keshkau
Commodore
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AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)
@th3o
Vielleicht reden wir aneinander vorbei. Wenn ich das bisher richtig verstanden habe, dann sollen nach Marx die Produktionsverhältnisse (Privateigentum an Produktionsmitteln) die Wurzeln allen Übels sein. Für Dich mag das eine unumstößliche Wahrheit sein, für mich ist es lediglich ein zentraler Baustein in der Theorie von Marx. Eine Theorie kann bekanntlich richtig oder auch falsch sein.
Marx beschreibt die Abhängigkeitsverhältnisse, die sich für Kapitalisten und Proletarier im Kapitalismus ergeben. Der Kapitalist bekommt seinen Laden ohne Arbeitnehmer nicht zum Laufen, die Arbeitnehmer erzielen ohne abhängige Beschäftigung kein Einkommen. [Obwohl man mittlerweile ohne Arbeit nicht mehr verhungern muss.) Da gibt es die Gebrauchswerte der Waren, die Tauschwerte, die Rolle des Geldes usw.
Alles schön und gut. Meine Frage ist doch nur, ob diese Verhältnisse den Ausschlag geben oder nicht. Wird mein Sein durch die Warenwelt bestimmt, durch das Geld, durch die Banken, durch die Gesetze in diesem Land bzw. durch die Tatsache, ob ich Freiberufler, Angestellter oder Unternehmer bin? Ist es das?
Und wenn ja, warum ist es genau das? Warum nichts Anderes? Damit kommen wir erneut zu dem Satz: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum Marx mit der Religion nicht so viel anzufangen wusste. Sie war ihm vielleicht nicht greifbar genug, warf keinen „Gewinn“ ab, passte nicht in sein Ausbeutungsschema und war nicht geeignet, das von ihm angedachte „Sein“ mit auszufüllen.
Wenn ich diesen Punkt nun aufgreife, wird mir die Flucht in Nebenkriegsschauplätze vorgeworfen. Aber was ist denn nun mit dem Priester? Er ist Angestellter der (z. B. katholischen) Kirche und wird von ihr für seine Arbeit bezahlt. Meist Du, es juckt ihn, ob er viel oder wenig verdient, wo er doch sowieso einen Teil seines Einkommens spendet? Stößt er sich an dem „Mehrwert“, den die Kirchensteuern in die Kassen der Amtskirche spülen? Vor allem aber: Was ist mit seinem Bewusstsein?
Ist er sich seines Seins nicht bewusst? Wird er ausgebeutet? Ist die Frage nach der Ausbeutung objektiv oder vielleicht doch subjektiv zu beantworten? Oder funktioniert die Lehre von Marx an dieser Stelle nur, wenn man die Religion ausblendet? Gehört sie nicht zum Sein des Menschen oder zu seinem Bewusstsein?
@th3o
Vielleicht reden wir aneinander vorbei. Wenn ich das bisher richtig verstanden habe, dann sollen nach Marx die Produktionsverhältnisse (Privateigentum an Produktionsmitteln) die Wurzeln allen Übels sein. Für Dich mag das eine unumstößliche Wahrheit sein, für mich ist es lediglich ein zentraler Baustein in der Theorie von Marx. Eine Theorie kann bekanntlich richtig oder auch falsch sein.
Marx beschreibt die Abhängigkeitsverhältnisse, die sich für Kapitalisten und Proletarier im Kapitalismus ergeben. Der Kapitalist bekommt seinen Laden ohne Arbeitnehmer nicht zum Laufen, die Arbeitnehmer erzielen ohne abhängige Beschäftigung kein Einkommen. [Obwohl man mittlerweile ohne Arbeit nicht mehr verhungern muss.) Da gibt es die Gebrauchswerte der Waren, die Tauschwerte, die Rolle des Geldes usw.
Alles schön und gut. Meine Frage ist doch nur, ob diese Verhältnisse den Ausschlag geben oder nicht. Wird mein Sein durch die Warenwelt bestimmt, durch das Geld, durch die Banken, durch die Gesetze in diesem Land bzw. durch die Tatsache, ob ich Freiberufler, Angestellter oder Unternehmer bin? Ist es das?
Und wenn ja, warum ist es genau das? Warum nichts Anderes? Damit kommen wir erneut zu dem Satz: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum Marx mit der Religion nicht so viel anzufangen wusste. Sie war ihm vielleicht nicht greifbar genug, warf keinen „Gewinn“ ab, passte nicht in sein Ausbeutungsschema und war nicht geeignet, das von ihm angedachte „Sein“ mit auszufüllen.
Wenn ich diesen Punkt nun aufgreife, wird mir die Flucht in Nebenkriegsschauplätze vorgeworfen. Aber was ist denn nun mit dem Priester? Er ist Angestellter der (z. B. katholischen) Kirche und wird von ihr für seine Arbeit bezahlt. Meist Du, es juckt ihn, ob er viel oder wenig verdient, wo er doch sowieso einen Teil seines Einkommens spendet? Stößt er sich an dem „Mehrwert“, den die Kirchensteuern in die Kassen der Amtskirche spülen? Vor allem aber: Was ist mit seinem Bewusstsein?
Ist er sich seines Seins nicht bewusst? Wird er ausgebeutet? Ist die Frage nach der Ausbeutung objektiv oder vielleicht doch subjektiv zu beantworten? Oder funktioniert die Lehre von Marx an dieser Stelle nur, wenn man die Religion ausblendet? Gehört sie nicht zum Sein des Menschen oder zu seinem Bewusstsein?