Eine Aufteilung zum Zwecke des Widerrufs ist auch nicht nötig. Wie der MüKo sagt (soweit im Staudinger-Kommentar etwas anderes steht, ist es aus 2004 veraltet; im Beck'schen OnlineKommentar steht es ebenso aber nicht so schön klar), trifft es den Fall: Es geht immer um eine Einzelproduktbetrachtung, sogar dann, wenn die Gesamtbestellung widerrufen wird und diese insgesamt 40 Euro übersteigt.
JurChris ist offline Antwort
Halte die Rechtslage für ungeklärt. Noch nicht einmal die die Verbände oder die die Shops beratenden und vertretenden Anwaltskanzleien, die sich nahezu rund um die Uhr mit Kauf- und Verbraucherrecht befassen, die innerhalb von Stunden jede neue Entscheidung kommentieren, sind imstande, die rechtliche Lage auch nur halbwegs verlässlich einzuordnen. Ratlosigkeit, allenfalls vage Vermutungen und Spekulationen kennzeichnen die Lage.
Niemand rät einem Shopbetreiber, irgendetwas davon in die AGB einfließen zu lassen, die Lage ist in etwa vergleichbar mit der, als noch nicht die endgültige Entscheidung über die Hinsendekosten gefallen war.
Damals wurde geraten, zunächst grundsätzlich keine Hinsendekosten zu erstatten; sollte der Käufer aufmucken, empfahl man, sich auf deutsches Recht zu berufen, gab sich der Käufer nicht zufrieden, drohte mit Klage, legte man nahe, sofort den Rückzug anzutreten, dem Käufer die Hinsendekosten zu erstatten und auf Kulanz zu verweisen, sich aber keinesfalls dem Risiko eines Prozesses auszusetzen - aus gutem Grund, wie wir wissen.
Es ist auch ein typisch "deutsches" Problem. Mehr als 10 Jahre nach der entsprechenden Richtlinie (Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl Nr. L 144, S 19), wird es eher komplizierter denn einfacher.
Und im Grunde war es einfach:
Artikel 15
Durchführung
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie spätestens drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
(2) Wenn die Mitgliedstaaten Vorschriften nach Absatz 1 erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.
(3) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet erlassen.
(4) Spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie, gegebenenfalls verbunden mit einem Änderungsvorschlag, vor.
Artikel 6
(2) übt der Verbraucher das Recht auf Widerruf gemäss diesem Artikel aus, so hat der Lieferer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Erstattung hat so bald wie möglich in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen zu erfolgen.
2002 trat das neue Schuldrecht in Kraft. Und wie wurde dieser Passus aus Artikel 6 umgesetzt?
Von der Regelung über Hinsendekosten keine Spur, dafür aber:
§ 357 Abs 2 BGB, Fassung 1. Jan. 2002
(2) [1] Der Verbraucher ist bei Ausübung des Widerrufsrechts zur Rücksendung verpflichtet, wenn die Sache durch Paket versandt werden kann. [2] Kosten und Gefahr der Rücksendung trägt bei Widerruf und Rückgabe der Unternehmer. [3] Wenn ein Widerrufsrecht besteht, dürfen dem Verbraucher bei einer Bestellung bis zu einem Betrag von 40 Euro die regelmäßigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht.
Erstaunliche Umsetzung, von 27 EU-Staaten haben, soweit mir bekannt ist, 26 die Richtlinie so umgesetzt, dass der Händler die Hinsendekosten erstattet, der Käufer für die Rücksendekosten aufzukommen hat. Einfach nachzuvollziehen, in etwa ausgewogen, insbesondere ohne jede rechtliche Probleme für Händler (EUR 40,00 Klausel, doppelte Klausel etc.).
Es dürfte nahe liegen, dass da die Versandhandelslobby ganz schön mit gemischt hat, jedenfalls hat sich dann ein Amtsgericht (!) dazu durchgerungen, diese Frage vom EuGH klären zu lassen.
http://www.informationsrecht.uni-oldenburg.de/newsletter/downloads2009-05/link_8_lahr.pdf
Das Ergebnis ist bekannt, jetzt jammern die Händler.
Jedenfalls haben Käufer (bis auf die klagefreudigen Ausnahmen) rund 1 Jahrzehnt dem notleidenden Versandhandel durch die Erstattung der Hinsendekosten unter die Arme gegriffen. Dafür sind sie jetzt auf europäischer Ebene privilegiert, was die Rücksendekosten betrifft.
Es scheint in unserer ureigensten Natur zu liegen, nicht anders zu "können". Habe noch vor ein paar Wochen einen Beitrag gelesen, wo es um die Schuldrechtsreform ging, das von vielen gefeierte "Ei des Kolumbus", die Krönung deutschen Rechts.
Weiß nicht, ob es auf dem Deutschen Juristentag war, ein hochrangiger Vertreter einer EU-Rechtskommission erklärte den verblüfften anwesenden deutschen Juristen schon in seiner Eingangsrede, dass nichts, aber auch gar nichts vom deutschen Schuldrecht jemals in ein gemeinsames europäisches Rechts einfließen könnte, dazu seien die Regelungen "viel zu kompliziert".
Irgendwann wird auch diese Rechtsfrage entschieden, bis dahin heißt die Devise der Shops: Im Zweifel nachgeben, wenn der Käufer reklamiert, sich auf Kulanz berufen, das macht immer einen guten Eindruck.
amazon hat es genau so gemacht, hat die entsprechenden Hinweise verdächtig unauffällig in seiner Hilfe plaziert, es auch vornehm zurückhaltend formuliert:
Bitte schicken Sie keine Artikel aus verschiedenen Bestellungen in einer Sendung an uns zurück. Dies erschwert die Bearbeitung Ihrer Erstattung.
Bitte beachten Sie: Werden mehrere Artikel in einer Sendung zurückgeschickt, so behalten wir uns vor, einen Rücksendekostenanteil für in der Sendung enthaltene Artikel zu berechnen, die nicht mindestens eine der unter (i) bis (iii) genannten Bedingungen erfüllen.
Ergebnis:
so, hab mit dem Amazon Kundenservice gesprochen und bekomme das Porto aus Kulanz gründen wieder
Hat mich Amazon doch wieder überzeugt, warum ich dort immer bestelle
Und diese Kulanz ist durchgängig...