@extasy
Manchmal kann ich wirklich nur mit dem Kopf schütteln, wenn ich Deine Ausführungen lese! Soll ich ernsthaft darauf eingehen?
extasy schrieb:
Warum sollen nur geistige Tätigkeiten ein Recht auf gute Bezahlung begründen?
Der Grund ist einfach: Wenn es darum geht, Erdbeeren zu pflücken, dann kann ich dafür Hinz und Kunz nehmen. Das ist ein anspruchsloser Job für all diejenigen, die sonst nichts gelernt haben. Wenn ich aber einen Facharbeiter benötige oder einen Wissenschaftler, dann finde ich solche Leute nicht an der nächsten Straßenecke. Diese Menschen müssen langjährig ausgebildet werden. Und bekanntlich bedeutet z. B. die Entscheidung für ein Studium, dass jemand zunächst einmal auf Arbeitseinkommen verzichtet, um zu lernen. Diese Investition in Bildung soll sich später entsprechend auszahlen. Das höhere zu erwartende Einkommen ist schließlich ein Motivator (neben der Aussicht auf einen interessanten Job oder die Möglichkeit, mehr Verantwortung zu übernehmen). Wenn man die qualifizierten geistigen Tätigkeiten nicht besonders honoriert, findet man bald niemanden mehr, der bereit ist, die Strapazen der Ausbildung auf sich zu nehmen.
extasy schrieb:
Außerdem meine ich das auch Tätigkeiten die nicht besonders intellektuell fordernd sind gut honoriert werden müssen weil gerade diese Tätigkeiten körperlich besonders belastend sind.
Das trifft heute längst nicht mehr in dem Maße wie noch vor einigen Jahrzehnten zu (Ausnahmen bestätigen die Regel). Der Anteil der körperlich sehr anstrengenden Arbeit hat deutlich abgenommen. Und eines will ich noch betonen. Der (psychische) Stress, dem Führungskräfte ausgesetzt sind, sollte nicht gering geschätzt werden.
extasy schrieb:
Und abgesehen davon. Inwiefern Rennautos fahren oder gegen einen Ball treten eine herausragende Leistung darstellen sollen erschließt sich mir nicht.
Wenn ein Rennfahrer wie Michael Schumacher schneller fährt als all seine Konkurrenten oder wenn ein Fußballer wie Ronaldinho besser spielt als andere Weltklasse-Kicker, dann ist das sehr wohl eine außergewöhnliche Spitzenleistung, die entsprechend honoriert wird. Die Bezahlung richtet sich nicht nur nach der Leistung im Sport, sondern – und dafür habe ich das Beispiel Beckham angeführt – auf den Multiplikatoreffekt, der sich in zusätzlichen Umsätzen (Merchandising) oder in höheren Zuschauerzahlen messen lässt. Diese Effekte machen den Zusatznutzen für den Arbeitgeber aus.
extasy schrieb:
Das sind doch absolute Banalitäten die niemals diesen Lohn rechtfertigen.
Ob es sich um Banalitäten (Entertainment) handelt oder nicht, können die Kunden entscheiden. Es gibt schließlich auch andere Sportdisziplinen (z. B. Radball), die so gut wie niemanden interessieren.
extasy schrieb:
Außerdem muss man sich mal die Werte, die dieses kapitalistische Lohnsystem bei der Jugend verursacht, betrachten. Hier wird doch die Botschaft vermittelt, dass man nicht mit ehrlicher und sinnvoller Arbeit gutes Geld verdient, sondern erst mit Banalität richtig reich wird.
Das ist aber weit hergeholt. Ich unterscheide hier zwischen den „Proleten“, die den ganzen Tag vor der Glotze sitzen und von einer Talkshow zur anderen zappen. Für die mag das ja gelten. Aber jeder, der einigermaßen Grips in der Birne hat, erkennt doch, dass solche Erscheinungen wie das Show-Business die Ausnahme sind. Man muss eben zusehen, dass man etwas lernt, damit man einen vernünftigen Beruf ausüben kann. Und die Bezahlung richtet sich dann nach der Berufserfahrung und dem, was man leistet. Ich denke, dass das die Botschaft ist, die auch von den meisten verstanden wird.
extasy schrieb:
Zeigt jedoch ganz gut auf wie dekadent der Kapitalismus im Grunde ist, weil er den Menschen die falschen, nur auf materiellem Reichtum aufgebaute Werte aufzeigt.
Ob die materiellen Werte zugleich die falschen sind, ist Ansichtssache. Außerdem glaube ich kaum, dass es nur darum geht. Mir fallen jedenfalls genügend Beispiele dafür ein, dass auch Unternehmen neben dem Geldverdienen noch ganz andere Ziele verfolgen und diese auch so kommunizieren. Das Geldverdienen ist dabei natürlich immer eine Grundvoraussetzung, weil man keinen Laden betreiben kann, wenn die Einnahmen ausbleiben. Aber es hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich dauerhaft erfolgreiche Unternehmen nicht allein daran orientieren können.
Wie dem auch sei: Für mich ist eine angebliche „Dekadenz des Kapitalismus“ noch kein Grund für die Einführung von Mindestlöhnen. Und ich habe bisher noch keine stichhaltigen Argumente gelesen, die mich vom Gegenteil überzeugen konnten. - Aber vielleicht können wir in einem neuen Thread noch eine coole Debatte zum Thema (Verteilungs-)Gerechtigkeit lostreten ...