Marx – lesen

AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

@th3o
Vielleicht reden wir aneinander vorbei. Wenn ich das bisher richtig verstanden habe, dann sollen nach Marx die Produktionsverhältnisse (Privateigentum an Produktionsmitteln) die Wurzeln allen Übels sein. Für Dich mag das eine unumstößliche Wahrheit sein, für mich ist es lediglich ein zentraler Baustein in der Theorie von Marx. Eine Theorie kann bekanntlich richtig oder auch falsch sein.

Marx beschreibt die Abhängigkeitsverhältnisse, die sich für Kapitalisten und Proletarier im Kapitalismus ergeben. Der Kapitalist bekommt seinen Laden ohne Arbeitnehmer nicht zum Laufen, die Arbeitnehmer erzielen ohne abhängige Beschäftigung kein Einkommen. [Obwohl man mittlerweile ohne Arbeit nicht mehr verhungern muss.) Da gibt es die Gebrauchswerte der Waren, die Tauschwerte, die Rolle des Geldes usw.

Alles schön und gut. Meine Frage ist doch nur, ob diese Verhältnisse den Ausschlag geben oder nicht. Wird mein Sein durch die Warenwelt bestimmt, durch das Geld, durch die Banken, durch die Gesetze in diesem Land bzw. durch die Tatsache, ob ich Freiberufler, Angestellter oder Unternehmer bin? Ist es das?

Und wenn ja, warum ist es genau das? Warum nichts Anderes? Damit kommen wir erneut zu dem Satz: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum Marx mit der Religion nicht so viel anzufangen wusste. Sie war ihm vielleicht nicht greifbar genug, warf keinen „Gewinn“ ab, passte nicht in sein Ausbeutungsschema und war nicht geeignet, das von ihm angedachte „Sein“ mit auszufüllen.

Wenn ich diesen Punkt nun aufgreife, wird mir die Flucht in Nebenkriegsschauplätze vorgeworfen. Aber was ist denn nun mit dem Priester? Er ist Angestellter der (z. B. katholischen) Kirche und wird von ihr für seine Arbeit bezahlt. Meist Du, es juckt ihn, ob er viel oder wenig verdient, wo er doch sowieso einen Teil seines Einkommens spendet? Stößt er sich an dem „Mehrwert“, den die Kirchensteuern in die Kassen der Amtskirche spülen? Vor allem aber: Was ist mit seinem Bewusstsein?

Ist er sich seines Seins nicht bewusst? Wird er ausgebeutet? Ist die Frage nach der Ausbeutung objektiv oder vielleicht doch subjektiv zu beantworten? Oder funktioniert die Lehre von Marx an dieser Stelle nur, wenn man die Religion ausblendet? Gehört sie nicht zum Sein des Menschen oder zu seinem Bewusstsein?
 
AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

@ DugDanger

Ich muss mir hier wirklich "alles definitiv gefallen lassen" und überhaupt, dass du mit "kritischem Hinterfragen" auf Marx losgehst, obwohl dir seine Theorien "nur beiläufig aus dem Grundstudium" bekannt sind. Was kann man dazu sagen? Ich einer, wenn ich von einer Sache keine Ahnung hätte, würde entweder lesen, oder fragen, oder einfach zuhören oder einfach sein lassen.

@ keshkau

"Mich stört bei Marx vor allem die Reduktion auf Kapitalisten und ausgebeutete Arbeitnehmer". Wenn Marx überhaupt eine Reduktion macht ist diese: Der Mensch und die Gesellschaft sind nur danach zu untersuchen, worin diese Gattung von den Tieren unterschieden ist, d. h. Bewusstsein und selbständige Herstellung der eigenen Lebensgrundlage (was wir heutzutage als Arbeit bezeichnen).

Einen Hinweis auf den Priester: Das hat mit der Arbeitsteilung zu tun. Seine Rolle ist, den geschundenen Seelen Trost zu spenden oder anders gesagt die Gewissheit in der Unveränderbarkeit dieser Welt.
 
AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

barista schrieb:
Der Mensch und die Gesellschaft sind nur danach zu untersuchen, worin diese Gattung von den Tieren unterschieden ist, d. h. Bewusstsein und selbständige Herstellung der eigenen Lebensgrundlage (was wir heutzutage als Arbeit bezeichnen).

Ich kenne fünf Funktionen, die den Menschen vom Tier unterscheiden. Man findet sie in seinem Cortex.

1. die Fähigkeit des aufrechten Ganges
2. die Daumen-Zeigefinger-Opposition
3. die Fähigkeit des Sprechens und Schreibens
4. die Fähigkeit, Sprache zu verstehen
5. die Fähigkeit des Lesens

Du machst daraus das "Bewusstsein" und die "selbstständige Herstellung der eigenen Lebensgrundlage" (= Arbeit). Ich will damit nur zeigen, dass man die Dinge so wie Marx sehen kann, aber dass man sie nicht so sehen muss.

Demnach ist das Schicksal der Menschen nicht unbedingt an den Produktionsverhältnissen festzumachen, jedenfalls nicht aussschließlich oder vielleicht auch überhaupt nicht. Marx ist insofern der Vertreter einer möglichen Sichtweise auf die Dinge. Er bietet seine Theorie an, die man annehmen oder verwerfen kann, der man jedoch nicht zwingend folgen muss, nur weil sie in sich schlüssig ist.

http://www.zeit.de/zeit-wissen/2006/06/Titel-Tiere.xml?page=1
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/ard/sendung/106691/index.html
 
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AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

hallo,
seit einiger zeit verfolge ich diesen thread und ich finde ihr
dreht euch im kreis.
zu marx fällt mir nur theorie und praxis ein, dass sind zwei
verschiedene paar schuh.
ich denke einfach der homosapienz braucht noch etwas zeit
in seiner evolution, wir sind noch nicht reif genug, erst wenn
wir habsucht und machtgier abgelegt haben, werden wir
entwickelt genug sein für heutige theorien.
 
AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

@ barista

Oh, ich lese den Thread von Anfang an mit.

Ich kenne die Theorien nur zum Teil - richtig - und jetzt darf ich nicht mitdiskutieren?

Für mich ist hier auch dein 2. Anlauf gescheitert.

Alle aufgeworfenen (kritischen) Fragen bleiben unbeantwortet.
 
AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

@ keshkau

Was du mit den ersten zwei 'Merkmale' der menschlichen Gattung anstellen kannst, bleibt mir rätselhaft. Die anderen drei unterordne ich dem Bewusstsein. Übrigens: wenn du dich noch a bissl mehr anstrengest, fändest du noch mehr 'Merkmale'. Und die Vermutung würde mir keine Ruhe lassen, dass ich etwas nicht berücksichtigt habe. So geht dann die Wissenschaft ihren Weg: nur nicht etwas unterwegs vergessen, alles hat mit allem zu tun. Wie könnte man wissen, was Wirkung und was Ursache ist?

@ Micday

Da sind dir gerade die zwei Merkmale ('habsucht und machtgier') des Menschen, die nur in unsere Gesellschaft zur vollem Blüte gekommen sind, eingefallen. Ob das der gemeinte Fortschritt wäre? Da will Marx erklären wie diese 'Merkmale' von der Gesellschaft gerade produziert werden. Warum sonst hören wir ständig von unseren Leitpersonen, wir sollen nicht habsüchtig und machtgierig sein? Warum fruchtet diese ewige moralische Regel nie?

@ DugDanger

Einen Teil meiner Botschaft hast du verstanden, den anderen Teil nicht. Andererseits meinte ich mit lesen – Marx lesen. Du kennst die Theorien nur zum Teil: ob das für dich das Mitdiskutieren nicht beeinträchtigt ist deine Entscheidung, nicht meine. Da hast du mich falsch interpretiert.
 
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AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

Mein vielleicht letzter Anlauf: Du willst den Menschen und die Gesellschaft „nur danach untersuchen, worin diese Gattung von den Tieren unterschieden ist“. Deiner Meinung nach bzw. nach der Meinung von Marx, die Du Dir zu eigen gemacht hast, sind diese Unterschiede das „Bewusstsein und selbstständige Herstellung der eigenen Lebensgrundlage“ Ich denke zwar, dass es da noch einige andere Punkte gibt, z. B. das Ehrenamt als eine ganz andere Form von „Arbeit“ in der Gesellschaft, aber Schwamm drüber.

Was am Ende offen bleibt, ist die Frage, welche Strategie die Marxisten diesem Land oder diesem Planeten zu bieten haben. Bisher beschränken sich die Aussagen mehr oder weniger auf Marx-Zitate. Das mag einen gewissen Unterhaltungswert haben, hilft aber den Menschen auf der Straße und in den Betrieben nicht weiter.

Der erste Band des „Kapitals“ erschien 1867. Doch auch nach gut 140 Jahren scheinen seine Leser und Anhänger nicht in der Lage zu sein, dem einfachen Mann auf der Straße zu sagen, was er tun sollte und wie er es anstellen sollte, um seine Situation zu verbessern.

Wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht so sind, wie sie sein sollten, was ist dann zu tun? Einfache Frage – keine Antwort. Oder warten wir weitere 140 Jahre, bis ein paar Prozent mehr der Bevölkerung „Das Kapital“ gelesen oder vielleicht sogar ansatzweise verstanden haben und lassen wir die Leute genau dieses Spielchen wiederholen, das gerade hier läuft?

Auch Dein Zitat von A. Smith bringt Dich hier nicht weiter. Wir kennen schließlich die Zeit, in der Smith lebte. Und wir wissen, wie lange heutzutage die Ausbildungszeiten sind, um die meist anspruchsvollen Tätigkeiten des Berufslebens meistern zu können, bis die nächste Weiterbildung fällig wird. Das Zitat trifft höchstens noch auf den kleinen Teil derjenigen Beschäftigten zu, die wir ungelernte Arbeitskräfte nennen und die mit relativ anspruchslosen Hilfstätigkeiten beauftragt sind. Aber das ist nicht "die große Mehrheit der Menschen", jedenfalls nicht in diesem Land. Und das sind auch nicht die Leute, die dieses System verändern werden.
 
AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

@ th3o

Ich denke, wir klären einmal die Begriffe. Ich hatte deine #69 falsch verstanden.

Als Erstes fällt mir die zwiespältige Benutzung des Begriffs bewusst, somit folgend auch Bewusstsein. Du selbst bist genötigt den Sinn zu fixieren: "gewöhnliche bewusstsein" und "vernünftiges bewusstsein".

Die eine Bedeutung des Wortes ist die des einfachen reflektierenden Denkens des Menschen: etwas wahrnehmen, nachdenken. Das sind durch die einfache Natur des Denkens bewusste Tätigkeiten, man weißt, dass man es tut oder getan hat (z.B. Ich habe mir überlegt; im Gegensatz - bewusstlos). Das Resultat dieser Tätigkeit kann an der untersuchten Realität vorbei sein und das nenne ich verkehrt oder falsch aber nicht irrational.

Die zweite Bedeutung des Begriffs ist die richtige, zutreffende Erfassung der Realität: das ist was du als rational im engen Sinne definierst, wie in der Aufforderung: Sei dir diesem bewusst, erkenne es richtig, begreife endliche, wie die Sachen wirklich sind.

Als Beispiel: Fürs Lohn zu arbeiten oder Geld zu sparen ist in dieser Gesellschaft rational. Die Erklärung darum, warum das so ist, kann nur richtig oder falsch sein. Das Individuum kann nie irrational sein, sondern es kann nur verkehrt, falsch, nicht im Sinne seiner Interessen denken und sich betätigen.

Ohne den ersten Begriff würde Marx gar nicht von falschem Bewusstsein reden. Dieses ist notwendig aber nicht automatisch notwendig: notwendig nicht als "aus der bestimmten Einrichtung der Welt" hervorgehend, sondern als Resultat eines Zwanges, die von einer Macht ausgeht. Welche Macht? Eben die der Gesellschaft, als Verobjektivierung des individuellen Bewusstseins. Marx meint damit im allgemeinen die Macht, die die falschen Erklärungen vermittels Gesellschaft über die Menschen gewinnt, im besonderen die Macht, die das Geld al tote, vergangene Arbeit (also Kapital) über die lebendige Arbeit, freie Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten gewinnt. Anders gesagt, was das Individuum falsch deutet, erfährt es als Zwang.

Daher muss ich deine Kritik ablehnen: "Du unterstellst, dass der Kapitalismus einzig nur durch das bewußt-raffgierige Handeln der Kapitalinhaber aufgezeigt werden kann." Eben nicht: Der Kapitalist muss und will mehr Geld aus seinem Geld machen und er ist sich das wohl bewusst. Er ist dabei aber nicht raffgierig, sondern er erklärt sich das aus einer Verantwortung in der Gesellschaft, wofür er stünde. Andersrum ist sich der Arbeiter bewusst, dass er sich der Umstände fügt und er erklärt sich das aus einer höheren Pflicht und geschuldeten Opfer gegenüber derselben Gesellschaft. Wo aber für den einen sein Wille und die Resultate in eins fallen, ist für den anderen gar nicht so: Er kommt ja auf keinen grünen Zweig. Schon deswegen soll er für die richtige Erklärung sorgen und seine Untertänigkeit ablegen.

Weil: Wie sonst soll man aus diesem "Verblendungszusammenhang der schief eingerichteten Welt" entkommen?

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@ keshkau

Deinen pathetischen Appell "den Menschen auf der Straße und in den Betrieben" zu helfen, "um seine Situation zu verbessern" kann ich sehr gut verstehen. Ich verzweifle auch oft daran (grin). Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als "genau dieses Spielchen zu wiederholen, das gerade hier läuft" (ich weiß es, du meinst es ironisch. Worauf es sich bezieht, bin ich mir nicht sicher: auf unseren Thread oder auf unsere Gesellschaft?)

Es kling fast so, als würdest du die Revolution vermissen.

Dem Ehrenamt stehe ich skeptisch gegenüber. Das hat in dieser Gesellschaft einen hohen Stellenwert, ist aber nur bestimmten Personen zugänglich. Und zwar denen, die ihre Existenz nicht verdienen müssen, da als Arbeit keine Lohnarbeit, also nicht bezahlt ist. Soweit das mit Zeit und Aufwand verbunden ist, bleibt dem normalen Menschen, der eine anstrengende, kräftezehrende oder stressige Arbeit hat, nicht zugänglich. Abgesehen von den Vereinsfunktionen, wo Menschen meistens privaten Interessen nachgehen (Sport, Hunde, etc.), findet man die richtige ehrenamtliche Arbeit da, wo die Gesellschaft diese Probleme gerade produziert (Armut, Kranke, etc.). Da ist für mich ein Widerspruch: Eine vernünftige Organisation der Gesellschaft würde so etwas erst gar nicht aufkommen lassen.

Um deiner Entgegnung vorauszukommen: Es gibt Arbeitslose oder Hartz-IV-ler, die so etwas auch tun. Da sie aber von einer Leistung (in welcher Form auch immer) abhängig sind, hat diese ehrenamtliche Arbeit schon einen anderen Beigeschmack. Das wird auch in der bekannten Aufforderung kenntlich: Die sollen nicht nutzlos herumhängen!
Anders verhält sich mit den – was weiß ich! – Managern oder anderen Würdeträgern. Da wird daraus eher ein einzelner Einsatz, der unbedingt gleich in der Presse stehen muss, oder einen Beigeschmack von Werbung für die Institution hat, egal ob das in politischer oder kommerzieller Hinsicht ist.

Die Sache mit A. Smith und die Arbeit, die heutzutage ganz anders wäre: Dass die Arbeit sich geändert hat, weißt jeder, dass ihre Wirkungen aber ganz anders sind, stimmt nicht. Warum würden so viele Menschen nach ihrer ehrenvollen Arbeit zu Hause nur vorm Fernseher hängen (und dabei auch nicht alles verstehen können, wie eine Zeitung neulich entdeckt hat)? Hat das nicht mit der 'Unterschicht' zu tun und wie diese zustande kommt?
 
AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

keshkau schrieb:
Damit kommen wir erneut zu dem Satz: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum Marx mit der Religion nicht so viel anzufangen wusste. Sie war ihm vielleicht nicht greifbar genug, warf keinen „Gewinn“ ab, passte nicht in sein Ausbeutungsschema und war nicht geeignet, das von ihm angedachte „Sein“ mit auszufüllen.
Das darf hier nicht so unkommentiert stehen gelassen werden.

Marx konnte sehr wohl etwas mit der Religion anfangen, sie ist fester Bestandteil seines Theoriegebäudes. Sie ist subsumiert unter seinem Ideologiebegriff und dient danach der Konservation der Verhältnisse durch Fehllenkung des menschlichen Bewusstseins.

Gerade das Phänomen Religion will in der Devise "das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein" Ausdruck finden.
Die Gegensätze der gesellschaftlichen Wirklichkeit werden vom Bewusstsein in die Religion transzendiert, um diese zu deuten.
 
AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

@sentenza
Das mit der Religion stimmt. Ich hatte das in dem ganzen Wust an Minifragen in keshkaus Post überlesen.
Marx hat nie explizit ein bestimmtes Werk über Religion geschrieben, aber er hat die Religion, wie du sehr richtig dargelegt hast, zum sog. "Überbau" gezählt, also zu dem, was aus dem Treiben der Menschen im Verlaufe ihrer Schaffung von Kultur mit entstanden ist.
Er hat die Religion insofern kritisiert als er nämlich Ludwig Feuerbach, den Religionskritiker und Mitbegründer des Materialismus, für seine ungenügende Kritik an der Religion kritisiert hat.

Holzschnittartig kann man sagen, dass Feuerbach die Religion als etwas verstanden hat, das die Menschen in den Himmel hinaufprojizieren, etwas erschaffen und sich dabei aber eigentlich selber anbeten, d. h. also das von ihnen selbst Erschaffene.
Feuerbach hat u.a. im "Wesen des Christentums" und in den Vorlesungen zum "Wesen der Religion" diese Kategorien entsprechend demaskiert, sie sprichwörtlich auf die Erde zurückgeholt und postuliert, dass die Menschen erst durch ihr Wesen soweit gekommen sind, dass sie überhaupt so eine Phantasterei erfunden haben.

Feuerbach gelangte so zu einer Erklärung, die im modernen Sinne humanwissenschaftlich ist: Die Religion ist nicht einfach „Unsinn“ oder „Aberglaube“, sie ist die bildhafte Äußerung von Eigenschaften und Impulsen, von „Kräften“, die der Mensch als so wichtig und wesentlich empfindet, dass sie für ihn sein „Wesen“, sein eigentliches Menschsein ausmachen: Die Religion ist „identisch … mit dem Bewusstsein des Menschen von seinem Wesen“. Diese Kräfte erscheinen ihm nicht als individuell begrenzt, sondern als über den einzelnen Menschen hinausgehend: „Wille, Liebe oder Herz sind keine Kräfte, welche der Mensch hat“, sie sind „die ihn beseelenden, bestimmenden, beherrschenden Elemente, denen er keinen Widerstand entgegensetzen kann“. Und weil der Mensch diese Kräfte oder Fähigkeiten als über seine individuelle Beschränktheit hinausgehend empfindet, hypostasiert und verabsolutiert er sie, er setzt sie „aus sich hinaus“ und verehrt sie „als ein andres, von ihm unterschiednes, eignes Wesen“.
Dieses Verständnis des Gottesglaubens erlaubt im Rückschluss die anthropologische Deutung der Religion: „Die Religion ist die Reflexion, die Spiegelung des menschlichen Wesens in sich selbst.“ – „Gott ist der Spiegel des Menschen.“ – „Gott ist das offenbare Innere, das ausgesprochene Selbst des Menschen.“
(aus dem Wikipedia-Artikel zu Feuerbach)

Die Kritik von Marx an Feuerbach sieht anschließend so aus, dass Marx bei Feuerbach nachwievor die Abstraktionen von Mensch und Materie vorgefunden hat. Er hat bei Feuerbach kritisiert, dass er (also Feuerbach) es nicht begriffen hat, den Menschen in seinen wirklichen Verhältnissen zu betrachten. Dann wäre, nach Marx, Feuerbach nicht auf halber Strecke stecken geblieben und wäre sonst vom abstrakten letztlich auch zum wirklichen Menschen durchgedrungen.
(und "wirklich" bedeutet hier: der Mensch nicht nur auf der Erde sondern der Mensch als Produkt seiner Verhältnisse und die Verhältnisse als sein Produkt)

@barista
Für eine Antwort auf deine Ausführungen erbitte ich mir noch etwas Zeit.
 
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@barista
Dein Problem besteht in meinen Augen darin, dass Du den Menschen nicht dabei helfen kannst, ihre Probleme zu lösen (oder es nicht willst). Du stellst Dich meinetwegen vor die Werkstore von General Motors und referierst über den Tauschwert von Waren (durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Arbeit).

Die dortige Belegschaft dagegen sieht, dass ein Auto, welches sich nicht verkaufen lässt, effektiv keinen Tauschwert hat, eben weil es unverkäuflich ist. Da kann noch so viel Arbeit drinstecken. Du holst die Leute mit Deinen theoretischen Ausführungen nicht dort ab, wo sie stehen. Das wäre aber genau die Aufgabe eines Vordenkers.

Was also wäre die "richtige" Strategie? Du könntest Dich vier Wochen lang in die Kantine des Betriebes setzen und mit Deinen Nachbarn am Tisch über Marx reden. Würde es etwas ändern? Wohl kaum.

Wenn man große Pläne hat - und dazu zähle ich die Abschaffung/Überwindung des Kapitalismus -, dann muss man andere Geschütze auffahren. Ich behaupte, dass man nur etwas erreichen kann, wenn man den Menschen (auf der Straße) eine Perspektive bietet bzw. einen Lösungsvorschlag unterbreitet.

Beides sehe ich in diesem Thread nicht. Die Menschen fragen sich doch, was sie Deiner Meinung nach besser oder anders machen sollten. Aber Du sagst es ihnen nicht und viele werden denken, dass Du es entweder nicht sagen willst oder - wahrscheinlicher - nicht sagen kannst.

Damit stehst Du weiterhin (fast) ganz allein mit Deinen Ideen da, weil Dich niemand versteht. Du machst es den Leuten auch nicht gerade leicht, weil Du keine Vision "verkaufst". Und solange sich das nicht grundlegend ändert, wirst Du keine Mehrheiten finden. Dann ist Dein gesamtes Engagement einfach nur für die Katz.
 
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OK, keshkau. Du bist noch ein Stück näher gekommen. Das ist gar nicht schlecht. Du weißt schon, worum es mir geht.

Zitat keshkau: "Die dortige Belegschaft dagegen sieht, dass ein Auto, welches sich nicht verkaufen lässt, effektiv keinen Tauschwert hat, eben weil es unverkäuflich ist. Da kann noch so viel Arbeit drinstecken. Du holst die Leute mit Deinen theoretischen Ausführungen nicht dort ab, wo sie stehen. Das wäre aber genau die Aufgabe eines Vordenkers."

Also, die Leute müssen von etwas leben. Deswegen müssen sie jemandem zum Gewinn verhelfen. Warum? Weil dieser andere ihre Lebensmittel in seiner Hand hat. Er gibt sie her nur wenn er sein Gewinn bekommt, d.h. nur als Gegendienst für die Vermehrung seines Reichtums. Aber ist er seines Gewinns sicher? Nein, er steht in einer Konkurrenz, die ihm den Gewinn nicht garantiert. Was macht er dann? Er sagt seinen Leuten: Wenn ihr nicht mehr arbeitet für das Geld, dann wird es nichts, ich kann euch euren Lohn nicht zahlen. Was machen die Leute? Sie tun es, was sonst? Damit ihr Kapitalist die Löhne zahlen kann, treten sie in Konkurrenz mit ihresgleichen, die von einem anderen Kapitalisten genauso überredet worden sind. Aber warum konkurrieren die Leute hier gegen anderen dort? Warum konkurrieren die Leute in Deutschland gegen andere anderswo in der Welt? So kommen sie doch auf keinen grünen Zweig.

Und ich kann für sie wirklich nichts tun. Jeder muss irgendwann einen Schritt zurücktreten von seiner Arbeit weg und sich überlegen, was er da tut. Er wird vielleicht sagen: Ich hab keine Zeit, ich muss noch dieses Auto fertig machen, damit ich mein Lohn bekomme. Der reicht mir inzwischen nicht mehr so recht zum Leben, aber... Hauptsache Arbeit.

Dann sag ich: Na, dann...

Zitat keshkau: "Damit stehst Du weiterhin (fast) ganz allein mit Deinen Ideen da, weil Dich niemand versteht. Du machst es den Leuten auch nicht gerade leicht, weil Du keine Vision "verkaufst". Und solange sich das nicht grundlegend ändert, wirst Du keine Mehrheiten finden. Dann ist Dein gesamtes Engagement einfach nur für die Katz."

Ja, das ist eine ziemlich verkorkste Sache: ich kann dieses kapitalistische Gebäude nur mit kapitalistischen Mitteln abreißen. Wer hätte sich das gedacht...
 
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So abhängig sind die Menschen aber nicht. Es gab mal (oder gibt bereits oder bald wieder) diese „Einkaufsgenossenschaften“. Wie hießen die früher noch, Konsum oder Coop? Ich weiß nicht mehr so genau.

Da schlossen sich Endverbraucher zusammen und gründeten ihren eigenen Einzelhandel. Sie kaufen direkt beim Erzeuger ein und wer Mitglied war, bekam die günstigen Preise durchgereicht, nach Abzug der Kosten und ohne Gewinnziel.

Darüber hinaus ist längst nicht jeder dazu verdonnert, für den Gewinn einen anderen zu arbeiten. Da gibt es Belegschaften, die kaufen dem Eigentümer die Firma ab oder ehemals Beschäftigte schließen sich zusammen und gründen eine eigene Firma. Vieles ist möglich und nicht jeder dieser Betriebe muss nach Gewinn streben (Genossenschaftsprinzip).

Bei der Konkurrenz ist das auch so eine Sache. Zwar kann ein Arbeitgeber mit Jobverlust drohen. Aber die Arbeitnehmer können sich auch hier zusammenschließen (Stichwort Gewerkschaften). Und wenn es hart auf hart kommt: Was kann dem Arbeitnehmer schon groß passieren? Er bekommt im Ernstfall immerhin noch Arbeitslosengeld. Aber wenn dem Unternehmer die Beschäftigten ausgehen, kann er seinen Laden schließen.

Es ist daher keineswegs ausgemacht, wer über die größeren Druckmittel verfügt. Die Macht der Bürger ist darüber hinaus noch viel größer. Denn sie entsheiden über ihren Konsum darüber, welches Unternehmen es demnächst noch gibt und welches nicht.
 
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Da ist es wieder: das Lob der Freiheit als abstrakte Möglichkeit. Warum diese abstrakt bleibt und nie reell wird, interessiert das Individuum lange nicht mehr: es ist selbst abstrakt geworden.

"Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit unterstellt die unbedingte Autorität des Kapitalisten über Menschen, die bloße Glieder eines ihm gehörigen Gesamtmechanismus bilden; die gesellschaftliche Teilung der Arbeit stellt unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber, die keine andre Autorität anerkennen als die der Konkurrenz, den Zwang, den der Druck ihrer wechselseitigen Interessen auf sie ausübt, wie auch im Tierreich das bellum omnium contra omnes <der Krieg aller gegen alle> die Existenzbedingungen aller Arten mehr oder minder erhält. Dasselbe bürgerliche Bewußtsein, das die manufakturmäßige Teilung der Arbeit, die lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung und die unbedingte Unterordnung der Teilarbeiter unter das Kapital als eine Organisation der Arbeit feiert, welche ihre Produktivkraft steigre, denunziert daher ebenso laut jede bewußte gesellschaftliche Kontrolle und Reglung des gesellschaftliche Produktionsprozesses als einen Eingriff in die unverletzlichen Eigentumsrechte, Freiheit und sich selbst bestimmende "Genialität" des individuellen Kapitalisten. Es ist sehr charakteristisch, daß die begeisterten Apologeten des Fabriksystems nichts Ärgres gegen jede allgemeine Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu sagen wissen, als daß sie die ganze Gesellschaft in eine Fabrik verwandeln würde."
(K I, 12.Kap., S. 377)

"Man kann als allgemeine Regel aufstellen: Je weniger die Autorität der Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft vorsteht, desto mehr entwickelt sich die Arbeitsteilung im Innern der Werkstatt und um so mehr ist sie der Autorität eines einzelnen unterworfen. Danach steht die Autorität in der Werkstatt und die in der Gesellschaft, in bezug auf die Arbeitsteilung, im umgekehrten Verhältnis zueinander." (K I, 12.Kap., Fußnote S. 378)
 
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Dein Zitat wird von Dir wahrscheinlich als Beleg für Deine Thesen interpretiert. Für mich ist es das genaue Gegenteil. „Die gesellschaftliche Teilung der Arbeit“ stellt – wie oben erwähnt – eben nicht zwangsläufig „unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber“. Oft ist das so, keine Frage, denn durch Konkurrenz zeichnet sich ein Markt aus.

Mein Beispiel mit den Genossenschaften zielte darauf ab, dass es auch anders geht, wenn alle Beteiligten es wünschen. Deswegen gibt es dort z. T. langfristige Liefervereinbarungen, bei denen die Stabilität und Langlebigkeit der Geschäftsbeziehung wichtiger sind als der Preis. Und so produzieren z. B. Bauern und Handwerksbetriebe für solche Einkaufsgenossenschaften und jede Seite weiß, woran sie ist. Die übrige Konkurrenz am Markt wird einfach ausgeblendet. Auch das ist möglich, wenn man es denn will.

Wir haben heute auch nicht die „lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung“. Die Mehrheit der Bevölkerung arbeitet im Dienstleistungssektor. Da sitzt man nicht selten im Büro und erledigt verschiedenste Aufgaben (nicht jeder, aber viele). Die Arbeit an Detailvorrichtungen ist zur Seltenheit geworden, auch wenn ich Dir Beispiele nennen könnte, wo man sie antreffen kann. Und wie sieht es mit der Lebenslänglichkeit aus? Ich habe in meinem Leben schon viele Lebensläufe gesehen. Und ich kann Dir versichern, dass die Arbeitnehmer durchaus alle paar Jahre ihren Job wechseln.

Der nächste Punkt wäre dann wohl die „unbedingte Unterordnung der Teilarbeiter unter das Kapital“. Tut mir leid, aber auch die sehe ich nicht. Ich kenne viele Bereiche, in denen Mitarbeiter z. T. erhebliche Entscheidungsbefugnisse besitzen. Ihnen gehört der Laden dadurch nicht, aber diese Arbeitnehmer sind eher schon selbst ein Teil des Kapitals. Das mag bei einem Leitenden Angestellten sofort einleuchten, trifft aber ebenso auf Beschäftigte zu, die am Gewinn der Unternehmung beteiligt werden oder Aktien ihres Arbeitgebers erworben haben. Die strikte Trennung zwischen Kapital und Arbeit ist da längst aufgehoben.

Man könnte das als Vernebelungsstrategie bezeichnen, mit der die Arbeitnehmer für die Interessen des Kapitals eingespannt werden. Aber das wäre mir zu billig.

Und schließlich führe ich die betriebliche Mitbestimmung ins Feld, die Betriebsräte, den Kündigungsschutz usw. – Als Arbeitgeber hat man doch heutzutage im Personalbereich kaum noch etwas zu melden, um es überspitzt zu formulieren.

Ich denke, die Freiheit ist sehr viel realer als manche glauben. Das sehe ich im Kreis meiner Bekannten. Mir fallen auf Anhieb sechs Leute ein, die sich im letzten oder in diesem Jahr selbstständig gemacht haben, weil sie das wollten.
 
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@ keshkau

Du bist Dir für nichts zu schade.

Zitat Keshkau: „Dein Zitat wird von Dir wahrscheinlich als Beleg für Deine Thesen interpretiert. Für mich ist es das genaue Gegenteil. „Die gesellschaftliche Teilung der Arbeit“ stellt – wie oben erwähnt – eben nicht zwangsläufig „unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber“. Oft ist das so, keine Frage, denn durch Konkurrenz zeichnet sich ein Markt aus.

Wie wollen wir denn verbleiben? Ist das oft so oder ist das genaue Gegenteil? Steht Opel und VW als „unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber“ oder nicht? (Ok, es war nur Spass...)

Auf die anderen Punkte gehe ich schon nicht mehr ein, der Anreiz ist so gering, dass 'mir die Füße einschlaffen'. Offensichtlich hast Du keine Ahnung, wie gearbeitet wird: Das wäre kein Wunder, Marx erklärt doch, wie durch die Teilung der Arbeit unter dem Kommando des Kapitals dazu kommt, dass dem Menschen alles Menschliches fremd wird: "Teilung der Arbeit, die lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung und die unbedingte Unterordnung der Teilarbeiter unter das Kapital als eine Organisation der Arbeit [...], welche ihre Produktivkraft steigre." Und die Wissenschaft, die heutzutage so hoch gehalten wird, ist die letzte Blume dieser Teilung der Arbeit, die den Menschen produktiver macht (Wofür?) mit dem Preis seiner Vielseitigkeit, die in der Gattungsvermögen liegt.

Also, wie sieht die Arbeit aus:

"Als Werk Süd vor zwei Jahren auf das amerikanische Kleinstzeitverfahren «MTM» umgestellt wurde, kam es anfangs zu Protesten unter den Arbeitern. Die Firmenleitung argumentierte: «Wenn es dir nicht paßt, hau doch ab, draußen stehen zwei Gastarbeiter für dich da.» Mehrere hundert Arbeiter befolgten damals diesen Rat und kündigten. Heute sind 70 % der Beschäftigten im Werk Süd Ausländer, mit denen man es machen kann, weil sie, an ihre Jahresverträge gebunden, nicht das Recht haben, ihren Arbeitsplatz zu wechseln.
Die Praxis bei Sachs sieht so aus, daß ein Arbeiter 120-130 Prozent bringen muß, um den normalen Lohn zu erreichen.
Nach zwei Tagen werde ich zu den Schleifstraßen versetzt. Hier soll ich angelernt werden. Ich bin einem Arbeiter zugeteilt, der sich sehr viel Mühe gibt, mir alles zu erklären, der aber selbst nicht durchblickt, wie sich später herausstellt. Wenn er etwas erklären will, muß er mir ins Ohr brüllen. So stark ist der Lärm, den die Maschinen verursachen. Aber selbst dann verstehe ich erst beim zweiten- oder drittenmal, was er gemeint hat. Der Arbeiter ist verantwortlich für zwei nebeneinanderliegende Schleifstraßen von je 15 Meter Länge. Bevor MTM eingeführt wurde, mußte er nur eine bedienen. «Es waren ein paar Groschen weniger, die wir verdienten», sagt er einmal während einer Pause, «aber wir wurden nicht so gehetzt.» Er sagt auch: «Falls ich dich mal anbrüllen sollte, wenn irgend etwas nicht klappt, meine ich es nicht so, da gehen einem schon mal die Nerven durch.»
Wir rotieren, umkreisen fortwährend die beiden Schleifstraßen, insgesamt je vier durch einen Fließstrang verbundene, aneinandergekoppelte Maschinen. Wir haben die Stoßdämpfer auf ihre Genauigkeit zu prüfen, die Maschinen neu einzustellen. Ständig verändern sich die Meßwerte. Wenn ein Stück nicht mehr durch den Meßring geht, wenn sich Unebenheiten oder Flecken unter der Lichtlupe zeigen, wird der «Ausschuß» vom Lohn abgezogen. Das passiert öfter am Tag, dann wird mein Kollege noch nervöser und gehetzter. Mit Augen und Ohren achtet er gleichzeitig auf die Maschinen. Fängt eine an zu fauchen, stürzt er hin und drückt den roten Notstoppknopf. Danach muß die Maschine neu eingestellt oder der Schleifstein abgezogen oder ausgewechselt werden.
Ein Einsteller macht mich darauf aufmerksam, daß ich mich bei einem bestimmten Geräusch seitlich von der Maschine in Deckung werfen solle. Er habe schon erlebt, daß Stoßdämpferteile geschoßartig aus der Maschine geschleudert worden seien. Es sind alte Maschinen, die nur hin und wieder neu gespritzt werden, einige haben noch die glorreiche Zeit erlebt, als Sachs mit dem Prädikat «nationalsozialistischer Musterbetrieb» geehrt wurde. «Sie sind unberechenbar», sagt ein Einsteller. Gerade hat er mir vormachen wollen, wie man die Maschine genau einstellt. Jetzt weist sie eine noch größere Abweichung als zuvor auf. Er warnt mich auch davor, in die Maschine zu greifen, wenn ein Stoßdämpfer klemmt, dabei sei schon manchem der Finger abgerissen worden. Das erfahre ich nach einer Woche, als ich schon öfter verklemmte Stoßdämpfer aus der laufenden Maschine herausgefingert habe, wie es mein Kollege auch macht, wenn er mit seiner Zeit zurück ist.
Selbst die Pausen sind keine Erholung. Der Lärm ist kaum gedämpft. Die Arbeiter müssen die Maschinen weiterlaufen lassen, um auf ihren Lohn zu kommen. Kaum einer leistet sich außerhalb der beiden offiziellen Pausen den Gang zur Toilette. Man muß ein Stockwerk tiefer laufen, Springer stehen keine zur Verfügung. Und die beiden Schleifstraßen solange abstellen, damit wäre die Notdurft zu teuer bezahlt - ein bis zwei Mark Lohneinbuße - wer kann sich das leisten. Für die Arbeiter gibt es drei Toiletten, ohne Brille, ohne Toilettenpapier, verdreckt. Die Meister haben 2 Extra-Klos, mit Schlüssel. Auf der Tür zum Klo dritter Klasse für Ausländer steht mit Filzstift «Kanakenscheißhaus». Hier ist nur ein Loch in den Boden eingelassen, stehend geht's noch schneller. Mit «Männer» und «Frauen» sind die Eingänge zu den Toiletten der Arbeiter beschriftet, die Angestelltentoiletten sind mit «Damen» und «Herren» klassifiziert.
Ein Jungarbeiter: «Hier bei uns gibt es kein Klosettpapier, der Sachs spart eben, als ich dem Meister mal sagte, ich geht jetzt aufs Klosett, da sagte der, paß auf, daß dich keiner von der 'Führungsspitze' erwischt, sonst wirst du gestoppt, mich haben sie auch schon mal gestoppt, und es ist mir dann zum Vorwurf gemacht worden, daß ich zu lang geschissen hätte ... Da waren Lehrlinge aus dem 1. Lehrjahr, die waren auf dem Klosett ungefähr zehn Minuten, da ist der Lehrwerkstättenleiter Richter rausgegangen, er hatte sich vorher extra einen Schlüssel für die Klosetts anfertigen lassen, und hat dann die Klosetts von außen aufgeschlossen, um nachzuprüfen, ob das Zigarettenrauchverbot in der Lehrwerkstatt eingehalten wurde, die waren gerade beim Verrichten des berühmten Geschäfts.»
Von dem Kollegen, der mich einarbeitet, weiß ich nicht den Namen, er meinen auch nicht, das erübrigt sich hier. Wir haben zu reagieren auf Maschinen, nicht auf Menschen, und wenn wir uns etwas zurufen, uns warnen, wenn die Maschine blockiert oder sonst was nicht stimmt, schreien wir irgendwas, «he» oder «hallo» oder « paß auf». Bei dem Lärm sind Sätze nicht zu verstehen, sondern nur Schrumpfworte, Urlaute, die sich kaum von den Geräuschen der Maschinen abheben.
Kaum zehn Sekunden, die einer, der zwei Schleifstraßen bedienen muß, mal einen Zahn langsamer drehen kann. An Hinsetzen ist gar nicht zu denken. Wagt es einer doch, findet er keine Ruhe, denn in der Zeit könnten sich irgendwo Meßwerte verschieben und Ausschuß herauskommen. Hier braucht man keinen Aufpasser oder Antreiber, das alles besorgt die Maschine. Der Mensch ist zu ihrem Anhängsel geworden.
Der Konzern kennt in seiner Profitgier keine Grenzen. Der MTM-Akkord an den Schleifstraßen läßt keine Reserven, da wird die letzte Luft herausgepreßt. Die seltenen Möglichkeiten, der Maschine mal ein, zwei Minuten abzuzwacken, sollen zunichte gemacht werden. Ein Prüfer, der vorbeikommt, bereitet uns vor: «Wir haben jetzt nachts Versuche an den Maschinen gemacht, daß wir ohne 'Abziehen' auskommen (der Maschinenschleifstein wird neu eingestellt), daß die Maschinen das selbst erledigen. Dann könnt ihr überhaupt nicht mehr Schmu machen, dann geht’s ununterbrochen rund für euch. Nächstes Jahr ist es soweit.» Zur Verdeutlichung führt er eine schnell kreisende Bewegung mit seinem Fing um die Schleifstraße herum.
Durch das Abziehen waren schon mal ein, zwei Minuten Verschnauf pause herauszuholen, wenn man die vorgeschriebene Stückzahl erreichte.
Aus den Maschinen spritzt Schleifwasser und Öl. Haut und Haar werden damit bestäubt, viele haben einen Gesichtsausschlag und stark juckende Flechten. Bei einem Arbeiter, der sich ständig kratzt, hat die Brühe Löcher in die Füße gefressen. Den Geruch des Öls kriegt man trotz gründlichen Waschens nicht mehr los. «Sie riechen jetzt schon riecht nach Fabrik», sagt die Wirtin, bei der ich zur Untermiete wohne.
Nach zwei Monaten Frühschicht bei Sachs – 1/2 5 Uhr aufstehen, um Punkt 6.00 Uhr im abgelegenen Werk Süd zu sein, wird mir plötzlich klar, daß ich in Schweinfurt ja nicht erst seit diesem einen Monat bin. Daß ich ja direkt vor meiner Einstellung bereits drei Wochen in der gleichen Stadt war, um von außen zu recherchieren, eben als Journalist, als halber Tourist.
Zwei völlig verschiedene Städte, aus zwei völlig anderen Perspektive die ich erlebe..."


(aus B. Engelmann, G. Wallraff: Ihr da oben - wir da unten; rororo 1976. Seiten 111-114)

Also, zwei völlig verschiedene Städte, zwei völlig verschiedene Welten in einer...

Nächstes mal habe ich noch ein Leckerbissen: C. Fussek, G. Schober: Im Netz der Pflegemafia. Bertelsmann 2008. (An dieser Stelle einen Gruß an Micday Post #84, der als Pfleger arbeitet und selten Zeit dafür hat, hier vorbei zu schauen)
 
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AW: Marx – Das Kapital lesen (Erstes Kapitel)

Bernt Engelmann also. Ja, ich habe ein paar Sachen von ihm gelesen. Und dann erfährt man, dass er unter anderem Material von der Stasi in seinen Büchern verwendete und selbst ein IM war. Das wirft leider ein schlechtes Bild auf ihn und seine „Dokumentationen“. Andere Autoren, wie etwa Markus Breitscheidel, hatten so etwas nicht nötig.

Wie viel ist oft? – Ich will es so formulieren: Früher war nicht alles besser, ganz besonders nicht die Arbeit. Deshalb mag die Arbeit, wie sie Engels in England beobachten konnte oder wie Marx sie abstrakter beschrieb, zu ihrer Zeit der Normalfall gewesen sein. Heute trifft das nicht mehr zu. Es gibt weiterhin „ätzende“ Arbeit, das bestreite ich nicht. Das betrifft viele Menschen, wenn man die Einzelschicksale dahinter betrachtet, aber es verläuft sich fast schon wieder, wenn man sich die Mehrzahl der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen (in Deutschland) ansieht, die es darüber hinaus noch gibt: 38,5-Stunden-Woche, Betriebsrat, Getränke umsonst, Obst umsonst, vergünstigte Kantine, Raucherpausen, Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, Weihnachtsfeier, sechs Wochen Urlaub, Betriebsausflug, bezahlte Überstunden, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz, Abfindungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Gewinnbeteiligung, Zuschuss zur privaten Altersvorsorge, vermögenswirksame Leistungen, private Telefonate während der Arbeitszeit, Surfen im Internet, mitunter auch Diensthandy oder sogar Dienstwagen.

Davon steht nichts bei Marx.
 
Auch wenn man nur Spaß haben will, wie Du das hier praktizierst, muss man einigermaßen an der Regel der Logik halten, damit einer gescheite Diskussion zustande kommt. Sonst können wir es gleich lassen. Also, noch mal:

Zitat Keshkau: „Dein Zitat wird von Dir wahrscheinlich als Beleg für Deine Thesen interpretiert. Für mich ist es das genaue Gegenteil. „Die gesellschaftliche Teilung der Arbeit“ stellt – wie oben erwähnt – eben nicht zwangsläufig „unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber“. Oft ist das so, keine Frage, denn durch Konkurrenz zeichnet sich ein Markt aus.

Und ich sage: Wie wollen wir denn verbleiben? Ist das oft so oder ist das genaue Gegenteil? Steht Opel und VW als „unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber“ oder nicht?

Jetzt kommst Du und sagst: "Wie viel ist oft? – " Die Frage beantwortest Du gar nicht, sondern rutschst gleich weiter: "Ich will es so formulieren: Früher war nicht alles besser, ganz besonders nicht die Arbeit." Also, gut: Du lässt die Frage nicht nur unbeantwortet, Du wechselst einfach das Thema, Du drehst ihr einfach den Rücken. Das ist ganz klar: Du findest sie für deine Argumentation unerheblich.

"Wie viel ist oft? – " Ich kann Dir sagen: Von Null bis Unendlich ist "oft" von eins bis Unendlich.
Anderes Beispiel: Von Null bis Einhundert ist "oft" von eins bis Neunundneunzig (Klar, Einhundert wäre nicht "oft", sondern "immer"; für Unendlichen gilt das nicht – Vorsicht, Sonderfall!).

Ich stelle mit Erstaunen fest, es geht Dir dabei um ein bestimmtes Verhältnis, ab wo sich die 'Wahrheit' einstellt: wenn das nicht "immer" ist, ist eine Aussage für Dich schlicht falsch. Anders gesagt: "das genaue Gegenteil" und "Oft ist das so" wiedersprechen sich bei Dir gar nicht: Es kann noch so oft sein, wie es will, für Dich ist das genau das Gegenteil! Weil es halt nicht immer so ist!

Wenn Du eine einzige Ausnahme entdecken kannst, wie beschissen und an den Haaren herbeigezogen auch immer, ist der Sachverhalt für Dich entschieden: – Falsch! Das ist übrigens kein ungewöhnlicher Vorgang für die heutige Geistes- und Gesellschaftswissenschaft. Tenor: Alles hat mit allem zu tun, es gibt sehr viele Faktoren und man kann nie wissen ob man alle Faktoren beisammen hat oder vielleicht noch andere auftauchen, alles ist hochkomplex und keiner kann es begreifen. Das Vertrauen im Verstand und in der Vernunft, das nur das konsequent logische Denken herstellen kann (Hegel lässt grüßen!), ist nicht nur auf dem Rückzug, es wird auch sehr viel getan, um es entgültig aus der Wissenschaft zu tilgen. Aus dem Alltag ist das bereits lange verschwunden, als Beweis seiner Unnützlichkeit in einer Gesellschaft, wo die Durchsetzung aller Interessen über die Macht des Geldes/Kapitals stattfindet.

Zitat keshkau: "Deshalb mag die Arbeit, wie sie Engels in England beobachten konnte oder wie Marx sie abstrakter beschrieb, zu ihrer Zeit der Normalfall gewesen sein. Heute trifft das nicht mehr zu. Es gibt weiterhin „ätzende“ Arbeit, das bestreite ich nicht. Das betrifft viele Menschen, wenn man die Einzelschicksale dahinter betrachtet, aber es verläuft sich fast schon wieder, wenn man sich die Mehrzahl der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen (in Deutschland) ansieht."

Hier kommt wieder dasselbe Muster zum Einsatz wie vorhin: Weil nicht alles „ätzende“ Arbeit ist, stimmt das besagte nicht, und überhaupt der ganze Marx. Marx hat aber nicht gesagt, dass das Kapital sich über „ätzende“ Arbeit verwertet und zu seinem Profit kommt, sondern nur über Arbeit und weiter nichts. Aber diese Arbeit muss schon profitabel sein, also mehr bringen als sie gekostet hat. Und wenn der Staat selbst den Kapitalisten auf die Finger schaut (Sozialstaat), dass sie doch die Leute nicht vollständig ruinieren mögen, dann hat man die Wahrheit über die Arbeit und wie von ihr Gebrauch gemacht wird.

Dann geht es weiter. Zitat keshkau: "38,5-Stunden-Woche, Betriebsrat, Getränke umsonst, Obst umsonst, vergünstigte Kantine, Raucherpausen, Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, Weihnachtsfeier, sechs Wochen Urlaub, Betriebsausflug, bezahlte Überstunden, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz, Abfindungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Gewinnbeteiligung, Zuschuss zur privaten Altersvorsorge, vermögenswirksame Leistungen, private Telefonate während der Arbeitszeit, Surfen im Internet, mitunter auch Diensthandy oder sogar Dienstwagen. Davon steht nichts bei Marx.

Auch hier dasselbe Muster: Weil davon nichts bei Marx steht, kann alles nur falsch sein. Andererseits wirfst du Sachen zusammen, die unterschiedlichen Ursachen haben. Manches musste der Staat gegen den Kapitalisten durchsetzten, damit dieser die Arbeitsquelle oder diese selber sich nicht vollständig ruiniert: Stichwort Arbeit ist Springquelle des Profits. Manches wiederum ist die 'Großzügigkeit' des Kapitals, wenn es um besondere Geschäfte geht. Aber nicht in der normalen Warenproduktion. Und diese so oder so gearteten Zugriff des Staates steht schon bei Marx.


Ganz anderes Kaliber ist der andere Zug von Dir: Mein Zitat aus dem «Ihr da oben, wir da unten» verdient von Dir nur die Erwähnung der 'unredlichen Nebentätigkeit' von Bert Engelmann. Kann gut sein, dass das stimmt. Für mich wird das jetzt sozusagen noch nachvollziehbarer: Das Buch hat zwei Autoren: der eine hat über die da oben geschrieben und der ist B. Engelmann; der andere, G. Wallraf über die da unten, er hat richtig geschuftet. Vom letzten habe ich das Fragment zitiert. Jetzt gibt es da zwei Punkte fest zu halten:

Erstens: Die Tatsache, dass B.E. IM war, macht nicht unwahr, was er oder sein Kollege G.W. geschrieben haben: Über diese Enthüllungen war einmal unsere Republik schon sehr empört. Aber über die Inhalte so lässig hinweg zu sehen, wie Du das schaffst... Hut ab (Ausrufezeichen absichtlich weggelassen)

Zweitens: An der Informationen über die da oben kann offensichtlich nur ein Geheimdienst gelangen. Ob Stasi und nicht BND im Spiel war, wäre ich gar nicht so sicher. Aber eins finde ich merkwürdig: Sie haben sich dabei tatsächlich gedacht, wenn die Leute wüssten, wie schlimm die Sachen wirklich stehen, wird sich schon etwas ändern. Sie haben damit nicht gerechnet, dass die da unten sich mit ihrem armseligen Leben arrangiert haben: als Kosten des Kapitals, als abhängige Menschen.
 
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Zu Deinem ersten Teil:
Ich ging nicht mehr darauf ein, weil Dein Zusatz "(Ok, es war nur Spass...)" bei mir den Eindruck erweckte, als ob Du das nicht länger thematisieren wolltest. Ich habe mich an der Passage gestoßen, die von Dir in Beitrag Nr. 96 blau eingefärbt wurde (lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung).

Die Sache mit dem „oft“ bezog sich auf Deinen Beitrag Nr. 94 und dort auf die Textstelle „die gesellschaftliche Teilung der Arbeit stellt unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber, die keine andre Autorität anerkennen als die der Konkurrenz“. Daraufhin habe ich versucht, anhand alternativer Organisationformen (Genossenschaften) aufzuzeigen, dass man sich dieser Konkurrenz nicht ausliefern muss, wenn man nicht will. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist dennoch sehr wohl möglich.

Aber ich sage auch, dass ich die Konkurrenz sehr wohl begrüße. Wenn die Wirtschaftssubjekte keinen Weit darauf legen, sich der Konkurrenz zu entziehen, dann ist das womöglich ein Resultat ihrer (freien) Entscheidung. Ganz so zwangsläufig sind die Zusammenhänge nicht.

Marx hat Zustände im Arbeitsleben beschrieben, die vor 140 Jahren ihre Gültigkeit hatten, als die Arbeitnehmer mehr oder weniger rechtlos waren. Heute sind sie das nicht mehr. Die Veränderungen betreffen die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen, nicht die Tatsache, dass sich der Kapitalist den Mehrwert einstreicht, was für Marx ein Grundübel ist. – Aber ehrlich gesagt, habe ich damit kein grundsätzliches Problem.

Ein fleißiger Innovator wird vom Markt belohnt. Er riskiert schließlich auch viel und der Gewinn ist seine Prämie. Das ist der Motor unseres materiellen und technischen Fortschritts. Amen.

Wenn Arbeitnehmer in Bangladesch oder sonstwo unter erbärmlichen Bedingungen und zu Hungerlöhnen arbeiten müssen, dann interessiert mich das persönlich eher nicht. Auch die Regierung von Bangladesch ist in der Lage, Arbeitsschutzgesetze oder einen gesetzlichen Mindestlohn zu verabschieden. Aber wenn sich die Menschen dort nicht die Regierung wählt, die das für sie tut, dann ist das allein deren Problem.
 
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@barista

entschuldige, dass meine antwort auf die rational/irrational-diskussion etwas auf sich hat warten lassen.

ich habe mir mehrere male deine antwort durchgelesen und muss eingestehen, dass ich in dem was du beschrieben hast durchaus einstimmen kann.
ich denke, dass du richtig liegst, wenn du mir sagst, dass ich genötigt bin begriffe zu fixieren.
ist aber doch eigentlich gar nicht so verkehrt so eine fixierung, denn sonst würde man doch um begriffe kreisen, die in sich selbst mehr als schwammig sich verhalten.

genauer zum inhalt:
du schreibst: "Das Resultat dieser Tätigkeit kann an der untersuchten Realität vorbei sein und das nenne ich verkehrt oder falsch aber nicht irrational."

die einzige frage, die ich habe, ist eigentlich nur die: warum hast du dermaßen probleme damit von irrationalität überhaupt zu sprechen?
mir scheint, dass du diesen begriff bewußt umgehst um schuldige (müssen nicht unbedingt nur personen sein) auszumachen, denn das würdest du nur schaffen, sofern du bei einem bestimmten begriff von bewußtsein bleibst, nämlich bei einem, dass entweder rational richtig oder rational falsch gehandelt bzw. geurteilt werden kann...hauptsache aber rational.

wenn das resultat des denkens und damit die aufforderung zur handlung an der untersuchten realität vorbei sind, dann wurde diese realität allem anschein nach durch gespenstisch und phantastisch (marx läßt grüßen) zurechtgebogene gedanken ausformuliert.
warum ist es dann deiner ansicht nach trotzdem unsinnig von irrational-rationaler überlegung zu sprechen?
fast scheint mir, dass wir mehr oder weniger einen streit um begriffe führen.
was für dich "verkehrte überlegung" bedeutet, das bedeutet für mich irrationaler schluß.
da würde ich fast sagen, dass du sogar noch eine spur gutmütiger mit den verhältnissen und den darin lebenden menschen umgehst als ich :)
für mich stellen sich die umstände unter denen bestimmte gedanken geführt und bestimmte urteile gefällt werden um einiges fatalistischer dar als deine überlegungen es nahe legen.
diese beiden ansichten würde ich als unversöhnliche positionen interpretieren.



Edit @ Beitrag 101:

"Es geht mir nicht darum aber ich kann dir die Gegenfrage stellen: [...]"

wenn es dir gar nicht darum geht "schuldige" auszumachen, wie du ja schreibst, dann ist die frage nach meiner einstellung dazu eigentlich recht unwichtig und solange keine notwendigkeit der beantwortung dieser frage besteht, würde ich sie auch gerne unbeantwortet lassen und warte lieber deine zweite hälfte der antwort ab.

auch scheint es mir nicht sehr sinnvoll "Individuum" und "Gesellschaft" zu trennen.
das individuum ist das spiegelbild der gesellschaft und die gesellschaft ist nur in und durch die gesamtheit aller (irrational in diesem fall) handelnden, denkenden, entscheidenden individuen.
betitelst du "gesellschaft" als irrational, so müsstest du schon arge verrenkungen machen um beim individuum dennoch von rationalität in deinem sinne (also richtige und falsche) sprechen zu können.
 
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