Dann will ich begründen, weshalb nach meiner Meinung die Gewerkschaften systematisch geschwächt werden. Hatte ich eigentlich gar nicht erwartet, daß ich das müßte.

Um irgendwelchen Verdächtigungen zuvorzukommen: Ich selbst bin nicht in einer Gewerkschaft und habe auch nicht vor, einer beizutreten. Ich traue mir insoweit zu, die Entwicklung der vergangenen Jahre einigermaßen objektiv zu beurteilen.
Selbstredend sind die kontinuierlich zurückgehenden Mitgliederzahlen zu einem gewissen Anteil mit „hausgemachten“ Problemen zu begründen. Aber nicht nur, denn es wirken sich auch die strukturellen Veränderungen in der Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft negativ für die Mitgliedergewinnung aus. Infolge der Entwicklung von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft verringern sich zwangsläufig die Mitgliederpotenziale in den bisherigen „Hochburgen“ (z.B. Bergbau, Werften, Textil, Eisen und Stahl). Auf der anderen Seite sind die Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich – überwiegend Angestellte – für die Gewerkschaften zweifellos schwieriger zu organisieren. Letztendlich führen auch die hohen Arbeitslosenzahlen, die Zunahme der Teilzeitbeschäftigungen und der Leih- und Heimarbeiter zu weiteren Mitgliederrückgängen.
Da die Gewerkschaften ihre Legitimation als Interessenvertretung der Beschäftigten von einer möglichst hohen Mitgliederzahlschaft ableiten müssen, stellt diese Entwicklung zweifellos eine erhebliche Schwächung der Gewerkschaften dar, wobei ich die reduzierten finanziellen Ressourcen auch nicht unerwähnt lassen möchte.
Diese strukturell begründete Schwächung wird von den Arbeitgebern ausgenutzt und durch eigene Aktionen vorangetrieben, in dem die bisherige partnerschaftliche Stellung der Gewerkschaften im gesellschaftlichen System häppchenweise abgebaut wird. Ich nenne hier als Beispiel nur die Tarifflucht: Unternehmen verlassen massenhaft die Arbeitgeberverbände oder treten im Falle von Unternehmensneugründungen einem solchen erst gar nicht bei, um die Lohn- und Arbeitsbedingungen statt dessen mit ihren Betriebsräten oder unmittelbar mit den Arbeitnehmern vor Ort in den Betrieben festzulegen. Anleitungen zur erfolgreichen Tarifflucht gibt es im Buchhandel schon in Taschenbuchausgabe.
Daß sich daran sogar die Politik beteiligt, möchte ich mit dem folgenden verdeutlichen: Ich unterstelle, daß bekannt ist, daß die Bund-Länder-Tarifgemeinschaft für den öffentlichen Dienst auseinander gefallen ist. In den Medien eher undeutlich dargestellt wurde die Ursache und die Tatsache, daß die Länder einen Tarifvertrag kaum noch wollten bzw. diktierten, welchen sie noch unterschreiben würden (Der Hessische Ministerpräsident Koch sagte, entweder ihr unterschreibt diesen, oder ihr kriegt gar keinen). Dieses hat insofern System, als parallel dazu die Personalvertretungsgesetze in einigen Ländern „überarbeitet“ wurden.
Der Daedalus schrieb:
Dabei ist doch die Einführung eines Investivlohns ja genau das, was du forderst.
Zur Einführung eines Investivlohnes habe ich mich hier im Forum nur ein einziges Mal geäußert und zwar im Post #4 dieses Threads
https://www.computerbase.de/forum/threads/angmessene-lohnerhoehung-aber-wie.245209/
Wenn ich mich noch selbst richtig verstehe, was ich vor 6 Monaten geschrieben habe, dann war meine Meinung zum Investivlohn doch etwas kritisch. Wie und wo soll ich den jetzt
gefordert haben?