Weltanschauungen im Allgemeinen, Systemkritik, Diskussionen rund um den Kapitalismus

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Adam_Smith schrieb:
Wenn also die heutigen Marxisten nicht einmal in Ansätzen sagen können wie sich die marx'sche Theorie in die Praxis umsetzen lässt, ohne das es zu den oben genannten Folgen kommt, dann frage ich mich wie man ernsthaft über eine Umsetzung des Kommunismus / Sozialismus in der Praxis nachdenken kann. [...]

Leider vermisse ich derartige Überlegungen immer wieder in Diskussionen mit Anhängern des Kommunismus. Es gibt einige wenige die sich darüber Gedanken machen warum der Kommunismus in der Realität bisher nicht funktioniert hat. Doch bisher ist mir keiner unter gekommen, der mir wirkliche alternative Wege aufzeigen könnte.

Warum also sollte man annehmen, dass der Kommunismus in irgendeiner Form in der Praxis funktionieren kann?
Zu diesem Thema empfehle ich das Buch "Verratene Revolution." von Leo Trotzki. Er zeigt hierin den wahren Charakter der Sowjetunion und wie konterrevolutionär die Bürokratie tatsächlich gewirkt hat.

Das Buch ist u.a. in der Google-Bibliothek online zu finden:
http://books.google.de/books?id=uE11_6tkYBIC
 
Adam
das was du schreibst, von wegen jemand würde eine Revolution versuchen, verfehlt jeglichen Inhalt. Keiner hier sagt, dass eine Revolution jetzt angestrebt werden soll (oder zumindest ich nicht :)).
Allerdings sage ich, dass die Sichtweise auf die Dinge die unserer Diskussion zugrunde liegen eine falsche ist.
Warum, das wurde von mir schon oft genug thematisiert und deshalb werde ich das hier auch nicht nocheinmal machen.

Dein Vorwurf, dass ich keine Alternative vorschlage und deshalb meine Kritik sinnlos sei, das greift schon wieder daneben.
Denn, und das hat barista trefflich geschrieben:

"Diese Erscheinung des Kapitalismus, als naturgegeben und naturgewachsen, ist der Grund dafür, dass die Frage nach „Lösungen“ und „Vorschlägen“ in diesem Thread geradezu herumgeistert, wenn auch nur als Totschlagargument. Ernstgenommen ist die Frage in diesem Fall eine logische Verfehlung. Die Begründung dafür ist ganz einfach: man kann nicht über „Lösungen“ reden, wenn man entzweit über die (Ur-)Sache ist, da niemand sich „Lösungen“ für Sachen, die „gut“ sind, nachvollziehen kann."

Es wäre total dämmlich wenn einer, der etwas gut findet (du, keshkau etc.) etwas akzeptieren würde was aber das, was er gut findet, zerstört. Zeige mir doch bitte einen vernünftigen Menschen der diese Logik mitmachen würde. Es ist geradezu lächerlich.
Deshalb: wenn du die Annahmen die mich zur Kritik bewegen vorweg schon ablehnst, dann brauchst du nicht auf eine Lösung zu warten.
 
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@th30
Da will mir doch jemand unbedingt noch meinen Feierabend verhageln, nicht wahr :)

Ich hatte weniger die ersten Höhlenmenschen im Sinn, Wir können aber so weit zurückgehen, bis wir erstmals auf Geld als Tausch- und Zahlungsmittel stoßen. Das kann auch Warengeld (z. B. Naturalgeld: Vieh gegen Frau) sein, nicht nur unbedingt Münzen (ab dem 7. Jahrhundert vor Chr.). Vermutlich kommt es überall, wo Geld eine Rolle spieilt, automatisch dazu, dass Geld dann auch mal verliehen wird (z. B. Salz als Währung, um Nahrungsmittel zu kaufen). Und wer "Geld" verleiht, kann schnell auf die Idee kommen, dafür Zinsen zu nehmen. Schließlich trägt der Verleiher das Risiko der ausbleibenden Rückzahlung.

Wenn mein Beispiel zutreffend ist, dann kippt der Einwand, dass "früher nichts zur Vermehrung von Geld hergestellt wurde, sondern zum Gebrauch. Und WENN mal getauscht wurde, dann nur gegen andere Gegenstände, um sie dann zu gebrauchen." Denn warum sollte der Schreiner nicht den ganzen langen Winter lang arbeiten und Geld anhäufen, um im Sommer einige Zeit pausieren zu können? Vielleicht stellt er auch nur deshalb mehr, um Rücklagen für das Alter zu bilden. Dann wäre das Ziel der Produktion nämlich tatsächlich die Vermehrung von Geld, um sich davon später etwas kaufen zu können.

Und wenn ich, um auf den letzten Punkt zu kommen, von frühen Dorfgemeinschaften ausgehe, dann sind mit bestimmten organisatorischen Regelungen nicht automatisch Veränderungen in den Besitz- oder Herrschaftsverhältnissen verbunden. Bei einer gemeinsamen Bürgerwehr z. B. wird vielleicht ein Beitrag von jedem Haushalt erhoben, um Waffen zu finanzieren. Das wäre so etwas wie eine Steuer. Aber daran bereichert sich niemand und es ist auch nicht gesagt, dass jemand innerhalb der Gemeinschaft überproportional daovn profitiert, etwa weil er die Leistungen erbringt, die eingekauft werden müssen.

Es können Wechselwirkungen auftreten und sie sind nicht einmal unwahrscheinlich. Aber ich gehe davon aus, dass gerade in den frühen Gesellschaften der Einfluss der Beteiligten noch viel unmittelbarer und direkter war als heute - allein schon auf Grund der Größenverhältnisse. Es gab daher bessere Möglichkeiten, die konkrete Ausgestaltung der Organiationen zu beeinflussen. - Natürlich darf man dabei nicht übersehen, dass das gemeine und damals völlig ungebildete Volk dabei nicht viel zu melden hatte. Doch das halte ich nicht einmal für einen Kritikpunkt. Wer will sich schon gerne von einem Deppen regieren lassen?

Das jugoslawische System der Arbeiterselbstverwaltung, um mal ein Beispiel aus neuerer Zeit zu nennen, krankte doch auch unter dem Problem der "roten Bourgeoise", weil im Laufe der Zeit stets dieselben Leute wiedergewählt wurden und es eben keine breite Basis gab, die bereit war, Verantwortung zu übernehmen. In unseren (Sport-)Vereinen kann man diesen Trend bis heute nachvollziehen. Leader sind selten.

Wenn man also darüber klagt, dass es Herrschaft und Besitz gibt, der bei einigen größer ausfällt als bei anderen, dann muss man auch dort die Frage stellen, worin die Ursache liegt. Ich kann mir den Arbeitslosen ansehen, der in einer Bruchbude wohnt, und dann einen Vergleich mit einem Kleinunternehmer anstellen, der sich mittlerweile ein eigenes Haus leisten kann. Aber wenn ich mir die Mühe mache und die Arbeitsleistungen beider Personen in den letzten zehn Jahren vergleiche, dann erklärt sich der Unterschied möglicherweise schon von selbst.

Aber um Dir einen Gefallen zu tun: Ja, ich stimme Dir vorläufig zu, damit Du besser schlafen kannst :)
 
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Du zeigst immer wieder Missstände auf die du als Systembedingt bezeichnest. Teilweise gehe ich da mit, größtenteils sehe ich aber auch Systemintern Alternativen mit denen man diese Missstände beheben kann.

So weit so gut, was dir aber zu denken geben sollte ist die Tatsache, dass ich durchaus sehe, dass nicht alles Rund läuft in unserer Welt. Ich finde daher das jetztige System nur deswegen "gut" weil es in meinen Augen die sinnvollste von den Alternativen ist, die man in Praxi umsetzen kann.

Du bist davon überzeugt, dass das vorherrschende System nicht das richtige ist, zeigst viele Fehler auf und behauptest, dass es auf einem anderen Weg besser gehen könnte.

th3o schrieb:
Es wäre total dämmlich wenn einer, der etwas gut finde (du, keshkau etc.) etwas akzeptieren würde was aber das, was er gut findet, zerstört. Zeige mir doch bitte einen vernünftigen Menschen der diese Logik mitmachen würde.

Derartige Schwachbrüstigkeit hätte ich dir gar nicht zugetraut. Wo bleiben die vollmundigen Worte, warum diese Kapitulation deinerseits?
Schon mal an die Macht der Argumente gedacht? Wenn du bessere Alternativen aufzeigen könntest, dann bin ich durchaus geneigt diese Alterntiven auch wertneutral zu betrachten.

Wenn ich wirklich will, dass der dritte Fahrer es schafft diese dumme Mauer zu überwinden, dann mach ich mich daran ihm einen Weg aufzuzeigen, der wirklich funktioniert (bzw. bei dem die Risiken so gering sind, dass man sie guten Gewissens eingehen kann). Wenn er mir nicht glaubt, dann versuche ich ihn zu überzeugen (beispielsweise indem ich ihm durch eine Berechnung der Flugbahn nachweise, dass der Sprung über eine Rampe funktioniert).

Wenn ich das aber nicht kann oder will, dann sollte ich dem Fahrer einfach sagen: "Ich kann dir nicht helfen, sie selber zu wie du klar kommst."

Du machst aber was anderes: Du zeigst keine Alternativen auf (kannst mir als Fahrer also nicht helfen) gehst aber dennoch dauernd hin und erzählst wie schlimm es doch angeblich diesseits der Mauer ist und das mich auf der anderen Seite der Mauer das Paradies erwartet.

Damit ist nun wahrlich niemandem geholfen!

Als Fahrer frage ich mich lediglich warum du wissen kannst wie toll es auf der anderen Seite der Mauer ist, wenn du selbst den Weg drüber nicht kennst. Am Ende weist du noch nicht einmal ob die andere Seite wirklich besser ist. Wenn ich dann doch mal drüber gekommen bin, dann erfahre ich auf einmal, dass mich auf der anderen Seite der Mauer die Hölle erwartet.

So und nu?
 
Ok Adam, ich verstehe deinen Punkt und will darauf eingehen.
Vorweg: Lösungen wirds auch jetzt keine geben, aber vielleicht eine Erklärung die dich ein wenig besänftigt. ;)

Das was du mir als Schwachbrüstigket vorwirst (was ich eher als kleine Provokation denn als ernstgemeint verstehe) ist das, was du mir durch deine bisherige Diskussionsweise aufzwingst.
Du versperrst dich schon vorweg bestimmten Denkvorgängen, die eine bestimmte Erkenntnis in sich bergen und die eine Präsentation "der Lösung" unnötig machen würden. Ohne diese Denkvorgänge wäre die Lösung sogar eine total falsche, weil sie dann notwendig eine wäre in einem nicht vorhandenen Zusammenhang. So würde die Lösung keinen Inhalt sondern nur Form haben. Und beides getrennt voneinander ist nicht mehr als Nullerkenntnis.


Edit
Dein Beispiel mit dem Fahrer ist genau so ein Ding. Da nimmt man die Form von unserer Diskussion und wendet sie ad hoc auf einen Inhalt an zu dem sie nicht passt und dann willst du mir das als tolles Argument verkaufen oder zumindest als Aufforderung ich hätte dies oder jenes nun zu leisten. Mit Verlaub, aber das ist mindestens frech :D
Das ist übrigens auch die gleichzeitige Erklärung dazu warum ad hoc Beispiele so oft den Gegenstand um den es in einer Diskussion geht verfehlen. Man meint, nur weil da ähnliche Strukturen sich befinden, dann alles darauf abwälzen zu können bar jeden Inhalts. Als ob der behandelte Inhalt überhaupt nichts zur Sache tun würde sondern nur der bloße Formalismus nötig sei. Ich bitte dringend von solch Denken sich zu distanzieren.
 
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"das proletariat ist der einzig legitime träger der weltrevolution", und "nach der weltrevolution (und nur durch sie) stellen sich paradiesische zustände von alleine her", "weil jeder seine wahren bedürfnisse erkennt, resp. nach diesen lebt"; resp. "durch die diktatur des proletariats zu seiner persönlichen befreiung von seinen falschen bedürfnissen gezwungen worden ist." und so weiter und sofort aus den kernbeständen der irrlehre.

An diesen Spruch, den perfekt!57 zitiert hat, glaube ich weniger. Denn wenn der Schalter zu einer besseren Welt umgelegt worden ist, dann stehen die Benachteiligten auf der Matte und wollen erst einmal alles nachholen: Urlaub, Wohnen in der Villa, neues Auto usw. - von wegen "Befreiung von falschen Bedürfnissen".
 
keshkau schrieb:
Denn wenn der Schalter zu einer besseren Welt umgelegt worden ist, dann stehen die Benachteiligten auf der Matte und wollen erst einmal alles nachholen: Urlaub, Wohnen in der Villa, neues Auto usw. - von wegen "Befreiung von falschen Bedürfnissen".
Bei der Weltrevolution handelt es sich um einen lang andauernden Prozess.


@Adam Smith

Bevor man Alternativen zum Realsozialismus (speziell in der UdSSR) aufzeigt, muss auch dieser in seinen Zügen und Elementen, seinem Charakter analysiert werden.
Dies hat Leo Trotzki in seinem Buch, um noch einmal auf meine Empfehlung zurückzukommen, die du ignoriert hast, schon 1936 getan.

Einen nicht unwichtigen Grund für das ökonomische Desaster spielt die Tatsache, dass der UdSSR keine Hilfe durch das Proletariat der westlichen industrialisierten Staaten zukam. Denn als Lenin den sowjetischen Staat in Russland aufbaute, hatte er die Hoffnung, dass die baldige Weltrevolution alle ökonomischen Probleme Russlands lösen würde. Immerhin, die später von Stalin erdichtete Theorie vom "Sozialismus in einem Land", die er in keiner Ausführung näher erläutert, musste Marx persönlich wohl dazu verleitet haben, sich im Grabe umzudrehen, denn gerade er war der Annahme gewesen, dass die Weltrevolution in einem der hoch-industriellen westlichen Staaten beginnen würde, er vermutete Frankreich oder England.

Die Sowjetunion hatte das Erbe der zaristischen Ordnung angetreten. Und dieses war ökonomisch höchst degeneriert. Dass sich eine Bürokratenaristokratie bilden konnte, begründet Trotzki an eben den schwachen Produktivkräften. Immer wieder zitiert er Marx:
[quote="Die deutsche Ideologie", Marx Engels Werke Bd. 3, S.34f](Die) Entwicklung der Produktivkräfte (ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung (des Kommunismus), weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendigste wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte...[/quote]
Man muss sich hier auch mal vor Augen führen, dass die sozialistische Revolution in Russland dem Lande selbst auch Fortschritt gebracht hat. Weder der Zar noch die Provisorische Regierung wären in der Lage gewesen, die wirtschaftliche Lage der UdSSR zu stabilisieren.
Die Bevölkerung wurde alphabetisiert, sie wurde über Hygiene aufgeklärt u.s.w.
Die "ganze alte Scheiße", der Kampf um die Güter, also dieser komplexe Vorgang, den die bürgerliche Welt heute mit "irgendeiner will immer die Macht an sich reißen" usw. vereinfacht und abstumpft, wurde erst dadurch möglich, dass ein Mann namens Stalin das Staatsmonopol unter seine Macht stellte, die Demokratie erstickt wurde, die Bürokraten sich gegenseitig den Arsch küssten usw. usf., nicht zuletzt hervorgerufen durch bereits Genanntes: das niedrige Niveau der Produktivkräfte.
 
hier, wenn man älter wird, sieht man es anders. und bleibt an der macht, bis jüngere - heute wieder mit dem selben abstrusen, halbverstandenen ideen wie die väter - auch älter geworden sind:


"In Deutschland hat sie nicht der Freiheit den Weg gebahnt, sondern der Repression. Sie hat die Liberalisierung der Gesellschaft auf Jahre zurückgeworfen, statt sie zu beschleunigen. Die Militarisierung der Polizei, die Stärkung der Geheimdienste, die Aushöhlung der Verfassung, die Verschärfung des Strafrechts, die bleierne Zeit der Raster- und Ringfahndungen bis hin zum Deutschen Herbst 1977 mit der Entführung Hanns Martin Schleyers - all das waren Folgen der politischen Pervertierung einer Revolte, die individuell Freiheit wollte und kollektiv Unfreiheit bewirkte. Der Radikalenerlass unter der Verantwortung jenes Willy Brandt, dessen Bild sich später im Amtszimmer Joschka Fischers wiederfand, darf dabei nicht vergessen werden.

Das auszublenden ist historisch unverfroren. Auch im Verdrängen, im Bemänteln, im Klein- und Schönreden sind viele 68er ihren Eltern unheimlich ähnlich. Wer die Zeit miterlebt hat, ist von ihr geprägt - so oder so -, auch die Gegner der 68er. Differenziertes Denken aber hat bis heute nicht jeder gelernt."

http://www.stern.de/politik/historie/:Irrweg-Schluss-Mythen-68%21/607173.html?vs=1#video

Joerg_250.jpg


© Privat/Karin Rocholl
Hans-Ulrich Jörges, 56, Mitglied der stern-Chefredaktion, erlebte die Unruhen als Schüler. Später warf er Steine auf das US-Generalkonsulat, heute betrachtet er die Revolte als Irrweg

welchem von den beiden vertraue ich das jetzt an? dem jungen? oder dem heutigen?


und der marxismus, war wie bekannt, auch nie eine wissenschaft. eher genau das gegenteil davon. und die linksverbrecher, die sich seiner bedienten, fälschten eine unbewiesene glaubenslehre zur wissenschaft um. weil es so schön war. und den zielen der idee nutzte (nein: ihren eigenen!) und sie wussten darum. und sagten es auch. (natürlich nur heimlich und untereinander.) wer für marxismus "wissenschaft" behauptet, ist entweder dumm oder unaufgeklärt oder gefährlich.


"die revolution frisst ihre kinder", hier am beispiel ernst wollweber: lauter vergeudetes leben. http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/WollweberErnst/index.html wiewohl die ziele hehre waren.
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@ perfekt!57

Was willst du eigentlich?

Du gehst in keinster Weise auf Argumente der Diskussionspartner ein und schmeißt pseudo-rationale Ausführungen in die Diskussion, in denen weder orginell argumentiert noch belegt wird.
Diese Ignoranz gegenüber den anderen Diskutanten kann ich nur als Zeichen von Arroganz deuten.

Dass die Reife einer Person ein Beleg für die Richtigkeit seines Denkens sei, verstehe ich nicht. Vielmehr neigen (die von dir so verehrten) "reifere" Personen zum Opportunismus, zur Einordnung und Anpassung in und an alles Bestehende, und dies war historisch immer konterfortschrittlich und in dieser Diskussion fehl am Platze.
 
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Kapitalismus: der "Ostblock" und andere Bedrohungen der Demokratie

(Mehr über Kapitalismus: Kapitalismus, was ist denn das?, Bürger und Staat)

Hier eine Ergänzung zu "Globalisierung", Freiheit und Kapital in Globalisierung - "Die Bürde des weißen Mannes"? Da der zu klärende Punkt eher allgemeine 'Natur' des Kapitalismus ist, erscheint dieser Beitrag im dazu passenden Thread.

Der Beitrag #71 gibt an, eine Behauptung aus meinem Beitrag #70 zu widersprechen. Der Einwand bezieht sich auf den Anspruch des Kapitalismus, die ganze Welt für seine Zwecke zu benutzen und lautet irgendwie so: Der Ostblock hätte mit dem kapitalistischen Westen "Geschäfte" gemacht - von sich aus und ungezwungen. Auch sonst wäre von einem Zwang weit und breit nichts zu sehen, also auch keinen Grund zu irgendeiner Feindschaft.

Die von mir gemachte Behauptung ist selbst in meinem Beitrag zu kurz geraten. Ich ergreife jetzt die Gelegenheit näher zu erklären, was damit gemeint ist. Hoffentlich schaffe ich es, den Zusammenhang in einer sehr schematischen Form verständlich zu machen.

Sofern anfangs der Kapitalismus sich in einem Land entwickelt hat, bekannterweise in England, waren die Umsätze und die Gewinne der Manufakturen z. B. für die heutigen Verhältnisse lächerlich gering. Es wurde für die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung und der eben langsam entwickelnden Industrie produziert. Gleichzeitig mit dem Wachstum der Reichtum nahm auch das Geschäft des Kredits und der Banken zu. Hauptpunkt des Gewinns in diesem noch nicht vollständig entfalteten Kapitalismus war der Gewinn aus dem Verkauf der produzierten Waren und der Zins. Die Grundrente spielt für unseren Zweck keine Rolle.
Bereits in diese Zeit greift die neue Wirtschaft schon über seine Grenzen hinaus, produziert billig in den Kolonien und die Nationen treiben Handel miteinander. Die Art und Umfang dieses Handels ist aber nicht der Rede Wert. Heutzutage meinen aber immer noch alle, wenn es um Handel geht, diese Art von Handel würde noch bestehen: Ich gebe Dir etwas, was ich zuviel habe, Du gibst mir im Tausch etwas, was Du zuviel hast und wir sind beide zufrieden. So unschuldig war der Handel und überhaupt die Geldmacherei nie, in seiner wenig entwickelten Form damals aber eher als friedlich zu bezeichnen.

Ganz anders in der neueren Zeit zwischen den Weltkriegen und umso mehr nach dem WWII.
Das Wirtschaftswachstum und die Akkumulation des Reichtums sind gewaltig trotz der im Krieg stattgefundenen materiellen Zerstörung: Konsumprodukte aller Art und Maschinen für die explodierende Wirtschaft bringen zu einer nie da gewesenen Akkumulation: einmal in materieller Hinsicht, aber besonders als reiner Reichtum – Geld. Geld, das bei den Banken oder in den Schatzkammern der Nationen lagert, ist denen schon lange bekannt, ist schlechtes Geld. Gutes Geld produziert Geld: investiert, verzinst, als Kredit oder einfach in Mitteln für die Vermehrung der Staatsmacht und -einfluss verwandelt. In der letzten Form sehr bekannt als Kriegsgerät, das auf dem Schlachtfeld seinen Dienst leistet und dabei oft zerstört und abgeschrieben wird, ebenso in Fall des Sieges selbst als gute Investition durch den Einfluss und Dienstbarmachung des besiegten Staates anerkannt. Das ganze immer mehr akkumuliertes Geld muss um Teufel komm raus in Bewegung gehalten werden -als Kredit für Investitionen, der wieder Gewinn als Zinsgelder und weitere Abhängigkeit produziert. Für das Kapital ist das dann so: der verpasste Gewinn wird gleich als Verlust berechnet, das Geld darf nicht verrotten oder als Güter konsumiert werden, Reichtum und Macht nicht brach liegen. Genauso verhält sich mit den Waren, die in immer größeren Mengen produziert werden: unverkauft sind sie verlorener Reichtum und verschenktes Gewinn. Deswegen braucht der Kapitalismus einen immer größeren Markt für seine Waren einerseits, für sein Geld (Kredit und Investitionen) andererseits. So kommt dann der Kapitalismus zu dem weltweiten Markt, mit den darum konkurrierenden reichen Nationen.

Klein Exkurs zum Ostblock: Als diese Art von Realsozialisten in der Klemme steckten, mussten sie vom Westen etwas kaufen, richtiger Handel kann man beim besten Wille nicht nennen: Sie hatten übrigens auch nichts zu verkaufen. Aber von Kredit und Investitionen, Geschäftsfreiheit in diesem Ostblock wie heute in der Welt üblich war nie die Rede. Und das hat der Westen dem Ostblock sehr übel genommen und 'Aggression' genannt.

Das hat sich bis heute nicht geändert: Den Staaten, die sich der kapitalistischen Benutzung nicht öffnen, werden böse Absichten nachgesagt. So einfach und normal ist das im globalisierten Kapitalismus: Wer sich dem Kapitalismus verschreibt, nach den Regeln der Konkurrenz die andere Staaten benutzen will und sich selber von den anderen benutzen lässt, wird als zugehörig anerkannt, darf nach seinen Kräften Ansprüche melden, die nach den besagten Kräfteverhältnissen zur Geltung gebracht oder vernichtet werden; wer die Vorteile dieses Wirtschaftssystems partout nicht einsehen will oder gar ein paralleles System aufbaut – wie auch immer geartet: 'sozialistisch', islamisch, kooperatistisch, etc. – wird gleich eines besseres gelehrt: Die Staaten dieser Welt sind für sich nichts und schon mal nicht ein internes Versorgungssystem für die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung, sondern sie müssen der Bedürfnisse 'der Welt' entsprechen, d. h. der Interesse der Mächtigen 'dieser Welt' nach Betätigungsfelder des Kapitals. Mit anderen Worten: Sie sind feindliche Gestalten, die der Aggression gegen die Demokratie verdächtig sind. Und die Demokratie: das sind 'Wir'!

Da gilt aber zwischen Staaten, was auch im Staat gilt: Der gute Bürger passt schon auf, auf dass 'unsere Interessen' nicht beschädigt werden. Und das kann schon mal Alarm bedeuten: 'wer für marxismus "wissenschaft" behauptet, ist entweder dumm oder unaufgeklärt oder gefährlich'.

Dumm zu sein würde keiner zugeben (Dank trotzdem für den Ausweg!)
Unaufgeklärt im Sinne des demokratisch-kapitalistischen Bewusstseins nach etwa mehr als zwei Jahrhunderten Kapitalismus und etwa zwei Jahrzehnten bedrohungs- und realsozialismusfreiem Leben würde ebenso bedeuten: dumm sein.

Bleibt also: gefährlich! Es stellt sich nur eine Frage: Für wen?
 
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Ich steig mal quer ein

Ich les jetzt schon ne Weile in dem Thread hier rum. Mich würden jetzt schon mal ein paar Dinge konkret interessieren und bitte um Erleuterung.

An die Gegner des Kapitalismus:

Bitte erklärt mir nicht, was euch an der derzeitigen Situation nicht passt. Die Punkte sind mir geläufig und wurden u.a. im Einganspost erleutert.

Mich würde konkret interessieren wie ihr unser Gesellschafts- Wirtschafts- Staats- und Rechtssystem verändern wollt.
Also: Wie wollt ihr es verändern und in Was?


Bitte auch konkrete Maßnahmen erleutern, egal ob Systemimmanent oder nicht.
Auch konkrete Handlungsaufforderungen an Bürger, Plotik, Wirtschaft usw...

Gruß
 
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@Barista
Im Monsanto-Thread schrieb ich, dass sich der gesamte Welthandel zwischen 1950 und 1990 verfünffacht hat. Zu Beginn der Industrialisierung war das Volumen sehr viel kleiner. Kein Wunder, wenn man sich nur die damaligen Zollschranken anschaut, die den Transport der Waren verteuerten.

Der Grund für den Abbau von Handelshemmnissen und für die Ausweitung des Handels (mit anderen Staaten) lag allerdings nicht in der Überlegung, dass Überschüsse getauscht werden sollten („Ich gebe Dir etwas, was ich zuviel habe, Du gibst mir im Tausch etwas, was Du zuviel hast und wir sind beide zufrieden.“). Die wirtschaftstheoretische Begründung lieferte vielmehr David Ricardo mit seinem Theorem der komparativen Kosten. http://de.wikipedia.org/wiki/Komparativer_Kostenvorteil

Das Theorem besagt: Wenn Du zwei Staaten (A und B) mit jeweils zwei Gütern (Tuch und Wein) betrachtest, dann lohnt sich der Handel zwischen beiden Ländern selbst dann, wenn eines der beiden Länder sowohl die Tücher als auch den Wein kostengünstiger produzieren kann als das andere Land. Die Optimierung des Wohlstandes für beide (!) Länder wird erreicht, wenn sich das "bessere" Land A auf das Gut spezialisiert, bei dem es die vergleichsweise größere Produktivität erreicht. Land B produziert dafür das andere Produkt und beide Staaten betreiben danach Tauschhandel.

Im weiteren Verlauf zielst Du auf die Rolle des Geldes ab. Geld ist ein Tauschmittel, ein Zahlungsmittel, ein Mittel zur Wertaufbewahrung und es dient als Recheneinheit. Es ist aber kein Selbstzweck. Und Deine Argumentation hinkt ganz gewaltig. Geld ist nicht dazu da, um dem Staat mehr Macht zu verleihen. Und Investitionen in Kriegsgeräte sind keine guten Investitionen, weil das durch den Krieg zerstörte Kriegsgerät tatsächlich abgeschrieben werden muss. Das bedeutet, jemand hat zunächst einen Haufen Geld, investiert dieses Geld in Kriegsgerät und hat nach dem Krieg nur noch einen Haufen Schrott. Ich nenne das eine Fehlinvestition.

Ebenso problematisch sind Deine unbegründeten Ausführungen, die besagen, es müsse alles in Bewegung gehalten werden. Eine Volkswirtschaft muss nicht auf Wachstum ausgelegt sein. Es handelt sich vielmehr um einen Kreislauf, bei dem die Waren- und die Geldströme gegenseitig ineinander greifen. Eine Geldvermehrung ohne Warenzuwachs führt nur zur Inflation, daher betreibt die Bundesbank (Europäische Zentralbank) eine Geldmengenpolitik. Die Kunst besteht darin, die Kreisläufe in Gang und möglichst im Gleichgewicht zu halten, wobei es immer wieder zu Unregelmäßigkeiten kommt (saisonale Einflüsse, Konjunktur). http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/c/c0/Offener_wirtschaftskreislauf.svg

Vor allem aber ist der Geldmarkt nicht losgelöst. Die Banken bieten Gelder als Kredite an, aber es müssen auch Investoren bereit sein, die angebotenen Kredite aufzunehmen und dafür Zinsen zu zahlen. In der Volkswirtschaftslehre gilt im Nachhinein daher immer: „Investieren gleich Sparen.“

Und so kommen wir zu Deiner „Schlussfolgerung“, die nämlich keine ist: „Deswegen braucht der Kapitalismus einen immer größeren Markt für seine Waren einerseits, für sein Geld (Kredit und Investitionen) andererseits.“ – Das stimmt leider so nicht. Und es wird Dir auch nicht gelingen, das Gegenteil zu beweisen.

Weiterhin behauptest Du, der Ostblock sei in die Klemme geraten und musste deshalb im Westen einkaufen. Das mag man im Osten so interpretiert haben. Tatsache ist aber auch, dass ein nicht unerheblicher Teil der verfügbaren Ressourcen in die Rüstung geflossen sind. Hätte man dieses Geld produktiv verwendet oder hätte man sich von der Idee verabschiedet, die Wirtschaft fünf Jahre im Voraus zu planen, dann hätte es dazu nicht kommen müssen. Schuld an der Misere des Ostblocks ist daher nicht der westliche Kapitalismus, sondern der Ostblock selbst. Die Geschäfte mit dem Ostblock waren oft genug Zuschuss-Geschäfte. Das muss man ganz klar sagen. Da sperrt die DDR-Führung einige Oppositionelle ein, die Bundesrepublik kauft sie frei und von diesen Devisen kauft die DDR im Westen ein. Tolle Wirtschaftspolitik!

Ich finde es auch nicht verwunderlich, wenn kapitalistische Staaten sich dagegen wehren, dass andere Länder einerseits mit ihnen Handel treiben wollen, andererseits aber ihre Märkte abschotten. Dieses Problem hatte man lange Zeit mit Japan. Die Japaner wollte ihre Autos überall in der Welt absetzen, waren aber nicht bereit, vernünftige Bedingungen für Importe zu schaffen. Das geht natürlich nicht. Handel bedeutet Nehmen und Geben, beides. Es wird aber niemand zum Handel gezwungen. Dabei bleibe ich. Es gab ja auch Länder, die es mit Autarkie versucht haben, etwa Albanien. Das ist dem Land allerdings nicht gut bekommen. Insofern hatte Ricardo schon recht.

Mit anderen Worten: Deine Argumentation bricht zusammen wie ein Kartenhaus.

Du hast z. B. geschrieben, dass der kapitalistische Westen auf die Märkte des Ostblocks angewiesen war. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass sich ein Markt durch Angebot und Nachfrage definiert. Wenn der Osten nichts von dem nachfragt, was der Westen anbietet, gibt es keinen Markt. So einfach ist das. Man kann schließlich niemanden zwingen, etwas zu kaufen.

Ich denke, wenn Du Dich in der Makroökonomie gut auskennen würdest, dann hättest Du so nicht argumentiert. Aber wenn Du mir bei diesem Thema die Butter vom Brot nehmen möchtest, dann muss von Deiner Seite entschieden mehr kommen.
 
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Arbeit, Gewinn und Idealismus

Ja, das stimmt. Das hat sich nicht bis zu allen Idealisten des Kapitalismus durchgesprochen. Sie glauben immer noch was sie in der Schule lernen. Dabei haben nicht sie die Schuld, sondern die Schule. Da werden die Klassiker der damals genannten "Politischen Ökonomie" gar nicht mehr gelesen und, wenn überhaupt, nur mit einem Auge. Sonst hätten sie bei denen erfahren, wie der Reichtum dieser Welt entsteht und warum dieser Reichtum immer größer wird: weil er sich aus der Arbeit nährt; und zwar nicht aus der Konsumgüter produzierenden Arbeit – die werden tatsächlich 'konsumiert', also vernichtet, gegessen oder verbraucht - , sondern aus dem Teil, der dem Arbeiter nicht bezahlt wird: dem Gewinn des Kapitalisten. Das wüssten die Alten, schon damals. Heute gilt es, diese unangenehmen Geschichten vergessen zu machen.

Und wenn diese Idealisten des Kapitalismus von diesem Punkt aus selber denken würden – ohne ins Makroökonomie-Manual nachzuschlagen- würden sie auch darauf kommen, warum in dieser Welt so viel Geld sein Zweck sucht, warum alle mächtigen Länder auf immensen Mengen Geld sitzen und um die Kredite in aller Welt Länder konkurrieren, warum in den Kriegen Reichtümer vernichtet und 'abgeschrieben' werden, die, wenn es in dieser Welt darum ginge, alle Probleme lösen würden. Der Grund ist der: da die Arbeit der Lohnarbeiter dank der Kapitalisten diesen Reichtum nun mal produziert, wird er liebevoll und sorgfältig eingesetzt: um noch mehr Reichtum (Geld) zu produzieren und dadurch zu noch mehr Macht zu verhelfen und dadurch zu noch mehr Reichtum (Geld), usw. usw.

Soweit für heute. Bei den Antworten ist mir unangenehm aufgefallen, dass meine lange Postings schlecht verstanden werden. Als Verständnishilfe daher eine Zusammenfassung:

1. Die Arbeit produziert Reichtum (Geld).
2. Noch mal genauer: Die Arbeit produziert Gewinn, der Gewinn produziert Kapital, das Kapital produziert immer mehr Reichtum (Geld).
*Als Erinnerung: Die netten Burschen zuständig für die Arbeit heißen (wie sonst?) Arbeiter. Sie sind diese Typen, die immer wieder ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn das Kapital eine rentablere Investitionsmöglichkeit anderswo findet.
3. Die Väter der "Politischen Ökonomie" haben das alles bereits vor zwei Jahrhunderten gewusst.
4. Der politische Zweck des Staates ist die Umsetzung des Reichtums in Macht und von der Macht in Geld. (hier Sequenz beliebig wiederholen)​
 
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Das wussten die Alten, schon damals. Heute gilt es, diese unangenehmen Geschichten vergessen zu machen.
Diese Behauptung entbehrt jeder Grundlage. Die Volkswirtschaftler sind nicht einfach „Idealisten des Kapitalismus“. Sie versuchen die Wirkungszusammenhänge in der Wirtschaft zu verstehen und zu beschreiben. Die Verteilungspolitik gehört zum Standardrepertoire und ist keineswegs vergessen. Sie beschäftigt sich auch mit den gängigen Forderungen nach:

- Wiedereinführung einer Vermögenssteuer
- Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze bei den Sozialversicherungen
- Abschaffung der „Spekulationsfrist“ für Wertpapiere
- Abschaffung der sogenannten „Steuerschlupflöcher
- verschärfter Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung

http://mlecture.uni-bremen.de/intern/ws2005_2006/fb07/vak-07-g3-02-1/20060202/folien.pdf
http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,495093,00.html
http://www.wiwi.uni-frankfurt.de/Professoren/eisen/tut5.pdf
http://www.vwl.uni-freiburg.de/fakultaet/vw/lehre/ss04/grundlagen/WipoUEB9SS04.pdf

Unbestritten ist Deine Aussage, dass Arbeit zugleich Wertschöpfung bedeutet. Das ist aber nichts Schlimmes. Wie sich diese Wertschöpfung auf die Einkommen (Arbeitnehmer, Arbeitgeber) verteilt, ist eine Frage der Verteilung, die u. a. in Tarifverträgen geklärt wird, die sich aber auch in der staatlichen Umverteilung widerspiegelt (Steuerfreibeträge, Steuerprogression, Transferleistungen, verminderter Mehrwertsteuersatz, Mehrwertsteuer-Befreiung für Mieten).

Ich bin mir nicht sicher, was genau Du unter „Kapital“ verstehst, weil Du diesen Begriff gegenüber dem Geldbegriff abgrenzt. Arbeit steht für die Produktion von Gütern und für die Erbringung von Dienstleistungen, die normalerweise mit Geld vergütet werden. Durch den Verkauf von Gütern und Dienstleistungen erzielt das Unternehmen Umsatzerlöse. Die Arbeit der Arbeitnehmer wird durch Löhne und Gehälter vergütet (= Arbeitseinkommen), während der Unternehmer einen Gewinn enthält. Das ist der Betrag, der die kalkulatorischen Kosten (Unternehmerlohn, kalkulatorische Zinsen usw.) übersteigt. – Gewinne werden zum Beispiel benötigt, um (Erweiterungs-)Investitionen zu finanzieren, um die Eigenkapitalquote des Unternehmens zu erhöhen (Krisensicherheit) oder aber, damit sich der Chef ein schönes Leben machen kann. Das alles ist eine Frage der Verteilung.

Für Dich sind die Arbeiter (Arbeitnehmer) diejenigen, die „immer wieder ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn das Kapital (Unternehmen) eine rentablere Investitionsmöglichkeit anderswo findet.“ – Ich nehme an, das soll ein Kritikpunkt sein. Das passende Stichwort dazu lautet: effiziente Faktorallokation. Die Ressourcen kommen dort zum Einsatz, wo sich ihre bestmögliche Verwendung finden. Das ist dort, wo sie am produktivsten sind (= am meisten Gewinn abwerfen). Und das erst einmal gut so.

Wie wäre es, wenn es anders liefe? Blicken wir dazu doch einmal 150 Jahre zurück, als Pferdekutschen das Straßenbild prägten. Irgendwann begannen Unternehmen damit, ihr Geld in den Bau von Motoren und in die Entwicklung von Autos zu stecken, weil sie das für zukunftsträchtig hielten. Dafür mussten sie Kapital aus anderen Verwendungen abziehen, um es dort zu investieren. Das Resultat siehst Du bei einem Blick auf die Straße: Die Kutscher sind verschwunden, die Autos haben sich durchgesetzt.

So läuft es immer und überall, solange der Staat nicht dazwischenfunkt. Nehmen wir den Schiffsbau. In Norddeutschland wurde der Schiffsbau jahrelang mit Steuererleichterungen und mit Subventionen am Leben erhalten, obwohl die Branche international längst nicht mehr konkurrenzfähig war. Das Resultat war, dass die Kunden für deutsche Schiffe mehr Geld auf den Tisch legen mussten als anderswo. Ist das wirtschaftlich vernünftig? Wenn die Japaner einen Toyota bauen, der es in einem bestimmten Marktsegment mit einem Volkswagen aufnehmen kann, also vergleichbar ist, dann kaufe ich den Toyota, wenn er günstiger ist. Damit belohne ich zugleich den erfolgreichen Unternehmer, dem es gelungen ist, sein Produkt mit weniger Ressourcen (= kostengünstiger) auf den Markt zu bringen. Wenn Nokia in Rumänien günstiger produzieren kann als in Bochum, dann sollte man nicht nur den Abbau von Arbeitsplätzen in Bochum sehen, sondern gerechterweise auf die Schaffung von Stellen in Rumänien. Wenn zusätzlich noch ein Werk in Rumänien errichtet werden muss, werden (vorübergehend) sogar noch mehr Jobs geschaffen. Eine globalisierte Wirtschaft kann man nicht vollständig erklären, wenn man den Blick nur innerhalb der eigenen Landesgrenzen schweiifen lässt.

Das Wissen der Väter der Politischen Ökonomie ist keineswegs verloren gegangen, wie Du behauptest. Ich weiß gar nicht, wie Du auf diese Idee kommst. Ihre Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage. - Für die Betrachtung aktueller Probleme werden ihre Modelle aber durchaus erweitert, sofern das geboten ist. – So ist das bereits angeführte Theorem der komparativen Kosten unter seinen Modellannahmen zwar weiterhin richtig. Heute fragt man sich jedoch, ob die daraus abgeleitete Forderung nach einer Liberalisierung der Weltmärkte weiterhin Bestand haben sollte. Denn die heutigen Verhältnisse sind gänzlich andere als die des Modells. Man denke dabei nur an die Problematik des Handels mit Afrika, die schon in anderen Threads (G8) angesprochen worden sind (beispielsweise Kaffeemarkt, Abhängigkeit der Produzenten von internationalen Großabnehmern usw.). Es ist nicht automatisch gewährleistet, dass beide Handelspartner profitieren.

Und schließlich soll also der Staat den Zweck haben, für die Umsetzung des Reichtums in Macht und in Geld zu sorgen? In meinen Worten klingt das etwas anders. Der Staat sorgt für die Infrastruktur im Land und übernimmt Aufgaben, die der Einzelne nicht stemmen kann. Der Staat kann den von Dir beschriebenen Zweck gar nicht erfüllen, weil ihm dazu die Mittel fehlen. – Er finanziert sich aus Steuern, Zöllen und Abgaben. Er ist darauf angewiesen, dass die arbeitende Bevölkerung etwas erwirtschaftet. Einen Teil seiner Einnahmen benötigt der Staat für die Wahrnehmung seiner Aufgaben (u. a. Verteidigung). Der größte Batzen ist der Sozialetat, der umverteilt wird. Dabei kommt das Geld von denjenigen, die es haben (siehe Verteilung der Einkommensteuer nach Einkommensgruppen) und fließt an diejenigen, die es nötig haben.

http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/download/ziffer/z822_846j03.pdf
http://www.bundesfinanzministerium.de/bundeshaushalt2007/index.html
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/
 
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Arbeit, Gewinn und Idealismus (II)

Ja, das stimmt. Das hat sich nicht bis zu allen Idealisten des Kapitalismus durchgesprochen. Sie glauben immer noch was sie in der Schule lernen.

Da sind nicht mal alle Volkswirtschaftler gemeint, sondern den Teil, der in den Verlagen, Zeitungen, Fernsehen oder ähnlichen Anstalten sein Job hat, wo ihr Idealismus nicht nur angebracht und geschätzt, sondern sogar Pflicht ist. Oder die Freizeitvolkswirtschaftler, die sich privat verpflichtet fühlen diesen Idealismus zu verbreiten. Da ist dieser gute Bürger eine ganz besondere Spezies. Er lässt keine Kritik gelten und sieht darin die Zersetzungsgefahr für den Zusammenhalt seines Vereins, seiner Stadt, seines Landes und seines Staates. Jawohl, seines Staates: Weil, wer würde sonst die Umverteilung machen? Auf die Frage zu kommen, wie so eine Umverteilung überhaupt nötig ist, wäre wirklich keine große gedankliche Leistung. Oder auf die Ursache zu schließen, warum der hochgelobte Staat höchstunterschiedliche Geschenke für seine Untertanen hat: weil es eben ihm um Reichtum geht, den er von seiner Konkurrenzgesellschaft produzieren läßt. Hier angekommen würde diesem Idealisten auch einleuchten, warum z. B. Deutschland ein reiches in der Welt dafür geschätztes und respektiertes Land ist: nicht weil dieser Staat sich mit der Umverteilung seines Reichtums und anderen karitativen Werke für seine Untertanen beschäftigt ist, sondern weil er seinen Reichtum schon als Mittel der Macht für die Vermehrung des Reichtums einsetzt, sonst würde der ganze umverteilte Reichtum in den Konsum übergehen, d. h. wäre vernichtet, verfressen, verbraucht und der Respekt dieser Welt für diesen Staat wäre dahin.

Dabei kommt es zwangsweise zu solchen kleinen Fehlern wie: Es ist nicht automatisch gewährleistet, dass beide Handelspartner profitieren.

Na ja, da finden sogar einige freien Medien dieses Staates mehr Kritikgrunde an dieser Wirtschaftsordnung als unser Idealist!
 
@ barista.

Du beklagst die Ausbeutung des Faktors Arbeit.

Was sagst du zu den Managern die Millionen verdienen. Die erhalten auch Lohneinkommen "Arbeitseinkommen".

Vielen mittel bis hoch Qualifizierten Arbeitskräften bietet, ein marktwirtschaftliches System wie das deutsche beste Möglichkeiten; um eben nicht vom System ausgebeutet zu werden, sondern um richtig schön viel Geld zu verdienen.

Sprichst du für all diese Menschen, wenn du von "Ausbeutung" sprichst ?

Noch eine Frage: Du sprichst vom Reichtum des deutschen Staates: Weißt du wieviel Billionen Schulden Wir (ja, das Geld haben zum größten Teil wir, die Bürger verbraucht) haben?

Könntest du mir meine Frage aus Post # 111 beantworten.

Gruß Dug
 
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DugDanger: Es ist etwas unfreundlich, solche Leute nach konkreten Lösungen zu fragen. Sie fokussieren sich auf die Beschreibung des Problems, auf Anprangerung, auf eine gerechtere Verteilung. Und selbst wenn das alles so umgesetzt ist, befürchte ich, wird weiter angeprangert. Opposition in seiner Vollendung.

Daher ein kleiner Tipp: Willst du eine Diskussion mit einem Linken, Rechten oder einem anderen Kapitalismuskritiker schnell erfolgreich für dich beenden (Zeit ist Geld :D), einfach darauf bestehen, dass konstruktive und glaubwürdige Lösungen vorlegt werden. Und bitte mit Zahlen hinterlegt.
Man merkt schnell, da kommt nix. Primär gehts nämlich darum, Frust und Wut abzulassen - doch kreativ ist das ganze irgendwie nicht. Höchstens langweilig, weil da ellenlange Texte mit Stichworten wie 'Systemfrage', Reichtum oder Sozial-xxx kommen. Aber nie Zahlen.
 
Nun, es scheint sich hier eine gemeinsame Line aufzutun zwischen DugDanger und Odium. Von dem einen werden nett gemeinte Ratschläge an den anderen verteilt wie mit dem "Gegner" zu verfahren sei und wie man ihn einfach ausschalten könnte. Lustig dabei ist, dass von vornherein gar nicht darauf geschaut wird was denn da gesagt wird, sondern es wird nur gesehen, dass da einer Kritik übt. Man nimmt ihm das aber nur deshalb übel weil in der eigenen kleinen Welt Kritik ständig nur "konstruktive" Kritik sein muss. Von destruktiver Kritik haben Leute wie DugDanger und Odium noch nie etwas gehört.

Lustig ist weiterhin, dass solche Leute wie die beiden angeführten meinen, dadurch, dass sie "Verbesserungsvorschläge" fordern, bereits die Argumentation ihrer "Gegner" durchbrochen haben. Leider haben sie das nicht, sondern einfach nur ihr Weltanschauungsschema einer Argumentation aufgestülpt, gesehen, dass es nicht draufpasst und deshalb die Argumentation einfach abgetan ohne sich immanent auf sie einzulassen. Das ist sowohl vom politischen wie vom wissenschaftlichen Standpunkt aus eine glatte 6.

Der Einwand übrigens, dass man keine Kritik äußern darf wenn man keine Gegenvorschläge anbringt ist eine typische Argumentation derjenigen, die sich zu Hütern von Schafen erkoren haben. Soll bedeuten: die das Bestehende bejahen und sich konsequent weigern die klaffenden Widersprüche innerhalb einer bestimmten Einrichtung der Gesellschaft zu sehen. Sofern sie sie dann doch mal sehen sind sie der Meinung, dass hier und da zu kitten ausreichen würde. Nun, über genau diesen Punkt sollte man wirklich reden. Und das geht nicht indem man von der Gegenseite Verbesserungsvorschläge fordert, sondern indem man sich gemeinsam über das was scheinbar nicht richtig läuft einig wird. So verläuft ein Diskurs und nicht: "Ja, du kannst das ja gerne behaupten, aber solange du deine Katze nicht aus dem Sack läßt, glaube ich dir so oder so nicht."
 
nun nochmal @ th3O

Mich würde konkret interessieren wie ihr unser Gesellschafts- Wirtschafts- Staats- und Rechtssystem verändern wollt.
Also: Wie wollt ihr es verändern und in Was?

Bitte auch konkrete Maßnahmen erleutern, egal ob Systemimmanent oder nicht.
Auch konkrete Handlungsaufforderungen an Bürger, Plotik, Wirtschaft usw...


Ich weiß jetzt auch nicht aber, ist diese Frage irgendwie indiskret oder unverschämt oder wieso gibt mir keiner eine Antwort.
Ich bin mit unserem System grundsätzlich zufrieden und mich würde schon interessieren wofür ich das dann aufgeben sollte.

Gruß
 
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