extasy schrieb:
Im Kapitalismus gibt es Bereiche wo es im "Verdienst" keine Grenzen gibt. Für die ganz oben (Fußballer, Rennfahrer, Manager, Unternehmensberater usw) scheint es keinerlei Grenzen zu geben. … Wir sollen für möglichst wenig Geld arbeiten gehen, Oben jedoch gibt es keinerlei Hemmungen und Grenzen.
Auf den ersten Blick mag es verrückt klingen, wenn ein Sportler mehrere Millionen Euro pro Jahr verdient. Aber im Grunde ist das nur ein Ergebnis der Preisbildung in diesem ganz speziellen Arbeitsmarktsegment. Ich habe im Thread „Was tun gegen Firmen die Millionen an ihre Vorstände zahlen?“ (#142) folgendes Beispiel für den „Wert“ eines hoch bezahlten Spielers angeführt.
keshkau schrieb:
Real Madrid hat Ende 2003 in nur vier Monaten 78 Mio. Euro Umsatz mit Beckham-Shirts gemacht. Da haben sich die 35 Mio. Euro Ablöse an ManU bereits bezahlt gemacht. Auf welcher Grundlage will man nun argumentieren, dass Beckham bei Real Madrid zu viel verdient hat?
Im Niedriglohnsektor ist es genau umgekehrt. Zunächst einmal bietet ein Fensterputzer oder der Wachmann keine besondere – im Sinne von einzigartige – Arbeitsleistung an (etwa im Vergleich zu einem Ronaldinho) und zweitens ist er aufgrund des Überangebots an Arbeitskräften in diesem Bereich sehr leicht zu ersetzen. Der Konkurrenzdruck unter den Arbeitsnehmern ist entsprechend hoch. Bei freier Preisbildung würden sich die Bewerber bei den Lohnforderungen gegenseitig unterbieten.
Ich weiß auch nicht, was das Beispiel mit den Werbekosten soll. Es gibt mittlerweile zahlreiche Produkte, bei denen die Werbekosten über den Produktionskosten liegen. Das gilt nicht nur für Sportartikel, sondern für so manche Konsumprodukte des täglichen Bedarfs. Aber das spielt für die Unternehmer keine Rolle. Sie bieten diese Produkte so lange an, wie sie nachgefragt werden. Und wenn die Kunden bereit sind, für ein paar Sportschuhe 200 Euro zu bezahlen, scheinen beide Seiten (Anbieter und Nachfrager) zufrieden zu sein.
Ich finde es ebenso „hirnrissig“, wenn ich sehe, wie in den Ostblockstaaten zahlreiche Produkte subventioniert wurden und wenn die Miete oder das Brot spottbillig waren. Das halte ich ebenso für einen Auswuchs, weil den Menschen damit das Gefühl für den Wert einer Ware genommen wird.
Es mag ja sein, dass sich jedes Jahr 10.000 Menschen zum Gedenken an Rosa Luxemburg versammeln. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Es gibt viele 10.000 Menschen, die sich am Samstag und Sonntag in Gelsenkirchen versammelt haben oder die heute in Bochum sind, um Herbert Grönemeyer live zu sehen. Und er zwingt niemanden zu kommen. Wenn die Leute es aber trotzdem tun und 50 Euro für eine Eintrittskarte zahlen, dann kann ich Grönemeyer doch anschließend keinen Vorwurf machen, dass er mal wieder zu viel verdient.
Der Hinweis, dass jemand „zu wenig“ verdient, impliziert nicht selten die Vorstellung, dass andere vergleichsweise zu viel verdienen. Damit will ich sagen: Es kann nicht das Ziel sein, alle höheren Gehälter so zu lassen wie sie nicht, um dann nur die Niedriglöhne anzuheben. Das würde zu einer Kostenexplosion und zu Inflation führen. Also dürfte die Forderung doch eher lauten, dass die Besserverdienenden etwas abgeben sollen, damit diejenigen mit schlechterer Bezahlung mehr verdienen können.
Hier setzt meine Kritik ein. Man sollte sich im Detail anschauen, wie viel mehr die Menschen arbeiten und verantworten müssen, damit sie spürbar mehr verdienen als „einfache“ Angestellte. Das fängt an bei der Komplexität der Arbeit, geht über die Schwierigkeit der zu lösenden Aufgaben, reicht über meist überdurchschnittliche Arbeitszeiten (weit oberhalb von 40 Stunden) bis hin zu höheren Anforderungen an die zeitliche und auch räumliche Flexibilität. All diese Faktoren bezahlt der Arbeitgeber schließlich mit. Und das wird zu oft vergessen. Als Beispiel könnte man einen Filialleiter von z. B. Vodafone nehmen, der pro Monat eine bestimmte Anzahl von Verträgen abschließen und bestimmte Umsatzwerte erreichen muss. Erreicht er diese Ziele nicht, ist er über kurz oder lang seinen Job los. Auch der Marketingleiter einer Zigarettenfirma wird ausschließlich an seinen Verkaufszahlen gemessen. Wenn seine Werbekampagne nicht einschlägt, wird er gefeuert, nicht aber die Angestellten, die für ihn arbeiteten.
Die Möglichkeit der Erzielung eines höheren Einkommens kann sehr motivierend wirken. Warum sollte sich jemand abstrampeln und Überstunden machen oder in seine berufliche Weiterbildung investieren (Zeit und Geld), wenn anschließend keine Aussicht darauf besteht, diesen Einsatz entsprechend honoriert zu bekommen? Der Wille zur überdurchschnittlichen Leistung hängt oft ganz entscheidend vom Vorhandensein entsprechender Belohnungssysteme ab (mehr Einkommen, größeres Büro, andere Statussymbole). Das gilt gleichfalls für Menschen, die eben wenig verdienen und angeregt werden sollen, sich mehr ins Zeug zu legen.
Jemand, der als Briefzusteller arbeitet, sollte allein damit nicht schon intellektuell ausgelastet sein. Falls er mehr kann, schöpft er sein Potenzial nicht aus und verdient zu recht wenig. Falls doch, dann ist er aus Arbeitgebersicht für nichts anderes zu gebrauchen und wird ebenfalls gerecht entlohnt. (Mensch, was bin ich heute wieder fies!)