@th3o
Erst einmal schnell eine 'halbe' Antwort:
1. Das stimmt, was Du sagst: Da gibt es bei mir dieses Problem mit dem Rational/Irrational. Und da trenne ich das Individuum von den größeren 'Verbänden. Da das Individuum seine Überlegungen immer über seinem Verstand (Ratio) anstellt, es erscheint mir widersinnig, den Schluss als irrational zu bezeichnen, sondern nur falsch. Anders mit der z.B. Gesellschaft: Da in diesem Fall kein Ratio auszumachen ist (Gesellschaftskörper) können deren Verhältnisse schon als irrational genannt werden. Aber das wäre dann schon die geballte Macht aller verkehrten Vorstellungen, die die ganze Gesellschaft in seine Bahn zieht.
2. Sehr interessant ist die Idee, "schuldige auszumachen". Es geht mir nicht darum aber ich kann dir die Gegenfrage stellen: Warum willst Du keine "schuldige auszumachen"? Steht das Resultat deiner Untersuchung bereits fest, dass keinen Schuldigen gibt?
===============
Edit 13 Feb. 2009
Ich habe mir lange überlegt (!). Ich versuche jetzt unseren Diskussionsfaden wieder aufzunehmen: Zuerst einmal rational, irrational - Individuum, Gesellschaft.
Noch mal zur Fixierung der Begriffe. Während Individuum und Gesellschaft (bis auf weiteres) unproblematisch erscheinen, haben wir mit rational-irrational ein Begriffspaar, das uns (mir) Kopfzerbrechen bereiten kann: Es hat eine lange Geschichte hinter sich und lässt sich für ziemlich viele Zusammenhänge benutzen. Ich brauche sie für meine Gedanken nicht, ich komme ohne sie gut zu recht. Du hast sie benutzt und ich habe nichts dagegen - wenn wir sie nur richtig 'fixieren'. Außerdem fehlt mir noch ein Begriff: der Wille. Der Wille ist der Grund der Betätigung des Intellektes, begleitet sie und schließt sie ab, indem er eine Entscheidung in der Sache herbeiführt: "die praktische Vernunft, als freier und reiner Wille"
Ich verstehe Dich so: Du betrachtest die Betätigung des Intellektes vom Resultat her. Dementsprechend alles was beim Erreichen des vorgenommenen Zieles scheitert ist als irrational zu bezeichnen - egal ob im Individuum oder in der Gesellschaft. Andersherum genau so. Also: rationales Individuum = rationale Gesellschaft, irrationales Individuum = irrationale Gesellschaft, ganz konsequente Überleitung.
Dem setze ich entgegen: Die Subjekte Individuum und Gesellschaft sind gar nicht homogen. Das eine denkt, die andere nicht. In Interaktion/Zusammenhang der Individuen in der Gesellschaft muss Du notwendigerweise einen zusammengesetzten Intellekt erblickt haben, einen objektiven Geist, sozusagen. Den sehe ich nicht: Die eine, als Herrschaft organisiert, regiert in Namen einer übergeordneten Vernunft über 'unvernünftige' Individuen. Sachzwänge von oben, Idealvorstellungen von unten, die sich notwendig einander bedingen.
Ich betrachte die Sache nicht vom Resultat, sondern von der Voraussetzung - das Vorhandensein des Intellekts - her: Der Mensch als 'animal rationale', 'zoon logikon'. Weil er das Logos als Attribut besitzt, kann er gar nicht irrational sein. Sein Intellekt ist nicht immer sicher, er kann sich aber korrigieren. Er lässt sich sogar hängen und will gar nicht denken. Aber es ist immerhin sein Wille, der das tut. Er ist ganz der Mensch, Herr seiner selbst, auch wenn er gegen sich und sein eigenes Interesse entscheidet. Er benutzt seinen freien Willen, um seinen Willen aufzugeben: in dieser Gesellschaft ist es 'rational' sich unterzuordnen, Rationalität der (Sach)Zwänge gegen freien Willen.
Zitat th3o: "auch scheint es mir nicht sehr sinnvoll "Individuum" und "Gesellschaft" zu trennen.
das individuum ist das spiegelbild der gesellschaft und die gesellschaft ist nur in und durch die gesamtheit aller (irrational in diesem fall)individuen.
betitelst du "gesellschaft" als irrational, so müsstest du schon arge verrenkungen machen um beim individuum dennoch von rationalität in deinem sinne (also richtige und falsche) sprechen zu können."
Ich trenne Individuum und Gesellschaft, nur insoweit das erste einen Intellekt besitzt und die andere nicht. Genau so der Wille, die Äußerung des Intellekts. "Das Theoretische ist wesentlich im Praktischen enthalten; ...denn man kann keinen Wille haben ohne Intelligenz" (Hegel, Rechtsphilosophie)
Die Gesellschaft ist die Gesamtheit aller handelnden, denkenden, entscheidenden Individuen, sofern als Gesamtheit aller Produktionsverhältnissen dieser Individuen verstanden. Als Privatproduzenten, selbständig und unabhängig voneinander, d.h. ohne sich zu verständigen, was zu produzieren notwendig ist, haben sie die schlechte Idee gehabt, ihre Waren für sie sprechen zu lassen. Dieser Fehler allein ist zu beheben, die menschenfeindliche Vermittlung. Und das wäre für sich gar nicht so schwierig, wenn gewaltige Interessen nicht daran hängen würden. Damit soll gesagt werden: Ich habe kein Problem zu verstehen, was Du meinst, wenn Du 'Irrationale Gesellschaft' sagst. Das trifft aber für mich nicht den Punkt: Solange die Menschen die Gesellschaft als ihre betrachten und sich selbst trotz aller Enttäuschungen als Subjekte, kann man ihnen nur erklären, wo sie sich täuschen. Sich täuschen ist aber das überhaupt Menschliche, das Irrationale schlägt da bereits ins Endgültige und Hoffnungslose um.
Zweitens: die Frage der Schuld, die moralische, die Marx abgelehnt hat. Um den einzelnen Kapitalisten geht es gar nicht. Soweit er Kapital besitzt, muss er sich als Kapitalist verhalten und sich den Gesetzen des Kapitals unterwerfen. Dass diese Unterwerfung was anderes ist als die Unterwerfung des Arbeiters unter die gleichen Gesetzen, einen anderen Geschmack hat, hat in der Beurteilung der Sache nicht zu suchen(wäre die bloße moralische Verurteilung: der böse Kapitalist!). Wirft der Kapitalist sein Privateigentum zum Fenster hinaus, ist er nicht nur kein Kapitalist mehr, er ist auch noch dumm dazu. So wie der Arbeiter denkt, er brauche den Arbeitsplatz, so denkt der Kapitalist, er tue dem Arbeiter ein Gefallen, wenn er ihm einen gibt. Die passen doch gut zusammen die zwei... Und die Moral benutzen sie auch gemeinsam: will sagen, sie legen gegenseitig den moralischen Maßstab an. Von Kapitalisten aus gesehen ist das schon zweckmäßig, so wie mit der Religion auch. Nur für die Beschädigten ist das verkehrte Mittel: Als wäre die Moral was anderes als die Anerkennung der Verhältnisse.
Erst einmal schnell eine 'halbe' Antwort:
1. Das stimmt, was Du sagst: Da gibt es bei mir dieses Problem mit dem Rational/Irrational. Und da trenne ich das Individuum von den größeren 'Verbänden. Da das Individuum seine Überlegungen immer über seinem Verstand (Ratio) anstellt, es erscheint mir widersinnig, den Schluss als irrational zu bezeichnen, sondern nur falsch. Anders mit der z.B. Gesellschaft: Da in diesem Fall kein Ratio auszumachen ist (Gesellschaftskörper) können deren Verhältnisse schon als irrational genannt werden. Aber das wäre dann schon die geballte Macht aller verkehrten Vorstellungen, die die ganze Gesellschaft in seine Bahn zieht.
2. Sehr interessant ist die Idee, "schuldige auszumachen". Es geht mir nicht darum aber ich kann dir die Gegenfrage stellen: Warum willst Du keine "schuldige auszumachen"? Steht das Resultat deiner Untersuchung bereits fest, dass keinen Schuldigen gibt?
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Edit 13 Feb. 2009
Ich habe mir lange überlegt (!). Ich versuche jetzt unseren Diskussionsfaden wieder aufzunehmen: Zuerst einmal rational, irrational - Individuum, Gesellschaft.
Noch mal zur Fixierung der Begriffe. Während Individuum und Gesellschaft (bis auf weiteres) unproblematisch erscheinen, haben wir mit rational-irrational ein Begriffspaar, das uns (mir) Kopfzerbrechen bereiten kann: Es hat eine lange Geschichte hinter sich und lässt sich für ziemlich viele Zusammenhänge benutzen. Ich brauche sie für meine Gedanken nicht, ich komme ohne sie gut zu recht. Du hast sie benutzt und ich habe nichts dagegen - wenn wir sie nur richtig 'fixieren'. Außerdem fehlt mir noch ein Begriff: der Wille. Der Wille ist der Grund der Betätigung des Intellektes, begleitet sie und schließt sie ab, indem er eine Entscheidung in der Sache herbeiführt: "die praktische Vernunft, als freier und reiner Wille"
Ich verstehe Dich so: Du betrachtest die Betätigung des Intellektes vom Resultat her. Dementsprechend alles was beim Erreichen des vorgenommenen Zieles scheitert ist als irrational zu bezeichnen - egal ob im Individuum oder in der Gesellschaft. Andersherum genau so. Also: rationales Individuum = rationale Gesellschaft, irrationales Individuum = irrationale Gesellschaft, ganz konsequente Überleitung.
Dem setze ich entgegen: Die Subjekte Individuum und Gesellschaft sind gar nicht homogen. Das eine denkt, die andere nicht. In Interaktion/Zusammenhang der Individuen in der Gesellschaft muss Du notwendigerweise einen zusammengesetzten Intellekt erblickt haben, einen objektiven Geist, sozusagen. Den sehe ich nicht: Die eine, als Herrschaft organisiert, regiert in Namen einer übergeordneten Vernunft über 'unvernünftige' Individuen. Sachzwänge von oben, Idealvorstellungen von unten, die sich notwendig einander bedingen.
Ich betrachte die Sache nicht vom Resultat, sondern von der Voraussetzung - das Vorhandensein des Intellekts - her: Der Mensch als 'animal rationale', 'zoon logikon'. Weil er das Logos als Attribut besitzt, kann er gar nicht irrational sein. Sein Intellekt ist nicht immer sicher, er kann sich aber korrigieren. Er lässt sich sogar hängen und will gar nicht denken. Aber es ist immerhin sein Wille, der das tut. Er ist ganz der Mensch, Herr seiner selbst, auch wenn er gegen sich und sein eigenes Interesse entscheidet. Er benutzt seinen freien Willen, um seinen Willen aufzugeben: in dieser Gesellschaft ist es 'rational' sich unterzuordnen, Rationalität der (Sach)Zwänge gegen freien Willen.
Zitat th3o: "auch scheint es mir nicht sehr sinnvoll "Individuum" und "Gesellschaft" zu trennen.
das individuum ist das spiegelbild der gesellschaft und die gesellschaft ist nur in und durch die gesamtheit aller (irrational in diesem fall)individuen.
betitelst du "gesellschaft" als irrational, so müsstest du schon arge verrenkungen machen um beim individuum dennoch von rationalität in deinem sinne (also richtige und falsche) sprechen zu können."
Ich trenne Individuum und Gesellschaft, nur insoweit das erste einen Intellekt besitzt und die andere nicht. Genau so der Wille, die Äußerung des Intellekts. "Das Theoretische ist wesentlich im Praktischen enthalten; ...denn man kann keinen Wille haben ohne Intelligenz" (Hegel, Rechtsphilosophie)
Die Gesellschaft ist die Gesamtheit aller handelnden, denkenden, entscheidenden Individuen, sofern als Gesamtheit aller Produktionsverhältnissen dieser Individuen verstanden. Als Privatproduzenten, selbständig und unabhängig voneinander, d.h. ohne sich zu verständigen, was zu produzieren notwendig ist, haben sie die schlechte Idee gehabt, ihre Waren für sie sprechen zu lassen. Dieser Fehler allein ist zu beheben, die menschenfeindliche Vermittlung. Und das wäre für sich gar nicht so schwierig, wenn gewaltige Interessen nicht daran hängen würden. Damit soll gesagt werden: Ich habe kein Problem zu verstehen, was Du meinst, wenn Du 'Irrationale Gesellschaft' sagst. Das trifft aber für mich nicht den Punkt: Solange die Menschen die Gesellschaft als ihre betrachten und sich selbst trotz aller Enttäuschungen als Subjekte, kann man ihnen nur erklären, wo sie sich täuschen. Sich täuschen ist aber das überhaupt Menschliche, das Irrationale schlägt da bereits ins Endgültige und Hoffnungslose um.
Zweitens: die Frage der Schuld, die moralische, die Marx abgelehnt hat. Um den einzelnen Kapitalisten geht es gar nicht. Soweit er Kapital besitzt, muss er sich als Kapitalist verhalten und sich den Gesetzen des Kapitals unterwerfen. Dass diese Unterwerfung was anderes ist als die Unterwerfung des Arbeiters unter die gleichen Gesetzen, einen anderen Geschmack hat, hat in der Beurteilung der Sache nicht zu suchen(wäre die bloße moralische Verurteilung: der böse Kapitalist!). Wirft der Kapitalist sein Privateigentum zum Fenster hinaus, ist er nicht nur kein Kapitalist mehr, er ist auch noch dumm dazu. So wie der Arbeiter denkt, er brauche den Arbeitsplatz, so denkt der Kapitalist, er tue dem Arbeiter ein Gefallen, wenn er ihm einen gibt. Die passen doch gut zusammen die zwei... Und die Moral benutzen sie auch gemeinsam: will sagen, sie legen gegenseitig den moralischen Maßstab an. Von Kapitalisten aus gesehen ist das schon zweckmäßig, so wie mit der Religion auch. Nur für die Beschädigten ist das verkehrte Mittel: Als wäre die Moral was anderes als die Anerkennung der Verhältnisse.
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