So, hier jetzt mal meine Erfahrungen mit meinem ersten Ryzen Build (Text wird ein bisschen länger)
Einführung: ich bin schon alt (44) und kein Gamer (ja, die gibt es auch). Mein erster PC war ein IBM PS1 mit DOS und Win 3.1, danach gab es einen 486DX2, danach meinen ersten selbst zusammengebauten PC mit Cyrix CPU. Dann gab es jahrlang nix und irgendwann dann mein erstes Laptop mit Pentium M. Wie wohl viele hier hatte ich vor AMD also fast ausschließlich Intel. Pentium 4, dann Core2Duo, zuletzt Core2Quad. Als ich dann las, dass Intel AMD (und Via) per eigenem Compiler auszubooten versuchte und sich auch sonst wenig marktwirtschaftlich (ganz zu schweigen von fair) verhielt, hatte ich die Schnauze voll. AMD tat mir einfach leid, sie sind zu einem nicht geringen Teil ohne eigenes Verschulden in die prekäre Situation gerutscht in der sie damals steckten. Und wenn ich als Kunde die Möglichkeite habe, durch meine Käufe wenigstens ein bisschen was zu beeinflussen, dann mache ich das. Das war 2013 (besser spät als nie) und ich hab mich dann für einen A8-5600K entschieden. Von der Geschwindigkeit ließ er meinen übertakteten Core2Quad 8400 komplett im Regen stehen (im Durchschnitt 70% schneller) und war dabei noch effizienter. Hier vergessen immer viele, dass Leute nicht immer von irgendeinem i7 oder i5 zu AMD wechseln sondern Jahre mit einem Systemwechsel warten - und wenn man von Yorkfield kommt, fühlt sich selbst Piledriver schnell an. Die APU wurde dann durch zwei FX ersetzt: 8320E und zuletzt 8370. Und die beiden haben mir 4 Jahre lang sehr viel Spaß gemacht, ich habe sehr gerne mit beiden gearbeitet. Sie saßen auf einem Asus Sabertooth 990FX 2.0, was bis dato das beste Mainboard war was ich je besessen hatte. Die FX und das Mainboard verhielten sich völlig unauffällig, nicht chaotisch und waren völlig vorhersehbar. Beide waren übertaktet, mein 8370 war in Benchmarks so schnell wie der 9590 ohne dessen Stromhunger zu haben. Grund: All-Core-OC fand ich immer dumm, da verliert man Single Threaded Leistung und verbraucht nur unnötig Strom. Ich habe lieber das Pendant zum FSB genommen, so behält man alle Turbostufen. Ja, da braucht man mehr Zeit und viele Tests; man wurde aber belohnt. Die größten Schwächen der Modularchitektur waren m.E. nach auch nie Floating Point oder Mehrkernleistung, es waren stattdessen Speicher- und Cacheanbindung und Single Threaded, die beiden waren echt Scheiße. Warum neue Hardware? 2018 habe ich ein gebrauchtes Dell Precision M6800 mit i7-4800MQ gekauft. Gefühlt war es von Anfang an schneller als der große 8370, wenn wirklich Leistung gebraucht wurde, war der FX trotzdem schneller fertig (gerade wenn gleichzeitig auf Festplatten zugegriffen wurde, da kann man das Laptop nicht mehr nutzen). Trotzdem: ein großer Desktop Prozessor der mehr Strom braucht und gefühlt langsamer ist als eine Laptop CPU die maximal 58 Watt brauchen darf? Gibt zu denken. Letztes Jahr haben wir für unsere Zweitwohnung ein Lenovo E585 gekauft, da war das Gefühl sehr ähnlich - und die CPU ist mit nur 15 Watt TDP spezifiziert. Ich bin kein AMD Jünger oder Intel Hasser. Aber Fairness und relative Transparenz sind mir wichtig, wenn ich kann, unterstütze ich das, auch wenn ich dadurch etwas langsamer als andere bin. Ein PC ist für mich keine Schwanzverlängerung, ich muss mich damit nicht profilieren. Von daher fällt Intel für mich (neu gekauft) raus, die Firma ist einfach mehr das egomane Arschloch als AMD. Zumindest im Moment.
Erfahrungsbericht: die Basis ist für mich immer das wichtigste, das Mainboard muss für mich auf Langzeitstabilität ausgerichtet sein. Ich hätte gerne das MSI MEG X570 Unify gehabt - aber gerade als ich es vor 3 Wochen bestellt hatte, war es nicht mehr verfügbar (jetzt gibt es das wieder). Also habe ich mich für das ASRock X470 Taichi entschieden, das hatte ich schon lange im Auge wegen der Spannungsversorgung. Unsicher war ich wegen der Konzentration auf Beta Biose und dass die bei irgendeinem Elektronikhändler feilgeboten werden. Diverse Aussagen anderer Nutzer, dass Ryzen 3000 schlechter/langsamer auf X470 Boards laufen würde, verunsicherten mich weiter. Aufgrund der für mich unverständlich hohen Preise für X570 Mainboards und des Chipsatzlüfters habe ich es dennoch gewagt und mein System sieht jetzt so aus (kleine Schrift benennt die Dinge, die für diesen Thread eher unwichtig sind):
- Ryzen 7 3700X
- ASRock X470 Taichi
- 2x 16GB Crucial Ballistix Sport LT 3200
- Samsung SSD 970 EVO Plus 500GB
- ADATA XPG SX8200 Pro 1TB
- Crucial MX500 CT2000MX
- Sapphire Pulse Radeon 550
- Noctua NH-U14S
- BeQuiet! Straight Power 10 600 Watt
- 2x BeQuiet 140mm
- Asus Xonar Essence II STX
- Fractal Design R5
Installation: Gehäuse, GraKa, Lüfter, Kühler und Bluray Brenner habe ich vom alten System übernommen (Noctua hat mit einem AM4 Upgrade Kit mal wieder bewiesen, dass sie Langzeitkunden nicht im Stich lassen). Einbau aller Teile war unproblematisch, das Board fühlt sich genauso gut verarbeitet an wie mein voriges Asus Sabertooth, sieht auch so aus und ist ähnlich schwer. Beim ersten Start pulste mich das Board erstmal blau an, das habe ich sofort im UEFI abgeschaltet (was soll ich damit, für Beleuchtung habe ich Hue). Für einen kurzen Moment habe ich überlegt, ob ich aus Neugier den Wraith Prism statt Noctua nutzen soll, für einen Boxed Lüfter ist das Ding ja wirklich massiv und sieht auch noch gut aus. Windows installieren ging noch nie so schnell - das war's dann aber auch mit der Problemfreiheit.
Probleme: Windows wollte den Treiber für die Intel Netzwerklösung, die auf dem Board verbaut ist, nicht finden. Und wenn sie gefunden wurde, wollte sie sich nicht aktivieren. WLAN und Bluetooth verhielten sich genauso. Zuallererst hatte ich die ADATA SSD in Verdacht, wird sie doch über den Chipsatz (mit der Hälfte der möglichen Geschwindigkeit) angesteuert. Ein kurzer Gegencheck mit einem NVME Adapter bewies mir aber, dass sie nicht der Grund war. Mein Netzwerkkartenproblem konnte ich lösen, indem ich die Asus Xonar Essence Karte in den zweiten GraKa Slot gepackt habe und indem ich die Reihenfolge der SATA Geräte geändert habe (Festplatte zuerst, dann Bluray Brenner - obwohl das eigentlich irrelevant sein sollte). Welches von den beiden verantwortlich war, kann ich nicht sagen - aber plötzlich lief es reibungslos. Mich würde aber nicht überraschen, wenn die Asus Xonar Essence rumzickt und IRQ Sharingprobleme verursacht hat, wäre nicht das erste Mal bei mir.
Das einzige momentan noch existierende Problem sind spontane Neustarts. Windows Logs geben keinen Hinweis auf die Ursache, habe aber bereits herausgefunden, dass die Onboard Soundlösung verantwortlich ist. Kopfhörer ins Frontpanel stecken: Neustart. Erdungsproblem besteht nicht, es ist ein Treiberproblem, ich bin da wohl nicht der einzige. Zur Not muss ich die Soundlösung deaktivieren und nur die Asus nutzen - was schade wäre, der Onboard Sound ist nämlich ziemlich gut - und Optionen zu haben, finde ich vorteilhaft. Ich bin Mastering Engineer, von daher interessiert mich alles was mit Audio zu tun hat. Misst sich mittelmäßig, klingt aber fast wie meine Asus Xonar Essence (und wird ähnlich laut mit einem Sennheiser HD-600).
Board / UEFI: Die Übertaktungsmöglichkeiten die auf gefühlt viele Stellen im UEFI verteilt sind, finde ich unnötig verwirrend, daran sollte AMD meiner Meinung nach noch arbeiten. Ansonsten ist das UEFI übersichtlich und selbsterklärend. Die Einstellmöglichkeiten für RAM, Speichercontroller etc. sind sehr ausführlich, der User hat hier potentiell mächtige Werkzeuge zum Tweaken an der Hand. Schön, dass einem die Freiheit gelassen wird.
Die Lüftersteuerung empfinde ich als sehr gelungen, weniger gelungen finde ich, dass man z.B. USB Controller nicht nach Belieben zum Stromsparen abschalten kann. Auch würde ich gerne den WLAN Controller abschalten, Bluetooth aber aktiv lassen. Hatte allerdings schon vor dem Kauf erwartet, dass das nicht funktionieren würde.
Die Temperatur der Spannungswandler auf dem Board habe ich noch nicht über 45 Grad Celsius bekommen, das ganze Board bleibt wesentlich kühler als mein vorheriges. Hat mich positiv überrascht, die Berichte über die überdimensionierte Spannungsversorgung sind nicht übertrieben.
Als BIOS nutze ich 3.78 als Beta mit AGESA 1.0.0.4, bisher läuft es rund und einwandfrei, meine Ängste bezüglich unausgereiftem BIOS haben sich also nicht bestätigt.
RAM: RAM wurde mit 2400 erkannt, das Laden des XMP Profils war überhaupt gar kein Problem, es läuft stabil bei 3200 mit den beworbenen Timings. Um letztere habe ich mich noch nicht gekümmert, für das, was ich mit dem Rechner mache (Audiobearbeitung, surfen, Citrix), bringen mir schnelle Timings sehr wenig. Da spare ich mir das ganze Testen und leicht erhöhten Stromverbrauch und nutze es wie es ist.
Boost: warum die Konzentration auf irrelevante Dinge, wenn die Geschwindigkeit eh schon hoch ist und 100 MHz mehr nix bringen? Er boostet gelegentlich für kurze Momente bis 4450 Mhz. Reicht.
Temperaturen: die sind toll. Im Idle schwankt der Ryzen zwischen 25-30 Grad Celsius, natürlich sind alle Stromsparmaßnahmen aktiv. Von 4 Gehäuselüfter konnte ich auf 2 reduzieren. Noch stört mich ein bisschen der Kabelverhau, die Asus Soundkarte mit ihrem dösigen Molex-Anschluss eben. Aber die Optik stört nicht, Gehäuse ist eh blickdicht. Ich finde es nicht sonderlich störend, dass die Temperatur so schnell steigt oder dass die Taktrate im Idle relativ hoch ist. Ich bin es von meinem FX und Intel anders gewohnt - aber trotz der hohen Taktrate legt der Ryzen die Kerne schlafen (wie man unten im Ryzen Master sehen kann).
Leistung: die CPU wird trotzdem recht warm. Stock kommt sie bis auf ca. 72°, mit PBO2 und Auto-OC auf knapp 82° (mit Prime95). Dann dreht der Noctua-Lüfter aber auch mit 1500 U/min. Und die Leistung steigt jetzt nicht lohenswert an (liest man überall, hat man mir hier gesagt, stimmt alles komplett). Wie auch immer, ich habe es selbst ausprobiert und dann als unnötig befunden. Also benutze ich den Eco-Mode, den ich allerdings auf 68 Watt PPT angepasst habe. Angeblich soll der Effizienzsweetspot bei ca. 50 Watt TDP liegen. So ist er jetzt auch eingestellt, er verliert damit nur wenig Leistung und bleibt deutlich kühler, selbst wenn alle Threads ausgelastet sind, höre ich den Rechner kaum noch.
EDIT: Prime95 (maximum Heat, AVX
natürlich aktiv) bringt die CPU auf 58°, der Noctua Lüfer ist dann bei ca. 900 U/min. Damit kann ich sehr, sehr gut leben.
Ryzen Master (Idle) kombiniert mit CB20 Ergebnis (Eco-Mode 50 Watt):
Benchmark (Eco-Mode): Passmark (ich weiß, ist doof - aber zur schnellen Übersicht reichts).
Fazit / Zukunft: soweit gefällt mir das System so wie es ist, schon ganz gut. Die Geschwindigkeit ist insgesamt so hoch, dass ich mich momentan nicht mit Tweaks beschäftigen möchte. Alles was sich nicht aufs OCen bezieht, wird genutzt, darüber hinaus ist alles Stock (bis auf RAM und Eco). Das System ist viel schneller und leiser als vorher, es macht mehr Spaß. In 2 Jahren werde ich nochmal auf den 16-Kerner aufrüsten, entweder auf den 3950 oder den Nachfolger aus der Ryzen 4000er Reihe. Bis dahin bin ich aber happy mit dem was ich hier habe.
Zum Forum und zu Computerbase möchte ich auch noch was sagen: ich bin hier seit 11 Jahren Mitglied und seit 2007 stiller Leser. Ich bin aus eigener Wahl nicht sehr im Forum aktiv, lese aber viel und habe im Laufe der Jahre vieles von hier mitgenommen. Die ganzen Ratgeber, Rezensionen, Tests, etc. sind toll! In den großen Weiten des Netzs erscheint mir diese Seite als die beste - und das seit langer, langer Zeit. Dafür ist nicht nur die Redaktion verantwortlich, sondern auch - und gerade - die User. Danke für all die Dinge, die ich bisher durch euch gelernt habe, die Tipps, die Hilfestellungen: hier bin ich gerne