Lipovitan schrieb:
@Idon ich habe dich hier als sehr gebildeten und kompetenten Diskussionspartner kennengelernt. Insbesondere wenn es um die Einordnung juristischer Sachverhalte ging.
Dann sollten dir doch die Entscheidungen unserer Gerichte bekannt sein die eine Abschiebung nach Afghanistan untersagt oder sogar rückgängig gemacht haben. Die Urteile werden allesamt begründet.
Nun, danke, aber das bedeutet nicht, dass die Urteile stets meiner Ansicht entsprechen oder ich diese Begründungen für richtig und/oder sinnvoll erachte. Das letzte große Beispiel ist hier das BVerfG-Urteil zum Öffentlich Rechtlichen Rundfunk.
Die Urteile mögen abschließend sein, ich muss mich diesen unterwerfen oder werde dazu gezwungen mich in diesen Leitplanken zu bewegen. Ich muss diese aber nicht befürworten, weder emotional, noch sachlich.
Gerade in meinen Fachbereichen (z. B. Vertragsrecht) gibt es eine ganze Reihe an völlig bescheuerten BGH-Urteilen, z. B. zu Bürgschaften. Das wird folglich in anderen Bereichen (z. B. Strafrecht, Völkerrecht etc.) ebenso sein.
Lipovitan schrieb:
Was soll dann die Frage? Besonders jetzt wo die Lage in diesem Land noch unsicherer wird.
Die Lage in Afghanistan halte ich weder für meine Schuld, noch für mein Problem. Gerade wenn man aus so einem Land mit niedrigem Lebensstandard kommt sollte man sich im Sicherheitsland hervorragend benehmen, eben gerade damit man in kein womöglich unsicheres Land zurück geführt wird.
Warum fahren denn die meisten Ausländer in der Schweiz weniger regelwidrig als im Heimatland? Weil die Schweiz dafür bekannt ist, konsequent extrem hohe Strafen zu verhängen und Fahrzeuge zu beschlagnahmen. Wo ich in Deutschland immer meine +10% fahre, manchmal sogar mehr, fahre ich in der Schweiz trotz ungeeichtem Tacho immer auf Strich.
Diesen Lerneffekt traue ich auch anderen zu.
Lipovitan schrieb:
Es gab mal Zeiten da war man Stolz darauf, dass es in Deutschland keine Todesstrafe gibt und hat mit dem Finger auf andere Länder gezeigt. Eine Abschiebung nach Afghanistan wäre so etwas wie eine Todesstrafe für die Abgeschobenen.
Ich habe bei absolutem Nachweis der Tat kein Problem mit der Todesstrafe. Die Schuld von Anders Breivik z. B. ist unzweifelhaft bewiesen.
Lipovitan schrieb:
Versteh mich nicht falsch. Straffällige Asylsuchende gehören bestraft. Aber lass uns bitte nicht dabei unsere gesellschaftlichen Grundwerte über Bord werfen.
Mein gesellschaftlicher Grundsatz ist, dass manche Verbrechen - z. B. Mord, "Gruppenvergewaltigung" etc. - keinerlei Resozialisierungsmöglichkeit bieten. Das sind ja keine Grenzen, die man als Mensch mal eben in einer totalen Ausnahme- oder Notsituation überschreitet. Da wären wir im Totschlagsbereich.
Insbesondere aber ist mein gesellschaftlicher Grundsatz, dass Opferschutz und Täterstrafe herrschen sollten. Nicht etwa Täterschutz und Opferstrafe, so wie es in Deutschland - auch dank des absoluten Resozialisierungsvorranges - immer wieder der Fall ist.
Zuletzt aber ist ja gar nicht sicher, dass jemand, den wir nach Afghanistan zurück schicken, weil er hier gleich mehrfach (schwer) straffällig geworden ist, der Tod droht. Das ist eine reine Vermutung.
Wer aber vermutet, dass ein solcher Täter grundsätzlich resozialisiert werden kann, was ich für völligen Bullshit halte, der muss auch vermuten, dass er sich in Afghanistan ein erfolgreiches, schönes, langes und zufriedenes Leben aufbaut. Auch wenn das jemand anderes für völligen Bullshit halten mag.
Klassisches: Wer A sagt, der muss auch B sagen.
@mo schrieb:
Ganz einfach, weil sie hier sind!
Das kann man ja ändern.
@mo schrieb:
Andere Länder müssen sich auch um die deutschen Idioten und Straftäter kümmern, die dort sind. So ist das halt in Zeiten der Globalisierung.
Äh, nein. Deutschland nimmt seine Straftäter auf Verlangen jederzeit und diskussionslos zurück.
Genau das ist ja das regelmäßige Problem der Flüchtlingsstaaten, egal ob Afghanistan, Libanon oder auch der Türkei, Ägypten, Marokko, Tunesien etc.:
Dort werden die Straftäter nicht (grundsätzlich) zurückgenommen, entweder, weil man sie nicht als eigene Staatsbürger anerkennt, oder eben "einfach so" nicht. Beispielsweise, weil sich die staatliche Airline weigert, diese zu transportieren.
Hier liegt also ein fundamentaler Unterschied vor. Zu unserem Nachteil.
Da sind wir dann auch wieder beim "großen Einfluss" der "viertgrößten Wirtschaftsmacht".