SunnyboyXP0 schrieb:
Die Diktatur ist nach Platon die ideale Staatsform, weil hier die gewählten Philosophen im Sinne der Bevölkerung den Staat lenken, mit Weisheit und uneigennützig. Die Tugenden, die dafür erforderlich sind, stehen dabei im Mittelpunkt. Ein erstrebenswertes Ideal, weil die Menschen und ihr Miteinander die Säule dieser Staatsform sind und die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit ohne Einschränkungen zum Wohle aller garantiert ist.
Leider wird der Begriff Diktatur heutzutage völlig falsch angewandt und fehlinterpretiert. Es gilt als Synonym für Tyrannei, ist aber das exakte Gegenteil davon.
Ich sehe das (bei allem Respekt
) etwas anders als Platon.
Nur selbstlos dem Volk dienende, weise Philosphen gibt es in der realen Welt genauso wenig, wie den "guten König" aus dem Märchen oder (auf Dauer) idealistische Revolutionäre usw. Selbst wenn jemand mit ursprünglich besten Absichten an die Macht kommt, wird er doch zwangsläufig früher oder später von ihr verdorben und wendet sich (mehr oder weniger freiwillig) gegen das Volk, dem er eigentlich dienen soll/will.
Wobei es sowieso ohnehin schon so ist, dass eher diejenigen es schaffen, sich in hohe Machtpositionen hochzuarbeiten, die man charaktermäßig eigentlich am wenigsten da oben haben möchte. Die selben charakterlichen Qualitäten (Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit, Mitgefühl, Bescheidenheit usw.), die einen guten Anführer ausmachen würden, verhindern in aller Regel, dass er überhaupt erst in eine Machtposition kommt.
Oder zumindest bewirken sie, dass er sich sehr schnell darin aufreibt. (Nicht umsonst musste der beste Kanzler, den wir hatten, physisch und psychisch gebrochen zurücktreten.)
Die Erfahrung der gut 2000 Jahre Geschichte seit Platon haben überdeutlich gezeigt, dass man jeder Regierung (und dem Staatsapparat) letztendlich nur so weit trauen kann, wie man den ganzen Laden werfen könnte. Mit anderen Worten gar nicht!
Absolutes Misstrauen gegenüber der "Obrigkeit" ist in einer Demokratie deshalb oberste Bürgerpflicht. Man muss den Machthabern ständig auf die Finger schauen und ihre Macht auf das absolute Minimum beschränken, das nötig ist, um den Staat organisatorisch am Laufen zu halten.
Allerdings ist es dafür mit formaler Demokratie allein auch nicht getan. Die muss auch tatsächlich gelebt werden. Man bräuchte möglichst viele (eine klare Mehrheit) interessierte, engagierte und informierte Bürger und möglichst direkte Einflussnahme und öffentliche Kontrolle über die staatliche Gewalt. Nur alle paar Jahre sein Kreuz unter eine Wahlliste machendes, desinformiertes und gleichgültiges Wahlvieh reicht nicht.
Wobei ich durchaus einsehe, dass so eine Bevölkerung aus engagierten Demokraten wahrscheinlich ähnlich utopisch ist, wie Platons selbstlose Philosophen-Diktatoren-Elite.
Ein erster Schritt wäre aber schonmal getan, wenn man in Deutschland wenigstens das repräsentative Demokratie-System so umsetzen würde, wie es eigentlich von der Verfassung vorgesehen ist. Dass also das direkt vom Volk gewählte Parlament die oberste Institution ist, die den Kurs des Landes bestimmt. Nicht die Regierung und erst Recht keine Parteivorstände oder Koalitonsrunden.
Allein das Parlament entscheidet in offener Debatte und freier Entscheidung jedes einzelnen Parlamentariers (ohne Fraktionszwang und Koalitionsabsprachen) über die Gesetze und die Regierung (Exekutive) muss diese Gesetze dann nur durchführen. Ob es Kanzler/Ministerpräsident und Ministern passt oder nicht. Wir sind eine
parlamentarische Demokratie und keine "Minister"- oder "Kanzler"-Demokratie. Die Exekutive hat sich nach den Gesetzen der Legislative zu richten, nicht anders herum das Parlament willenlos abzunicken, was sich irgendwelche Regierungsmitglieder ausdenken bzw. im Hinterzimmer auskungeln.
Dann kann es auch nicht mehr sein, dass ein parlamentarisches Kontrollgremium oder Untersuchungsausschuss von Geheimdiensten und BKA, wenn überhaupt, nur komplett geschwärzte Akten vorgelegt bekommt. Das ist ein absoluter Witz, wie von Seiten der Exekutive mit der obersten staatlichen Gewalt (Legislative) umgesprungen wird! Spätestens da sollten bei jedem Bürger die Alarmsirenen angehen.
Über einem von uns direkt gewählten Parlamentarier steht überhaupt nichts! Kein Behördenleiter, kein Minister, kein Kanzler und kein Parteivorstand. Die sind (siehe Grundgesetz) nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen und nichts anderem.
Wenn man den Parlamentariern Informationen vorenthält, wer hat dann denn überhaupt noch die Kontrolle? Wem sind die Geheimdienste und sonstige Sicherheitsbehörden dann noch Rechenschaft schuldig?