ich habe das auch nicht behauptet, weil zu banal ist. In Verlauf ihrer Konkurrenz ums Geld, Marktanteile und billige Arbeit, geht manch einer schon Pleite. Aber das ist keshkau nicht banal, sondern ist eine Wahrheit, die mal gesagt werden müssen, weil zu viele scheinen das zu übersehen. Als hätte den 'Anteilseignern' die Probleme sonst wer eingebrockt und nicht sie selbst. Oder ihr wunderbares 'System'.

Wie kommt so eine Überlegung zustande?
Ich schrieb: "Die Lohnarbeit ist vom Kapital abhängig." Oder: "Das Kapital entscheidet ob es Arbeit gibt und zu welchem Preis, dass es gewinnbringend ist."
Da fällt keshkau ein: Wenn eine Firma Pleite geht, dann entscheidet dieses Kapital gar nichts mehr. Und so meint er etwas widersprochen zu haben. Hat er gar nicht. In erfolgreichem Funktionieren des Kapitals sieht man noch seine schöne Seite, die von unserer Politiker so geschätzt ist, weil die Lohnabhängigen noch ihr Auskommen darin haben. Im Scheitern des Kapitals wird die dunkle Seite sichtbar und die wahre Abhängigkeit: Zerstörung des Kapitals geht mit der Zerstörung der materiellen Grundlagen des Geschäfts und damit der Lebensgrundlagen der Lohnabhängigen einher.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei man hier zwischen der einzelwirtschaftlichen und der gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise unterscheiden muss, was Du nicht machst.

Die Pleite eines Unternehmens führt nicht zur Zerstörung "des Kapitals". Da verschieben sich vielleicht Marktanteile und das war es auch schon. Für den Arbeitnehmer bedeutet die Pleite seines Arbeitgebers nicht zugleich die Zerstörung seiner Lebensgrundlagen. Wenn Opel keine Autos mehr baut, dann verkaufen Volkswagen oder Ford welche. Sie fangen die Nachfrage auf und brauchen entsprechend mehr Personal. Zwischenzeitlich gibt es auch noch den Sozialstaat (Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld). Da bricht dem Lohnarbeiter nicht unbedingt ein Zacken aus der Krone.
 
Marx hat etwas gegen Ideologie gehabt und dagegen hat er das Wissen in die Stellung gebracht. Was schon damals die 'Wissenschaft' leistete, hat er in seiner Kritik der politischen Ökonomie zu bekämpfen versucht. Die Folge davon ist: Marxismus gilt heute als Ideologie.

Was ist Ideologie: Die Ideologie ist eine interessierte Parteinahme.

Beispiel: Ich kann für den Lohn sein, vielleicht für einen besseren Lohn, weil ich davon leben will - das ist eine Parteinahme für den Lohn. Wenn ich aber verstehe, dass ich vom Lohn nur soweit leben kann, wie ich dem anderen durch meine Arbeit Gewinn verschaffe, also für ihn ist mein Lohn nur Kosten, die er im Verhältnis zu seinem Nutzen zu senken versucht, dann kann ich von meiner Parteinahme lassen und mir etwas anderes überlegen.

Wenn ich aber diese Lohnarbeit der freien Individuen in der Gesellschaft als einzig mögliche darstelle, weil es eben etwas anders nicht gibt und partout nicht sehen will, wem das Nutzen bringt - dann ist das Ideologie; die Parteinahme ist nicht daran interessiert, die Sache zu begreifen, sondern sie als gut und erstrebenswert darzustellen.

Eine wichtige Bemerkung: Ideologien sind immer die Kunst der freien Individuen. Sie sind entstanden zeitgleich mit der Befreiung des Individuum von der persönlichen Abhängigkeit, also zeitgleich mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise.
 
@barista
Die Aussage, dass Marx in der Kritik der politischen Ökonomie die "Wissenschaft" kritisiert hätte, liest sich so, als hätte er das komplette wissenschaftliche Treiben aller (möglichen) Gebiete kritisiert. Du meinst aber doch sicher eher, dass er die damals gängige (und in Teilen auch heute noch aktuelle) Wirtschaftswissenschaft in erster Linie kritisiert hat, oder?

Weiter bedarf dein letzter Absatz über die Ideologien und die freien Individuen noch einiger Erklärung. Wie hängt denn das befreite Individuum mit Ideologie zusammen? Ich habe eine eher dunkle Vermutung in welche Richtung die Herleitung gehen könnte. Ich würde ansetzen bei dem Gedanken, dass durch die Freiheit des Individuums, die u.a. darin besteht sich selbst und damit einhergehend seine Arbeitskraft zu Markte zu tragen, dieses Individuum dann angefangen hat sich die Welt und sein Dasein so zu erklären, dass dieses Zu-Markte-tragen für es im besten Fall rational erscheint, im schlimmsten Fall aber die einzige Möglichkeit darstellt mit bescheidenen Mitteln irgendwie sein Dasein zu fristen.
Wenn eine Definition von Ideologie möglich wäre, dann würde ich diese vorschlagen:

Ideologie ist der Versuch des Einzelnen sein Dasein und sein Denken so einzurichten, dass es für ihn möglich wird, sich über die wirklichen Zwecke und Ziele der Ordnung, der er jeweils unterliegt, hinwegzutäuschen.
 
Zur damaligen Zeit gab es praktisch nur die politische Ökonomie als Abspaltung der Methaphysik.

Mit der 'Wissenschaft' verhält sich (vereinfacht) so: Lange Zeit, bis zu den Anfängen des Kapitalismus oder, wenn du willst, der Aufklärung, gab es nur die Physik und die Metaphysik. Sie kamen aus den alten Techne und Philosophia und haben sich seitdem zu den heutigen Natur- und Geisteswissenschaften entwickelt und weit gefächert. Sie werden heute unter 'Wissenschaft' zusammengefasst und von der Gesellschaft anerkannt, d.h. vom Staat gleichermaßen mit dem Geld der Gesellschaft gefördert und getrieben.

Diese einheitliche Behandlung ist bei genauerer Betrachtung trügerisch. Geht es in der ganzen 'Wissenschaft' um 'Wissen'? Meine Behaptung ist: In der Naturwissenschaft geht es um Wissen, in der Geisteswissenschaft geht es und kann es gar nicht um Wissen gehen. Die Begründung ist relativ einfach: Die Naturwissenschaft hat ein Objekt, das für sich existiert, während das Objekt der Geisteswissenschaft ist ein gesetztes, also nicht für sich existierendes. Deswegen bezieht die eine aus ihrem Objekt Wissen über dieses Objekt (Natur), während die andere aus dem Objekt sozusagen bezieht, was sie hereingesetzt hat. Hier kam Marx und sagte: "Sie (die Menschen) wissen es nicht, aber sie tun es". Dabei dachte er, wenn der Mensch das Richtige setzen würde, bräuchte er keine 'Wissenschaft', um im Nachhinein zu entdecken, was er selbst damit wollte. Und das Richtige wäre schon durch scharfes Denken möglich. Es hört sich wie eine Aporie, oder?

Die Naturwissenschaft beschäftigt sich mit genauen Wissen über die Natur und dient der Beherrschung derselben. Dieses Wissen fließt sozusagen direkt in die Produktion ein und erzielt ein immer größeres Produktionsergebnis mit immer weniger Arbeit.

Die Geisteswissenschaften produzieren kein Wissen, sondern absolut unabsichtlich die immerwährende Bestätigung, dass es nicht anders geht und das Wissen (worüber?) immer weiter geht. Sie kann auch nicht darüber entscheiden, dass die Ergebnisse der Naturwissenschaften - mit immer besserer Technik, immer mehr Produkte, also immer weniger Arbeit, also immer besseres und leichteres Leben für die Menschen bringen soll. Wieso nicht? Weil das ganze gesellschaftlich produzierte Wissen privat und nur für Privateigentum von freien Eigentümer betätigt und angewandt wird.

So bin ich wieder bei der Freiheit, sprich Ideologie, gelandet. Die freien Eigentümer mit ihrer verrechtlichten Freiheit ihres Eigentums brauchen Ideologie, sie produzieren sogar selbst, wenn sie sich über sich Gedanken machen, nur Ideologie. Somit habe ich auch deine Definition der Ideologie - glaube ich - bestätigt. Bis auf dem "Zwecke und Ziele" und "hinwegzutäuschen". Das letzte Wort ist nicht passend, weil es das negative Moment zum Ausdruck bringt. Aber die Sache hat eine positives Moment, das in den Zwecken und Zielen liegt. Indem das Individuum rechtlich frei dekretiert wird, mit Lizenz zum Agieren/Bereichern/zur freien Entfaltung sind seine Zwecke automatisch eingebettet in den übegeordneten Zwecken, sozusagen identisch. Das Hinwegtäuschen ist fast ein verschwindendes Moment.

Zur Verdeutlichung: Das Interesse des Arbeiters ist es, seinen Lohn zu bekommen. Daher entwickelt er von selbst das Interesse, dass die Geschäfte seines Anwenders/Arbeitgebers gelingen: das läuft heutzutage unterm Begriff 'Motivation'. Wenn die Geschäfte nicht gelingen, ist sein Lohn weg. Genau da sind die Gewerkschaften auch angelangt: sie dürfen per Gesetz das Geschäft nicht schädigen, das wollen sie aber auch nicht, weil sie dann die Arbeiter schädigen würden. Deswegen nehmen sie die von Konkurrenz verursachte Schädigung in Kauf, obwohl von der Wirkung dieser Konkurrenz auf ihrer Klientel sehr wohl wissen.

Das geht sogar weiter: Aus dem Interesse des Gelingen des Geschäfts, das heute weltweit stattfindet und das Eingreifen des Staates erfordert, wird der abhängige Lohnbezieher ein unbedingter Fan seines Staates, der in einer weltweiter Konkurrenz steht, und des 'Gemeinwohls', d.h. des Gelingen aller Geschäfte im Lande, wozu er sich mit seinen bescheidenen Auskommen immer bescheiden muss, sozusagen ein Patriot. Und wenn sein Land die Potenz hat und in der Welt 'Verantwortung' übernehmen will, ist er bereit die 'Probleme' bei anderen Nationen zu finden, für deren Beseitigung jetzt sein Staat 'verantwortlich' ist und eingreifen soll.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde, bzgl. der Geisteswissenschaft Wirtschaftswissenschaft folgenden Einwand einwerfen.

Die VWL leitet sich zum Teil auch aus dem Beobachten menschlichen Verhaltens ab. Auch ist die Entstehung des Kapitalismus ja ein Jahrzehnte (Jahrhunderte?) langer Prozess.
Es ist also nicht so, dass der Kapitalismus von heute auf morgen da war, dann wurde das Verhalten der Individuen beobachtet und daraus entstand dann die Wirtschaftswissenschaft.
menschliche Entwicklung und Entwicklung unseres Systems giengen einher, beeinflussten sich gegenseitig.
Insofern ist der Gegenstand der geisteswissenschaft nicht nur "nicht - existent" sonder, zumindest zum Teil existent im Verhalten der Individuen. Dieses Verhalten wird natürlich vom System beeinflusst, aber hat nicht auch das Verhalten der Menschen das kapitalistische Syswtem beeinflusst?
 
Zitat: "Die VWL leitet sich zum Teil auch aus dem Beobachten menschlichen Verhaltens ab"

Leitet sich nicht alles aus dem menschlichen Verhalten ab? Es ist fade, dass sich alles irgendwie beeinflusst, Menschen die Gesellschaft und Gesellschaft die Menschen. Die Frage ist immer doch: Wie?

Marx behauptet:

1. die Menschen haben in kleineren oder größeren Einheiten (Familie, Stämme, etc) gelebt,
2. Sachen für sich und dann für anderen produziert,
3. Austausch getrieben,
4. aus dem Austausch das Geld entwickelt,
5. immer größere Einheiten, Gesellschaften und Länder gebildet,
6. die Naturwissenschaften zur Beherrschung der Natur und
7. die Naturwissenschaften zur Hilfe fürs Produzieren eingesetzt

und obwohl die Gesellschaft immer mehr produziert hat, sind immer mehr Menschen von diesem Reichtum ausgeschlossen.

Jetzt ist eigentlich klar, dass es die Menschen sind, die alles zustande gebracht haben, damals wie heute. Das heißt, die Menschen haben etwas gewollt, sie haben ihren Willen durchgesetzt, um das zu haben. Die Frage ist nur, haben sie gerade das gewollt, was sie heute haben, oder haben sie gar nicht gewußt, was sie tun? - wie Marx behauptet.

Wenn man heute die Menschen hört (man braucht sie gar nicht zu fragen) erzählen alle, wie fertig sie sind, wie stressig die Arbeit ist, oder das sie keine Arbeit haben. Die Menschen anderswo verhungern oder werden mit Krieg überzogen. Alle Menschen finden den Zustand dieser Welt furchtbar. Gleichzeitig sagen sie, es geht nicht anders. Dann ist eigentlich unmöglich, dass sie das gewollt haben. Aber wer sonst?

Marx behauptet, dass die Menschen in ihrem unschuldigen Treiben, Tatsachen geschaffen haben, die sie jetzt nicht mehr loswerden. Die von ihnen selbst geschaffenen Sachen haben schon längst die überhand genommen: Aus der unschuldigen Freiheit 'Jeder soll machen, wie er das will' ist eine gewaltige Konkurrenz geworden, die Heute auch einen Namen hat - Sachzwang.

Das ist blauäugig zu behaupten, "Die VWL leitet sich zum Teil auch aus dem Beobachten menschlichen Verhaltens ab". Das Verhalten, das so beobachtet wurde war bereits abgerichtetes und gezwungenes Verhalten abhängiger Individuen, abhängiger Lohnarbeiter, und das waren die meisten 'Menschen'. Oder meinst du das Verhalten weniger Gutbetuchten und aufstrebender Bürger, die Lohnarbeiter oder Sklaven gehalten haben, dann könnte schon sein, dass VWL nach denen sich richtete. Das glaube ich eher.

Aber in der Wissenschaft gelten viele ungültige und schädliche Verallgemeinerungen.
 
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@barista
Natürlich hast du recht mit dem Hinwegtäuschen. Es war meinerseits durchaus polemisch angehaucht. Das hinwegtäuschen ist nur ein Moment im Ganzen und schlägt zugleich in das scheinbar entgegengesetzte Moment um, das aber gar nicht entgegengesetzt ist (wie schon von Hegel zu lernen ist), sondern dieselbe Seite derselben Medaille, nämlich in das Moment, dass es auch ein erhaltendes, notwendiges und in seiner Art und Weise auch produktives Moment ist. Marx hebt ja selbst hervor bzw. hält damit nicht hinter dem Berg, dass die Entwicklung, so wie sie vonstatten gegangen ist, erstmalig in der (Vor)Geschichte der Menschen einen derartigen Reichtum produzieren konnte. Den Reichtum selbst hat er ja nicht kritisiert, sondern lediglich die Art und Weise der gängigen Erklärungen über den materiellen Reichtum und die tatsächliche Praxis der Beschaffung/Herstellung/Verteilung von Reichtum.
 
@ th3o

Über die "gängigen Erklärungen über den materiellen Reichtum und die tatsächliche Praxis der Beschaffung/Herstellung/Verteilung von Reichtum" (Zitat th3o) und die Frage des Eigentums und der Freiheit, wie von mir in einem anderen Thread schon angesprochen:
barista schrieb:
Das liegt einfach in der freien Verfügung der verrechtlichten Person über sein Eigentum, der Errungenschaft dieser Gesellschaft. Wo wenige über tatsächliches Eigentum und viele nur über sich selbst verfügen, bestreiten die wenige ihre Konkurrenz mit Geld und die vielen mit ihrem eigenen Leib. Die davon unvermeidlichen Schaden, erleiden sie entsprechend an Geld oder an Leib, Seele und Psyche, die sie deswegen einsetzten müssen. Davon mal abgesehen und ganz getrennt ist die Unterhaltung der vielen einfach Kosten (oder sogar Unkosten!) für die anderen oder gar für 'unseren Staat', egal ob man sie arbeiten lässt oder nicht mehr, weil deren Arbeit sich 'nicht mehr lohnt'.

Die Vorstellung des modernen Menschen ist so: Der Mensch ist und soll frei sein, und seine Freiheit in seinem Eigentum erleben. Das hat auch Hegel gesagt.
Nun aber haben die Freiheit und das Eigentum ein ziemlich eigentümliches Verhältnis zueinander, das nur Marx aufgefallen ist: Von dem, was meines ist, schließe ich die anderen aus, d.h. die freien Eigentümer zwingen sich in ihrer Freiheit gegenseitig Schranken auf, also schränken sich wegen der Freiheit die Freiheit ein. Solange die Produktion dieser privaten Produzenten nicht übermäßig ist, fällt dies nicht weiter auf. Große Vermögen dienen zur mehr Genuss und mehr Luxus und weiter nichts.

Jetzt ist auch nicht so, dass es nicht anderes gegeben hat in der Geschichte, als Freiheit und Eigentum. Es gab Völker, die mit Gemeineigentum oder Kollektiveigentum gewirtschaftet haben, sogar in Europa gab es bis vor ein Paar Jahrhunderten, mancher Orts Jahrzehnten. Möglich wäre es gewesen, dass die ganze Menschheit immer so produziert. Die Menschen hätten sich weiter verständigen können, ihre Werkzeuge zusammen zu entwickeln, um mehr zu produzieren und so besser zu leben. Unter der Gemeineigentum hat ihre Freiheit nicht gelitten, sie waren frei und sie haben sich ihre Freiheit nicht eingeschränkt, sondern einfach nur zusammengehalten. Sie haben ihren Zusammenhalt nicht als Unfreiheit gesehen, im Gegenteil, sie haben daran festgehalten und mussten mit Gewalt 'befreit' werden. Von wem denn?

Wenn man Eigentum sagt, denkt unsereins an unser Fahrrad oder Auto. Man fährt damit zur Arbeit und sonst nichts. Das heißt nur, man ist darauf angewiesen, um zur Arbeit zu kommen. Die Schlagkraft des Eigentums ist was ganz anderes: nicht die Sachen, die ich benutze oder benutzen muss, sondern die Sachen die ich besitze aber nicht benutze und auf die andere angewiesen sind, bringen mir einen Gewinn, das heisst vermehren meinen Reichtum, wenn ich andere für mich damit arbeiten lasse. Das Fahrrad oder das Auto bringt einen zur Arbeit ein Leben lang, reich wird er dabei nicht. Würde er einen Autoverleih aufmachen vielleicht eher, aber mit Sicherheit, wenn er Autos von 10000 Arbeiter bauen ließe in seiner Fabrik.

Der moderne Mensch weißt von Marx, wenn er auch nichts weiter weißt, dass der das private Eigentum abschaffen wollte. Dabei wollte er nur auf diesen Widerspruch hinweisen, dass das Eigentum und damit verbundene Freiheit nichts gutes ist für die, die nur sich selbst 'besitzen'. Und das ist eben das Resultat von kapitalistischer Wirtschaft. Das sagt MArx so:

K. Marx (Das Kapital I schrieb:
Wie lang auch die Reihenfolge der periodischen Reproduktionen und vorhergegangnen Akkumulationen, die das heute funktionierende Kapital durchgemacht hat, es bewahrt immer seine ursprüngliche Jungfräulichkeit. Solange bei jedem Austauschakt - einzeln genommen - die Gesetze des Austausches eingehalten werden, kann die Aneignungsweise eine totale Umwälzung erfahren, ohne das, der Warenproduktion gemäße, Eigentumsrecht irgendwie zu berühren. Dieses selbe Recht steht in Kraft wie am Anfang, wo das Produkt dem Produzenten gehört und wo dieser, Äquivalent gegen Äquivalent austauschend, sich nur durch eigne Arbeit bereichern kann, so auch in der kapitalistischen Periode, wo der gesellschaftliche Reichtum in stets steigendem Maß das Eigentum derer wird, die in der Lage sind, sich stets aufs neue die unbezahlte Arbeit andrer anzueignen.

Dies Resultat wird unvermeidlich, sobald die Arbeitskraft durch den Arbeiter selbst als Ware frei verkauft wird. Aber auch erst von da an verallgemeinert sich die Warenproduktion und wird sie typische Produktionsform; erst von da an wird jedes Produkt von vornherein für den Verkauf produziert und geht aller produzierte Reichtum durch die Zirkulation hindurch. Erst da, wo die Lohnarbeit ihre Basis, zwingt die Warenproduktion sich der gesamten Gesellschaft auf; aber auch erst da entfaltet sie alle ihre verborgnen Potenzen. Sagen, daß die Dazwischenkunft der Lohnarbeit die Warenproduktion fälscht, heißt sagen, daß die Warenproduktion, will sie unverfälscht bleiben, sich nicht entwickeln darf. Im selben Maß, wie sie nach ihren eignen immanenten Gesetzen sich zur kapitalistischen Produktion fortbildet, in demselben Maß schlagen die Eigentumsgesetze der Warenproduktion um in Gesetze der kapitalistischen Aneignung.

Das heißt soweit: Die Freiheit mit seinem Eigentum zu wirtschaften, geht noch in Ordnung solange der Produzent für sich selbst arbeitet, nicht mehr aber, wenn er durch die Arbeit anderer immer mehr Reichtum und Potenz bei sich hortet, um auf immer mehr Arbeit und Potenzen der Gesellschaft Zugriff zu bekommen. Das letztere unterstellt schon Geld, Macht, Ordnung und Gewalt, also Herrschaft.

Noch mal anders: Bei niedriger Produktivität verfügt der private Produzent über sich selbst und sein Leben. Bei der hohen Produktivität heutzutage verfügt der private Eigentümer (kein unmittelbarer Produzent!) über die Arbeit, also das Leben anderer. Und wenn die Leute das akzeptieren sind die Verhältnisse geheiligt, egal wie schlecht einem darin geht.
 
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Bin gerade dabei mir Hegels Rechtsphilosophie für die mündliche Prüfung aufzufrischen und habe was ganz Gutes bezüglich meiner oben erwähnten Seite der Medaille, die zwei Momente gleichzeitig bereithält, gefunden. In Paragraph 198 heißt es über die Teilung der Arbeit in der bürgerlichen Gesellschaft:

"Das Arbeiten des Einzelnen wird durch die Teilung einfacher und hierdurch die Geschicklichkeit in seiner abstrakten Arbeit sowie die Menge seiner Produktionen größer. Zugleich vervollständigt diese Abstraktion der Geschicklichkeit und des Mittels die Abhängigkeit und die Wechselbeziehung der Menschen [...] zur gänzlichen Notwendigkeit."

Dann kommt eine interessante Passage:

"Die Abstraktion des Produzierens macht das Arbeiten ferner immer mehr mechanisch und damit am Ende fähig, dass der Mensch davon wegtreten und an seine Stelle die Maschine eintreten lassen kann."

Man bedenke: Der Text ist aus dem Jahre 1821.
 
Meine These: Marx lesen lohnt nicht, und wenn, dann nur äußerst kritisch. Marx hat als Kommunist die Grundlage für den Marxismus gelegt und selbst formuliert:

"Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung."

http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx

Die Folge war ein revolutionärer Sturm, der um den Erdball fegte und 80-100 Millionen Todesopfer hinterließ:

http://www.amazon.de/Das-Schwarzbuch-Kommunismus-Unterdrückung-Verbrechen/dp/3492046649

Alle kommunistischen Diktaturen, ich wiederhole alle (einschließlich der Maoismus) haben sich auf Marx berufen. Und die Diktatur des Proletariats umgesetzt, dazu Gewalt als politisches Mittel angewendet.

Marx ist meiner Meinung nach daher ein gefährlicher Ideologe und Hetzer, der viel Hass und Unheil über die Welt gebracht hat.
 
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Das Thema dieses Threads ist zunächst einmal Marx zu lesen und nicht irgendeine populäre Flugschrift, die in einer bestimmten historischen Situation (1847/48) verfasst wurde und die auf eine entsprechend politische Atmosphäre gegründet ist und nur innerhalb dieser ihre volle Bedeutung erfährt (somit richtig nur kontextualisiert betrachtet werden darf), pauschal zu kommentieren. Darunter fällt auch die willkürliche Werbung für Bücher :)
 
Das ist keine Flugschrift. Das klingt ja so nach "Flyer", "Flugblatt". Das ist ein Zitat aus dem 30seitigen "kommunistischen Manifest", das die Grundlage für alle kommunistischen Systeme legte.

Und welch große Bedeutung es noch heute hat, sieht man daran, dass die kommunistsche Partei Deutschlands aus diesem Manifest auf der Startseite zitiert (k-p-d-online.de).

Also: Marx lesen, aber dann nicht wegsehen dabei.
 
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