Mustis schrieb:
"Gen food" gilt doch nur als böse aufgrund wirtschsftlicher interessen (patente)
Quatsch mit Soße. Natürlich spielen bei allen Entscheidungen auch wirtschaftspolitische Erwägungen eine Rolle, aber einerseits sind auch europäische Firmen aktiv und erfolgreich auf diesem Markt tätig und andererseits gab es die unterschiedlichen Bestimmungen für die Zulassung von Lebensmitteln, Zusatzstoffen, Medikamenten, Futtermitteln, Pflanzenschutzmitteln und auch bezüglich der Patentierbarkeit von neuartigen Pflanzen und Tieren schon lange bevor genmanipulierte Pflanzen zum Thema in Europa wurden.
und weil man irgendwelche vermutungen hat, dass es schädlich sein könnte, weil man am genpool herumexperimentiert.
Auch das ist falsch. Die Hürden sind in Europa höher, weil hier die Unbedenklichkeit nachgewiesen werden muss, während man u.a. in den USA viel leichter eine Zulassung erhält, da hier erst eine nachgewiesene Schädlichkeit zum Ausschlusskriterium wird. Unbedenklichkeitsuntersuchungen sind trotzdem für eine Zulassung notwendig, aber die Kriterien dafür deutlich schwächer, weil eben kein wissenschaftlich fundierter Beweis für die Unbedenklichkeit gefordert wird. Problematisch dabei ist, dass diese Beweise natürlich immer nur auf der Basis des aktuellen Wissen erbracht werden können, sich also selbst bei der europäischen Herangehensweise ein Problem erst im nachhinein erkennbar werden kann.
Die Beurteilung, ob nun die Herangehensweise, etwas wegen keiner offensichtlich erkennbaren Probleme erst mal zu benutzen, bis ein Problem auftritt, oder die Variante, grundsätzlich einen wissenschaftlich begründeten Nachweis der Unbedenklichkeit zu fordern, besser ist, hängt - wie immer - von den Kriterien ab. (Und es gibt auch Gebiete, die hier im Thread auch schon genannt wurden, wo die USA deutlich strengere Vorschriften haben).
Kernkraft ist ein Beispiel, an dem die Komplexität tlw. erkennbar wird. Es sah zu seiner Zeit wie eine hervorragende Alternative zur Energieerzeugung aus. Und natürlich gab es auch Sicherheitsprüfungen, die heutigen Ansprüchen längst nicht genügen würden und deren Ergebnisse auch weder im erforderlichen Maße aktualisiert noch umgesetzt wurden. Auch hinter diesen Entscheidungen standen wirtschaftspolitische Interessen aber eben auch rein wirtschaftliche der AKW-Betreiber. Eine Firma, die da zu hohe Maßstäbe anlegt, verteuert damit automatisch das Produkt, wodurch die Wahrscheinlichkeit, am Markt bestehen zu können, sinkt. Und selbst, wenn nach einem auftretenden Problem, ist diese Firma wahrscheinlich wirtschaftlich schlechter gestellt, da die anderen eben erst bei der erkannten Notwendigkeit nachrüsten, was später und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch preiswerter geschehen kann. Es fallen auch viel niedrigere Kosten für die Entwicklung der Sicherheitstechnologie an, da man diese ja gezielt zur Behebung eines Problem entwickeln kann, und die Sicherheitstechnologie kann sofort auf dem jeweils aktuellen technischen oder wissenschaftlichen Stand umgesetzt werden, während die Vorsorge tragende Firma für den gleichen Stand jetzt noch mal nachrüsten wird.
Aber auch die in viel größerem Maßstab wirksamen wirtschaftspolitischen Entscheidungen sind weder einfach noch eindeutig als positiv oder negativ zu bewerten. Um bei obigem Beispiel zu bleiben: für den wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg war die kurzfristige Bereitstellung großer Energiemengen erforderlich. Länder, wie Deutschland, die USA und auch China hätten auch einfach die Nutzung ihrer heimischen Energieträger ausbauen können, aber diese Alternative hatten nicht alle Länder, u.a. auch Japan nicht. Das hätte bedeutet, das solche Länder nicht an dem damaligen Aufschwung beteiligt gewesen wären, da es die aktuell vorhandenen Alternativen noch nicht gab und es vor 50 Jahren auch gar nicht möglich gewesen wäre, diese zu entwickeln. Dass es andere preiswerte Alternativen gibt, ist eher zu bezweifeln, sonst könnten wir diese heute viel leichter erkennen und einsetzen. Wirtschaftspolitisch lässt sich der Entscheidung für Kernkraft, also einer Risikotechnologie, sehr wohl auch positiv beurteilen, und wenn der letzte GAU nicht in Fukushima sondern in Gori (Südkorea) oder Qinshan (Qinshan) passiert wäre, wären ein paar Vorurteile bestätigt worden und die Beurteilung der Kernenergie hätte sich global gesehen nicht so negativ entwickelt.
Welches ist nun die richtige Herangehensweise? Ganz klar: keine von beiden. Beide haben Vor- und auch Nachteile. Es lässt sich jedoch eindeutig sagen, dass eine unterschiedliche Bewertung (inhaltlich und auch zeitlich) ein globales und massenhaftes Auftreten von größeren Problemen verhindern kann, nicht jedoch den Einzelfall. Eine unterschiedliche Bewertung erzwingt nicht nur die Entwicklung von verschiedenen Varianten einer gefährlichen Technologie sondern auch die Entwicklung von Alternativen. Für die wirtschaftliche Entwicklung einzelner Regionen ist das vielleicht entscheidend, global gesehen jedoch nicht so wichtig, denn da zählt eher die Sicherheit. Dabei bergen sowohl ein großer Unfall in einem AKW als auch Probleme nach einem Einsatz von genmanipulierten Pflanzen die Gefahr einer großflächigen Kontaminierung, die sich kaum eindämmen lässt. Darum ist die Begrenzung des Einsatzes dieser und anderer Technologien - z.B. durch eine unterschiedliche Herangehensweise bei der Bewertung - sinnvoll und notwendig, aber auch die Weiterentwicklung von Technologien und ihrer Alternativen.
Soweit ich weiß ist bisher wissenschaftlich überhaupt nicht nachweisbar, das gen food irgendwie schädlich ist.
Doch. Eine Vorlesungsserie Ökologie sollte helfen, ein Verständnis für die Zusammenhänge im Detail zu entwickeln. Stichworte> Verdrängung von Arten, Höherer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Entwicklung weiterer schutzmittelresistenter Arten etc.