Es wäre ja auch ausgesprochen absurd, jetzt schnell noch ein Gesetz auszuarbeiten, bevor der EuGH überhaupt darüber geurteilt hat, ob und in welcher Form und unter welchen Voraussetzungen die Vorratsdatenspeicherung überhaupt mit der europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist.
Grundsätzlich will aber die SPD die VDS genauso wie die CDU/CSU. Das deutsche VDS-Gesetz, das vom Verfassungsgericht kassiert wurde, haben sie ja auch mit getragen. Die Union will nur gleich lospreschen und die SPD erst dann, wenn sie meinen, dass die VDS rechtlich abgesichter wäre.
Ich sehe es allerdings so, dass eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung auch dann nicht grundrechtskonform sein kann, wenn sich der Gesetzgeber an alle Vorgaben des Verfassungsgerichts und des EuGH hält. (Z.B. bezüglich der Speicherfrist oder zu welchen Zwecken und von wem die Daten genutzt werden können usw.)
Es fehlt dann nämlich immer noch eine bzw. zwei Voraussetzungen dafür, dass eine VDS verhältnismäßig und legitim wäre und auf die hat der Gesetzgeber gar keinen Einfluss.
Die verdachtsunabhängige Speicherung selbst stellt (O-Ton Verfassungsgericht und das EU-Rechtsgutachten geht auch in die Richtung) einen
schweren Eingriff in die Freiheitsrechte aller Bürger da und wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn sie zum Schutz anderer, gleich oder höherwertiger Grund-/Menschenrechte unbedingt nötig wäre. Zum Beispiel das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Und außerdem muss natürlich auch nachgewiesen werden, dass die VDS für diesen Zweck auch taugt und z.B. einen nenneswerten Effekt auf die Aufklärungsquoten bei Schwerverbrechen hat.
Hier hat der Gesetzgeber bzw. die VDS-Beführworter die Bringschuld, nicht die Kritiker. Beides müsste jehnseits aller Zweifel nachgewiesen werden.
Aber diese Kriterien sind ganz offensichtlich nicht gegeben.
Es besteht zumindest in Deutschland keine Notlage im Bereich der Schwerverbrechen, die eine verzweifelte, grundrechtsverletzende Notmaßnahme wie die VDS nötig machen könnte. Tatsächlich werden heutzutage z.B., trotz anonymer Kommunikation über Internet oder Mobilfunk und ganz ohne VDS, wesentlich mehr Tötungsdelikte aufgeklärt, als noch in den 90ern. (Seit Jahren über 95%.) Außerdem ging die Zahl der Delikte und Opfer erfreulicherweise auch deutlich zurück. Niemals lebte man in Deutschland sicherer und niemals kamen weniger Mörder ungestraft davon. (Das wäre doch mal eine BILD-Schlagzeile wert.
)
Dass die VDS das nicht noch etwas verbessert, zeigt die deutsche Kriminalitätsstatistik aebenfalls. Als sie in verfassungswidriger Extremform praktiziert wurde, ging die Aufklärungsquote in Deutschland sogar gegen den Trend der letzten Jahre etwas zurück. Diverse Studien bescheinigten der VDS ebenfalls keinen nennenswerten Einfluss auf die Aufklärungsquote (unter 0,1%).
Es ist also ein totales Unding, dass Union und SPD die VDS trotzdem einführen wollen. Auch wenn sie dabei alle konkreten Vorgaben der Gerichte berücksichtigen, fehlt es immer noch an den nötigen Umständen, die eine VDS möglicherweise verhältnismäßig und damit grund- und menschenrechtskonform machen könnten.