Eine völlige Anpassung zu fordern, wäre aber eher Assimilation als Integration oder gar Inlklusion.
So nach dem Motto "Wir sind die Deutschen, sie werden Integriert, Widerstand ist zwecklos".
Migration, das bedeutet für mich nichts weiter als einen Ortswechsel. Auch wer gerade von Hamburg nach München gezogen ist, ist Migrant, und bekommt das bei vielen Gelegenheiten auch zu spüren. Lediglich die Sprachbarriere ist nicht so hoch wie z.B. bei einem Flüchtling aus Somalia. Schonmal in einem schwäbischen ländlichen Dorfkneipe die Glocvke am Tresen bedient, und sich dann gewundert, warum plötzlich alle freundlich zu dir sind und die teuersten Getränke bestellen? Genau, man muss erstmal WISSEN, dass man diese Glocke nur benutzt, wenn man sich eine Lokalrunde auch leisten kann
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Soll nun der Hamburger Brezeln fressen und Bier saufen, nur weil die Aufnahmekultur das eben tut - schafft er eine "Parallelgesellschaft" wenn er dennoch Labskaus essen möchte? Oder sich über jeden Schnack mit einem anderen Norder freut.
U.U. ist es des "Bazis" sogar ganz Recht, wenn die "Saupreissen" unter sich bleiben.
Migration und die Entstehung von "Parallelgesellschaften" sind mMn untrennbar miteinander Verbunden, denn die Aufnahmekultur wird einen auch nach Generationen noch als "Zugereisten" begreifen (zu sehen z.B. an der mittlerweile 3. Generation italienischer Gastarbeiter-Kinder in D. Wie es aussieht werden auch deren Kinder noch "Gastarbeiter-Kinder" sein, dann eben die 4. Generation). Und das ist überall in Europa das Gleiche, wie der "Rechtstrend" bei der jünsten Europawahl wiedermal gezeigt hat, denn nahezu überall haben die Natioalisten zugelegt (im Bezug auf ein "Europaparlament" in dem auch eine ganze Menge "Ausländer" Stimmrecht haben werden, ist das eigentlich nichts weiter als ein schlechter Witz - ein echter Nationalist müsste so eine Institution eigentlich komplett boykottieren).
Gleichzeitig möchte Mensch seine Herkunft aber auch nicht von jetzt auf gleich zu 100% leugnen (da die Teil seiner Identität ist, kann er das garnicht leisten).
Diese Dilemma (erst sehr langfristig gelingende Aufnahme in den "neuen" kulturellen und sozialen Kontext, bei gleichzeitigem Verbleib im ursprünglichen) schafft Parallelgesellschaften (wenn es sich bei den Mitgliedern dieser Parallelgesellschaften nicht gerade um Migranten handelt, spricht man von Subkultur, unsere Gesellschaft besteht eigentlich aus nichts anderem), die dann von jenen problematisiert werden können, die ein eigentlich unhaltbares Einheitsbild des "Durchschnittsdeutschen" im Kopf haben - den es aber genaugenommen nicht gibt, erstrecht nicht als Bevölkerungsmehrheit.
Setze ich diese Perspektive an, so ist das Problem nicht mangelnder Integrationswille der Zugereisten, sondern die Unfähigkeit, auch eine Gruppe junger Deutsch-Türken als ganz normale Subkultur zu betrachten, statt sie zu problematisieren und mit Zwangsmaßnahmen noch mehr an den Rand der Gesellschaft zu pressen.
Integration gelingt nicht, weil es in irgendwelchen Büchern steht (sogar Gesetzbücher sind da relativ egal), sondern nur dann und auch nur so, wenn und wie es die Menschen in täglicher Interaktion hinbekommen (und zwar auf bieden Seiten). Da bin ich sogar mit Sarrazin einigermaßen d'Accord, ausser dass ich Integration nicht als einseitige Aufgabe der Migranten begreife, zu deren Bewältigung sie das (klar überlegene) deutsche Wesen erst zwingen muss.
Gesetze, die sowohl die Migranten, als auch die Aufnahmegesellschaft zu Integration anhalten oder gar zwingen, können langfristig eigentlich nichts anderes erreichen, als das Gegenteil - Integration muss gewollt sein, sonst bekommt man am ende tatsächlich Parallelgesellschaften, die nur dort zu Interaktion fähig sind, wo sie gesetzlich dazu gezwungen sind.
In den USA gibt es z.B. Gemeinden, in denen überwiegend deutschstämmige wohnen, in denen es Schulen nach deutschem Vorbild gibt, in denen u.U. die Amtssprache sogar Deutsch ist, und der russischen Gemeinde ein paar Meilen weiter ist das total Wumpe - die machen es nicht anders. Teilweise lernen die Kinder dort (wie in DE mittlerweile auch) ab Klasse 3 Englisch (als Fremdsprache), der übrige Unterricht wird in Deutsch abgehalten, denn das ist noch immer die Muttersprache der überwiegenden Mehrheit in diesen Gemeinden.
So etwas klappt nur, wenn Migranten eben zugestanden wird, weitestmöglich an ihrer Herkunftskultur festzuhalten - in den USA funktioniert das Aufgrund der speziellen Staatsgeschichte und der weit verbreiteten Ablehnung staatlicher Kontrolle.
Wenn jemand meint, er müsse in Deutschland nicht deutsch sprechen können, um hier zu überleben und zu arbeiten, dann mag das eine Verweigerungshaltung gegenüber meiner Kultur sein (was mich evtl. brüskiert), aber wenn er das über Jahre hinweg schaft dann ist das (offensichtlich) viel eher mein Problem, als seins - es sei denn ich mache es zu seinem. Wenn ich im Gemüseladen meines Onkels auch ganz ohne deutsch-Kenntnisse gut zurecht komme, und es mir möglich ist, einem Verkäufer meine Wünsche zu vermitteln (egal wie), dann steht einem Leben in Deutschland mMn nichts entgegen.
Gemüse verkaufen (hier ganz sicher nicht mehr als ein Beispiel) kann ich auch ohne Diplom, Abitur oder Hauptschulabschluss - und Mathe (was im Handel schon basal ist) funktioniert in türkisch oder chinesisch genau so wie in deutsch.
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Sarrazins Schlussfolgerungen sind eigentlich nicht ganz so schlecht gewesen, aber er hat sich mit den Begriffen aus der Integrationsdebatte ein mMn sehr fauliges Fundament dafür ausgesucht. Im Prinzip ist er über eine Art sprachbarriere gestolpert, die seine Thesen aufgrund sprachlicher Mängel im laufenden Migrations-Diskurs nicht gerade Anschlussfähig gemacht haben. dieser Fach-Diskurs hatte die Migrationsdebatte nämlich schon zu lange überwunden, als dass sie einer "Altlast" aus dieser Debatte viel Anerkennung zollen würde.
Davon abgesehen fand ich es etwas plump, einen Titel zu wählen, der ganz gezielt Ängste anspricht, statt einen thematischen Bezug herzustellen. Es gab tausend mögliche Titel, und ich habe mich damals schon gefragt, warum der Mann ausgerechnet "Deutschland schafft sich ab" gewählt hat - das habe ich damals schon eher für eine BILD-Schlagzeile gehalten. Nicht gerade ein Indiz für einen wissenschaftlich fundierten Inhalt.
Und die Suppe hat er sich tatsächlich selbst eingebrockt - oder war's sein Verleger?
Zu der Zusammenfassung der Sarrazin-thesen, die du im letzten Post gegeben hast fällt mir nur ein, dass der Mann dann ganz offensichtlich die politische und wirtschaftliche Situation in den Herkunfts- und Schwellenländern für völlig irrelevant halten muss - für so dumm hatte selbst ich ihn nicht gehalten, schließlich war der Mensch mal ein hohes Tier im deutschen Finanzwesen, da sollte er die Unterschiede in diesen Bereichen eigentlich nicht so ganz aus den Augen verlieren - Zuhause ist einfach scheiße, wenn es da keine Arbeit, religös motivierte Repressalien oder Staatswillkür en mas gibt. Wirtschaftliche Gründe sind hauptsächlich für Migrationsbewegungen verantwortlich. Die kommen NICHT wegen der deutschen Kultur nach Deutschland, sondern weil es hier den Ärmsten noch besser geht, als zb. dem Mittelstand in ihrer Heimat.
Und dagegen kann man leider nur etwas tun, wenn man ausnahmslos allen Menschen (also auch deutschen, man könnte ja die dt. Staatsbürgerschaft anzunehmen versuchen) die wirtschaftliche Grundsicherung verweigert - das kann es doch eigentlich nicht sein.