Ich hab nach den ersten Kommentaren aufgehört weiterzulesen. Ich hoffe das dies kein Fehler ist. Wenn ich jedoch weitergelesen hätte, hätte ich vergessen, was ich überhaupt sagen will. Daher bitte ich um Entschuldigung, wenn ich etwas ungewollt wiederhole oder ein Gegenargument nicht berücksichtig habe.
Abgesehen davon fällt es mir schwer auf die Themen von Thilo Sarrazin einzugehen, da ich seine Bücher kennen müsste, um gegenargumentieren zu können. Ironisch in diesen Kontext ist, das ja jede Meinung zu ihm und/oder seinen Büchern davon abhängig sein sollte, das man ihn und/oder seine Bücher auch kennt und sich mit diesen unvoreingenommen auseinander gesetzt hat. Doch hier liegt etwas kniffeliges inne. Würden wir - mit Wink zu der interessanten Beschreibung von Tabus im ersten Post - gesellschaftlich vorraussetzen, dass jeder vollumfänglich alle Argumentationsketten verinnerlicht hat, damit seine Meinung eine Art Basislegitimation erfährt, so könnten wir keine Diskussionen führen. Den in dieser Überlegung ist es unbeweisbar, das irgendjemand das Thema vollumfänglich verinnerlichen kann.
Durch diese Überlegung müssen wir es gestatten, Meinung äußern zu können oder dürfen, selbst wenn sie im Meinungsempfänger objektiv wie subjektiv auf Ablehnung stoßen. Der Kontext der Auseinandersetzung bringt mal thematischen Fortschritt, mal "dreht man sich nur im Kreis" und das andere Mal ist nicht mal was konstruktives dran.
Einer der ersten Gedanken, die ich beim Lesen des Threads hatte, war die
selektive Wahrnehmung. Ich gebe zu, das ich sie gerne für alles mögliche anführe, aber hier passt sie auch sehr gut.
Meinungsfreiheit ohne denken? Sind Tabus nötig? Wird die Gesellschaft wortkarg/arm?
Schon diese Fragen sind seicht mit Vorurteilen besetzt. Seicht deshalb, weil durch die Frage nur die Skepsis betont wird. Dennoch,
Meinungsfreiheit ohne denken ist unlogisch, da ein Mensch (in diesem Kontext) nicht nicht denken kann. Tabus sind nicht aufgrund von Notwendigkeiten entstanden. Und die Wortgewandheit und Mitteilungsmotivation der Gesellschaft zu erfragen ist mit keiner Objektivität möglich, da es weder einen Bezugspunkt gibt, noch ein Individuum nicht durch seine begrenzten Raum und seiner selektiven Wahrnehmung unverzerrt antworten könnte.
(Ergänzung: Eine Alternative von mir wäre: Relektiert sich die Gesellschaft genügend über ihre Meinung? Und wenn, welche Werte werden geteilt?)
Was ist es also, was hier nach Antwort sucht? Die Ungerechtigkeit, die Nichtigkeiten, der Unsinn der Menschen? Mark Twain hatte da einen tollen Spruch:
Wenn wir bedenken, daß wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt.
Na gut, das ist auch nicht zielführend. Aber eine Antwort lässt sich nicht finden, da schon die Frage undeutlich ist. Wenn ich mein Gefühl hinzuziehe, geht es hier tatsächlich um Ungerechtigkeit. Wiki sagt:
Ungerechtigkeit ist eine Verletzung der Gerechtigkeit. Und es sagt zur Gerechtigkeit:
Der Begriff der Gerechtigkeit bezeichnet einen idealen Zustand des sozialen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen oder Gruppen gibt.
Der ideale Zustand wäre, wenn jeder vollumfänglich Fakten zu einen Thema wüsste, damit seine Meinung unbeeinflusst von der erlebten Reduktion ist, die ihn erst eine Meinung bilden ließ. Mit "erlebte Reduktion" (gerade erfunden) meine ich, das wir Schlagzeilen in Zeitschriften sehen, Fernsehsender uns berieseln, Artikel oder Kommentare im Internet lesen, zufällig Gesprächsfetzen in der Öffentlichkeit wahrnehmen oder bei Freunden und Bekannten in Gesprächen verwickelt werden. In jeder dieser Wahrnehmung haben wir bereits nur eine Teilmenge des Themas. Logisch wäre nicht drüber nachzudenken, bis alle Informationen zum Thema vorhanden sind. Das kann aber kein Mensch tun, weil er nie weiß, wann das der Fall ist.
Also wird selektiert. Ich weiß dies, ich weiß das, hab hier sowas mitbekommen, und das andere sogar selbst erlebt. Und manchmal ist es sogar notwendig eine Meinung zu vertreten, weil diese das eigene Leben beeinflusst. Die "Medien" bestehen ja auch nur aus Menschen, die ihrer individuellen Welt ausgesetzt sind. Jemand, der seinen oder ihren Weg als Reporter einschlug, muss sich schnell von hehren Idealen verabschieden, da dieser oftmal keine Macht über das Medium selbst hat, sondern umgekehrt. Und diejenigen, die diese Macht haben, sind den Konsequenzen des Erhalts desgleichen, also auch ihrer eigenen Zielsetzung ausgesetzt.
Auf die Interpretation meiner letzten Worte wär ich gespannt. Doch um es vorweg zu nehmen, hier muss es nicht nur mit Vorsatz ablaufen. Vieles läuft unterbewusst ab, insbesondere die persönliche Relevanz. Sinngemäß hier ein Spruch, den ich gerade nirgends abschreiben kann:
Derjenige lässt sich am ehesten von einer Lüge täuschen, dessen Wunsch dieser am nächsten ist.
Und ein unterschwelliger Wunsch von uns allen - und das ist nur gesund - ist das eigene Wohlergehen, und die der Liebsten.
Mutig ist der, der für wahre Ideale sein Leben gibt. (nicht aufgibt!) Wir hier tun das wohl nicht. Die Medien nicht. Die Politik nicht. Unter'm Strich die Gesellschaft nicht. Vielleicht deshalb, weil die meisten Ideale unerreichbar scheinen, und unsere Gesellschaft krankhaft erfolgsorientiert ist. Aber das macht es hier noch schwieriger.