Kapitalismus: der "Ostblock" und andere Bedrohungen der Demokratie
(Mehr über Kapitalismus:
Kapitalismus, was ist denn das?,
Bürger und Staat)
Hier eine Ergänzung zu
"Globalisierung", Freiheit und Kapital in Globalisierung - "Die Bürde des weißen Mannes"? Da der zu klärende Punkt eher allgemeine
'Natur' des Kapitalismus ist, erscheint dieser Beitrag im dazu passenden Thread.
Der Beitrag
#71 gibt an, eine Behauptung aus meinem Beitrag #70 zu widersprechen. Der Einwand bezieht sich auf den Anspruch des Kapitalismus, die ganze Welt für seine Zwecke zu benutzen und lautet irgendwie so: Der Ostblock hätte mit dem kapitalistischen Westen
"Geschäfte" gemacht - von sich aus und ungezwungen. Auch sonst wäre von einem Zwang weit und breit nichts zu sehen, also auch keinen Grund zu irgendeiner Feindschaft.
Die von mir gemachte Behauptung ist selbst in meinem Beitrag zu kurz geraten. Ich ergreife jetzt die Gelegenheit näher zu erklären, was damit gemeint ist. Hoffentlich schaffe ich es, den Zusammenhang in einer sehr schematischen Form verständlich zu machen.
Sofern anfangs der Kapitalismus sich in einem Land entwickelt hat, bekannterweise in England, waren die Umsätze und die Gewinne der Manufakturen z. B. für die heutigen Verhältnisse lächerlich gering. Es wurde für die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung und der eben langsam entwickelnden Industrie produziert. Gleichzeitig mit dem Wachstum der Reichtum nahm auch das Geschäft des Kredits und der Banken zu. Hauptpunkt des Gewinns in diesem noch nicht vollständig entfalteten Kapitalismus war der Gewinn aus dem Verkauf der produzierten Waren und der Zins. Die Grundrente spielt für unseren Zweck keine Rolle.
Bereits in diese Zeit greift die neue Wirtschaft schon über seine Grenzen hinaus, produziert billig in den Kolonien und die Nationen treiben Handel miteinander. Die Art und Umfang dieses Handels ist aber nicht der Rede Wert. Heutzutage meinen aber immer noch alle, wenn es um Handel geht, diese Art von Handel würde noch bestehen: Ich gebe Dir etwas, was ich zuviel habe, Du gibst mir im Tausch etwas, was Du zuviel hast und wir sind beide zufrieden. So unschuldig war der Handel und überhaupt die Geldmacherei nie, in seiner wenig entwickelten Form damals aber eher als friedlich zu bezeichnen.
Ganz anders in der neueren Zeit zwischen den Weltkriegen und umso mehr nach dem WWII.
Das Wirtschaftswachstum und die Akkumulation des Reichtums sind gewaltig trotz der im Krieg stattgefundenen materiellen Zerstörung: Konsumprodukte aller Art und Maschinen für die explodierende Wirtschaft bringen zu einer nie da gewesenen Akkumulation: einmal in materieller Hinsicht, aber besonders als reiner Reichtum – Geld. Geld, das bei den Banken oder in den Schatzkammern der Nationen lagert, ist denen schon lange bekannt, ist schlechtes Geld. Gutes Geld produziert Geld: investiert, verzinst, als Kredit oder einfach in Mitteln für die Vermehrung der Staatsmacht und -einfluss verwandelt. In der letzten Form sehr bekannt als Kriegsgerät, das auf dem Schlachtfeld seinen Dienst leistet und dabei oft zerstört und abgeschrieben wird, ebenso in Fall des Sieges selbst als gute Investition durch den Einfluss und Dienstbarmachung des besiegten Staates anerkannt. Das ganze immer mehr akkumuliertes Geld muss um Teufel komm raus in Bewegung gehalten werden -als Kredit für Investitionen, der wieder Gewinn als Zinsgelder und weitere Abhängigkeit produziert. Für das Kapital ist das dann so: der verpasste Gewinn wird gleich als Verlust berechnet, das Geld darf nicht verrotten oder als Güter konsumiert werden, Reichtum und Macht nicht brach liegen. Genauso verhält sich mit den Waren, die in immer größeren Mengen produziert werden: unverkauft sind sie verlorener Reichtum und verschenktes Gewinn. Deswegen braucht der Kapitalismus einen immer größeren Markt für seine Waren einerseits, für sein Geld (Kredit und Investitionen) andererseits. So kommt dann der Kapitalismus zu dem weltweiten Markt, mit den darum konkurrierenden reichen Nationen.
Klein Exkurs zum Ostblock: Als diese Art von Realsozialisten in der Klemme steckten, mussten sie vom Westen etwas kaufen, richtiger Handel kann man beim besten Wille nicht nennen: Sie hatten übrigens auch nichts zu verkaufen. Aber von Kredit und Investitionen, Geschäftsfreiheit in diesem Ostblock wie heute in der Welt üblich war nie die Rede. Und das hat der Westen dem Ostblock sehr übel genommen und
'Aggression' genannt.
Das hat sich bis heute nicht geändert: Den Staaten, die sich der kapitalistischen Benutzung nicht öffnen, werden böse Absichten nachgesagt. So einfach und normal ist das im globalisierten Kapitalismus: Wer sich dem Kapitalismus verschreibt, nach den Regeln der Konkurrenz die andere Staaten benutzen will und sich selber von den anderen benutzen lässt, wird als zugehörig anerkannt, darf nach seinen Kräften Ansprüche melden, die nach den besagten Kräfteverhältnissen zur Geltung gebracht oder vernichtet werden; wer die Vorteile dieses Wirtschaftssystems partout nicht einsehen will oder gar ein paralleles System aufbaut – wie auch immer geartet: 'sozialistisch', islamisch, kooperatistisch, etc. – wird gleich eines besseres gelehrt: Die Staaten dieser Welt sind für sich nichts und schon mal nicht ein internes Versorgungssystem für die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung, sondern sie müssen der Bedürfnisse
'der Welt' entsprechen, d. h. der Interesse der Mächtigen
'dieser Welt' nach Betätigungsfelder des Kapitals. Mit anderen Worten: Sie sind feindliche Gestalten, die der Aggression gegen die Demokratie verdächtig sind. Und die Demokratie: das sind
'Wir'!
Da gilt aber zwischen Staaten, was auch im Staat gilt: Der gute Bürger passt schon auf, auf dass 'unsere Interessen' nicht beschädigt werden. Und das kann schon mal Alarm bedeuten:
'wer für marxismus "wissenschaft" behauptet, ist entweder dumm oder unaufgeklärt oder gefährlich'.
Dumm zu sein würde keiner zugeben (Dank trotzdem für den Ausweg!)
Unaufgeklärt im Sinne des demokratisch-kapitalistischen Bewusstseins nach etwa mehr als zwei Jahrhunderten Kapitalismus und etwa zwei Jahrzehnten bedrohungs- und realsozialismusfreiem Leben würde ebenso bedeuten: dumm sein.
Bleibt also: gefährlich! Es stellt sich nur eine Frage: Für wen?