DerOlf
Admiral
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Und genau da setzt auch die Gendertheorie an ... Sprache schafft nicht das, was wahrgenommen wird, sie hat aber sehr wohl Auswirkungen darauf, wie wir uns über das Wahrgenommene austauschen können.Kaboooom schrieb:Wahrnehmung und nicht Sprache schafft Denken.
Es gibt Dinge, die zwar wahrnehmbar sind, aber eben kaum sagbar ... über Musik oder Kunst, und die damit verbundenen Gefühle zu sprechen, fällt sogar Menschen schwer, die sich ihr Leben lang damit beschäftigt haben.
Wahrnehmung schafft Denken ... der Austausch über Wahrnehmungen braucht aber zwingend als Vehikel die Sprache ... und an genau dieser Stelle ist einigen (aber wohl keinem disziplinierten Linguisten) auch klar, dass die Sprache die Wahrnehmungen beeinflussen kann, da sie für einen Austausch mit anderen eben in eine gewisse (verstehbare) sprachliche Form gebracht werden müssen. Einige Wahrnehmung sind leider nur aus einer bestimmten Perspektive auch kommunizierbar ... und an dem Punkt formt Sprache auch das Denken ... natürlich findet das in sehr engem Rahmen statt, weil Kommunikation ja in einer weder von Wahrnehmung noch von Sprache wirklich beeinflussbaren Realität funktionieren muss.
Sprache zu schützen ist ein nobles Motiv ... aber ich halte es eben für Willkür, wenn man festlegt, welche Entwicklungen natürlich und welche gesteuert stattfinden ... am ende ist mir die Herangehensweise deines Artikels doch etwas zu naturalistisch. Ich bin allerdings bisher auch noch nicht weit über die Einleitung hinausgekommen (ich finde Linguisten immer unglaublich anstrengend zu lesen).
Man kann 1.500 Jahre zurückgehen, und findet in der Sprach nur Ansätze dessen, was seit den bürgerlichen Revolutionen sich zu einem repressiven genderregime ausgeweitet hat.
Im Mitttelalter gab es Bäckerinnen, Meisterinnen und alles mögliche andere ... aber spätestens um 1850 sah das eben anders aus. Witzigerweise sind die maßgeblichen Gesetze zum Ausschluss des weiblichen Geschlechts aus weiten Teilen der Arbeitswelt Gesetze zum "Schutz der Frau" gewesen (aber natürlich wurden die von Männern formuliert ... die meisten dieser Männer waren ziemich alt und hatten helle Haut ... diese relativ neue Geschlechterordnung, in der Frauen dann als etwas "ganz anderes" als Männer (und nicht einfach als andere Version des Selben) betrachtet wurden, verdanken wir leider wirklich alten, weißen Männern (nicht als Diskriminierungsversuch, sondern einfach als korrekte Bezeichnung für eine homogen männliche Gruppe hellhäutiger Menschen über 50).
Ergänzung ()
Kann mir jemand mal eine Aussage geben, die für "schwer zu entschärfen" gehalten wird?
Eventuell gelingt es mir, das gleiche auch komplett ohne Geschlechtsreferenz zu formulieren. in vielen Fällen ist die für die Aussage nämlich garnicht so wichtig.
Einzige Vorraussetzung wäre wohl, dass diese Aussage sich eben nicht auf eine klar geschlechtlich definierte Person beziehen sollte ... denn bei so einer Aussage halte ich es für sinnlos, auf Geschechtsreferenzen zu verzichten.
An "Die Backerin Marina K, aus Erfurt backt Brot" gibt es einfach nichts zu gendern, solange diese Marina sich als Frau fühlt. Ist dem nicht so, würde ich "Die Bäckerin" einfach weg lassen und zwischen "backt" und "Brot" ein "beruflich" einschieben.
Eventuell wird es Zeit, die Theorie mal mit etwas echter Praxis zu würzen.
Monstren gendergerechter Sprache zu schaffen, ist sicherlich kein Problem ... sowas schwebt mir allerdings nicht vor ... mein Ziel ist Neutralität.
Zum Klausur-thema:
Zumindest meine Dozenten (in allen nicht naturwissenschaftlichen Fächern) haben sich sehr viel Mühe gegeben, um uns ihre Anforderungen (auch an Sprache) nahezubringen ... und wer das nicht hinkriegt, hat meiner Meinung nach den Beruf verfehlt. Sprache ist das Instrument Nummer eins für eine Lehrkraft ... das sollte man nicht einfach ignorieren und natürlich findet in jedem Unterricht auch Spracherziehung statt.
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