Gerade eben auf RTL2 (ja, ich weiß) zufällig gesehen, dass die Face/Off spielen - einer meiner Lieblingsfilme, schon unzählige Male gesehen, auch in der privaten Sammlung vorhanden, aber ich dachte, ich lass mich einfach mal nebenbei berieseln. Wusste natürlich, dass der Film niemals nicht um diese Zeit völlig zerschnitten sein wird. Was aber allein auf den ersten 5 Minuten tatsächlich rausgeschnitten wurde, hat mich schon etwas gewundert:
Ich gehe mal davon aus, dass den Film jeder kennt, dennoch hier ein
Spoilerhinweis:
Eröffnungsszene, John Travolta mit Sohn auf dem Karussel, heile Welt, Nic Cage aus dem Gebüsch mit Scharfschützengewehr, durchschießt John und trifft Jungen am Kopf, tot, Szene ungeschnitten um 20:15 im TV.
Kurz darauf in einer anderen Szene, Nic Cage verkleidet als Pfarrer im L.A. Convention Center, umgarnt Chorsängerin, stimmt zum "Halleluja" ein
und packt der Chorsängerin an den Po -> kursiver Teil der Szene fehlt komplett.
Andere Szene: Nic Cage im gecharterten Jet, verdeckte Ermittlerin der Antiterroreinheit getarnt als Stewardess mit im Jet serviert Getränke, Nic Cage's erblickt sie, ist entzückt, spricht "Oh, ein Pfirsich!",
"Ich kriege von Pfirsischen nie genug! ... Anschließend macht er ihr ein unmoralisches Angebot, das diese annimmt und sie tauschen Zungenküsse aus. -> kursiver Teil der Szene fehlt komplett.
Ich hab' dann ausgeschaltet. Ich musste dann erst mal nachdenken und reflektieren, denn mal von den sonstigen noch zu erwartenden geschnittenen Szenen, dem schlechten Ton, schlechten Bild und der Werbung im SD-FreeTV mal abgesehen: beeinflusst mich das Fehlen dieser ganz speziellen Szenen?
Die Darstellung von Gewalt, auch gegen ein Kind, war dagegen völlig ok. Das was eigentlich in den fehlenden Szenen gezeigt würde, ist inhaltlich natürlich sexistisch und zur Nachahmung nicht geeignet. Aber kann man dem Zuschauer zumuten, einen Film über einen geplanten zu verhindernden Terroranschlag zu schauen, in dem was weiß ich wie viele Menschenleben ausgelöscht, wie viele Kugeln abgefeuert, Gesichter transplantiert werden, aber die Darstellung von sexueller Belästigung ist zu viel?
Zu "Schrubs" hat Amazon Prime drei Folgen komplett aus dem Angebot genommen aufgrund von "
Blackfacing". In der aktuellen Debatte um Rassismus, ob bei uns oder in den USA oder sonstwo auf der Welt, ist das sogar noch nachvollziehbar. Aber andere Frage: hätte das Fehlen dieser Episoden irgendwer auch bemerkt oder wurde das werbewirksam propagiert, um zu zeigen, "dass man ja was gemacht hat"?
"Eine schrecklich nette Familie" wird noch regelmäßig auf Pro7 wiederholt. Hierzu müssen wir nichts sagen: der Humor dieser Serie basiert zu einem Großteil auf Sexismus und anderer politischer Unkorrektheiten, Beispiele erübrigen sich hier wohl an dieser Stelle. Ich sehe die Serie auch noch und subjektiv ist mir da kein Fehlen expliziter Episoden/Szenen aufgefallen, deren Inhalt politisch weitab von korrekt ist. Nehmen wir jetzt diese drei Beispiele, also den 90er Jahre Actionblockbuster Face/Off, die 80/90er Jahre Kultserie "Eine schrecklich nette Familie" und die 2000er Kultserie "Scrubs", so müsste man konsequenterweise - im Sinne der politischen Korrektheit - die komplette Serie "Eine schrecklich nette Familie" aus dem Programm und allen Streamingportalen nehmen. Es würde sie de facto nicht mehr geben.
Was wird da gerade betrieben? Und wem hilft das? Ist Rassismus schlecht? Ja, natürlich ist Rassismus schlecht. Ist Sexismus schlecht? Keine Frage, Sexismus ist schlecht. Gewalt jedweder Form ist schlecht, egal ob physisch oder psychisch ausgeübt. Aber eigentlich haben wir uns daran gewöhnt, letzteres ist ja eigentlich auch "schick" und demonstriert Macht. Derzeit ist es aber auch schick, sich gegen Rassismus und Sexismus zu positionieren und in Aktionismus auszubrechen - der Gleichberechtigung, dem Antirassismus, dem Beenden von Hass und Gewalt wird das jedoch nicht gerecht. Das wird auch das Neuerfinden von Begriffen, das Verbieten von Wörtern und Bezeichnungen wie Zigeunerschnitzel oder Mohrenkopf oder dem Anhängen von *in für Personengruppen nicht. Der Kabarettist Sebastian Pufpaff begann einen seiner satirischen Auftritte mit dem sinngemäßen Spruch, er sei froh, ein Mann zu sein - und zudem noch weiß... alle lachten. Ich auch. Traurig ist es allemal, dass wir gleichzeitig lachen und uns doch irgendwie angesprochen fühlen, beschämt sogar. Muss man das sogar? Darf man noch lachen?
Haben wir ein Problem mit Rassismus, Sexismus und Gewalt oder haben wir tatsächlich ein Problem mit Heuchelei...